Redebeitrag für den Ostermarsch Bern in der Schweiz am 22. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,
chers amis,
liebe Leute hier auf dem Platz,

der Ostermarsch ist seit seiner Entstehung ein Ort, wo wir uns für eine friedlichere Welt, ein humane Sicherheitspolitik und weitschauende Solidarität einsetzen. Es ist jedes Jahr ein motivierender Anlass. Depuis sa création, la Marche de Pâques est un lieu où nous avons œuvré pour un monde plus pacifique, une politique de sécurité humaine et une solidarité prévoyante. Chaque année, c’est une occasion motivante ! Mais quand même: Der Ostermarsch ist auch immer wieder ein Anlass, der mich nachdenklich stimmt, cet événement me donne toujours à réfléchir. Letztes Jahr haben wir uns unter dem Thema der Konzern-Initiative versammelt und für mehr Verantwortung und Achtung der Menschenrechte in der Wirtschaft demonstriert, ein Jahr zuvor ging es um die Finanzierung von Waffen und Waffengeschäften, davor um Solidarität mit Geflüchteten. L’année dernière, nous nous sommes réunis autour du thème de l’initiative pour des multinationales responsables et nous avons manifesté pour plus de responsabilité et de respect des droits humains dans l’économie, l’année précédente, nous parlions du financement et des ventes d’armes et il y a trois ans notre attention portait sur la solidarité avec les réfugiés. Drei Beispiele, die heute genauso aktuell sind, wie sie es in der Vergangenheit waren. Es gibt immer noch viel zu tun. Und manchmal hat man das Gefühl, dass man keinen Schritt weiterkommt, und keinen Bruchteil der Welt humaner gestalten kann. Natürlich wäre es ein illusorisches Wunschdenken, dass wir uns irgendwann hier versammeln und einfach feiern, weil es nichts mehr anzuklagen gibt. Aber: Dass wir uns 2019 gegen Waffenexporten in Bürgerkriegsländer wehren müssen, dass übersteigt sogar meine pessimistischen Erwartungen. Mais qu’en 2019 nous devions nous mobiliser contre l’exportation d’armes dans des pays en guerre civile dépasse même les plus pessimistes de mes attentes.

Es geht über alle noch so schwammig definierten Grenzen von Anstand, Vernunft und Menschlichkeit hinaus, dass sich die Vertreter der Rüstungsindustrie in einem Jahr, indem die Waffenexporte 18% mehr Gewinn als im Vorjahr gemacht haben, tatsächlich zusammengesetzt haben, Stift und Papier in die Hände nahmen, und dem Bundesrat geschrieben haben, sie müssten neu auch in Bürgerkriegsländer ihre Waffen und Rüstungsgüter liefern können, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Man stelle sich diese Sitzung vor! Eine Gruppe erwachsener, intelligenter Menschen trifft sich an einem runden Tisch und jemand sagt: Uns geht es zwar blendend, aber lasst uns doch Handgranaten in Gebiete liefern, die sich in einem Bürgerkrieg befinden. Und alle stimmen zu. Au-delà des limites vaguement définies de la décence, de la raison et de l’humanité, les représentants de l’industrie de l’armement se sont assis, ont pris papier et stylos pour demander au Conseil fédéral le droit désormais de fournir leurs armes aux pays en guerre civile au motif de devoir rester compétitifs, alors que l’année précédente, figurez-vous, leurs bénéfices avaient grimpés de 18%. Imaginez cette rencontre ! Un groupe d’adultes intelligents qui se réunit autour d’une table ronde et quelqu’un dit : „On s’en sort très bien, mais livrons des grenades à main dans les régions en guerre civile. Et tout le monde est d’accord. Es ist ein Hohn, eine Frechheit, es ist ein offenes Bekenntnis, dass Gewinne für die Rüstungsindustrie mehr zählen – und schon immer mehr gezählt haben – als die Sicherheit und Stabilisierung von Regionen und das menschliche Leben an sich.

Dass die Waffenfirmen und ihre Lobbyisten so ticken, das darf kaum überraschen. Dass aber der Bundesrat, der sich auf die Fahne seiner Regierung Menschlichkeit und Prosperität geschrieben hat, einknickt und tatsächlich einwilligt, die Regeln für Kriegsmaterialexporte zu lockern, das ist eine Schande. Le fait que les entreprises d’armement et leurs lobbyistes agissent de la sorte ne devrait pas nous surprendre. Mais que le Conseil fédéral ait plié et accepte d’assouplir les règles pour l’exportation de matériel de guerre : ça c’est une honte. Les armes suisses n’ont leur place dans aucun conflit de ce monde. Et certainement pas dans les pays en guerre civile. Schweizer Waffen haben in keinem Konflikt der Welt etwas zu suchen. Und schon gar nicht in Bürgerkriegsländern. Das muss man nicht einmal mit unserer humanitären Tradition oder unserer Rolle als Vermittlerin begründen: Es ist eine so deutliche Überschreitung jeglicher Grenze, eine so klare Abwertung von menschlichem Leben, dass eine weiterführende Argumentation sich eigentlich erübrigen sollte.

Aber: Unser massiver Widerstand hat Wirkung gezeigt. Dank euch allen, dank dem Engagement der Zivilgesellschaft, dank unzähligen Organisationen, die sich gewehrt haben, konnten wir dafür sorgen, dass der Bundesrat mit der Lockerung der Exportpraxis nicht einfach so durchkommt. Die Korrektur-Initiative ist momentan unsere realste Chance, eine Anpassung der Exportpraxis nach Wunsch und Vorstellung der Rüstungsindustrie nachhaltig zu verhindern. Natürlich: Es sind nur minimale Forderungen in der Initiative enthalten. Aber wir haben gezeigt, dass wir hier sind, und dass wir wachsam sind, und dass wir der Rüstungsindustrie keinen Zentimeter mehr Freiraum in ihren tödlichen Geschäften zu geben bereit sind.

Notre résistance massive a eu un effet. Grâce à vous toutes et tous, grâce à l’engagement de la société civile, grâce à d’innombrables organisations qui ont riposté et on a dit non au Conseil fédéral, celui-ci n’a pas pu tout simplement s’en tirer avec des pratiques d’exportation plus souples. L’Initiative correctrice est actuellement notre occasion la plus réelle d’empêcher durablement l’adaptation des pratiques d’exportation selon les désirs de l’industrie de l’armement. Bien sûr : l’initiative ne comporte que des exigences minimales. Mais nous avons montré que nous sommes ici, que nous sommes vigilant-e-s et que nous ne sommes pas prêt-e-s à donner à l’industrie de l’armement la possibilité de développer son activité meurtrière. En très peu de temps, les signatures nécessaires à l’initiative ont été recueillies.

Der Bundesrat hat nach den massiven Reaktionen aus der Bevölkerung einen Rückzieher gemacht und die Lockerung der rechtlichen Regeln zu Waffenexporten vorerst sistiert. Dass er die Lockerung wieder aus der Schublade nehmen wird, davon müssen wir ausgehen. Aber noch einmal: Unser massiver Widerstand hat Wirkung gezeigt. Daran müssen wir uns immer erinnern: Unser aller Einsatz ist Tag für Tag und Jahr für Jahr wichtig. Es mag ein illusorischer Wunsch sein, dass wir den Ostermarsch irgendwann ohne pazifistische und antimilitaristische Forderungen an Politik und Gesellschaft durchführen können, weil sie sich schon alle erfüllt haben. Es ist aber eine simple Frage des Anstandes und der Vernunft, dass Schweizer Waffen nicht in Bürgerkriegsländer eingesetzt werden dürfen. Dass wir diese Forderung überhaupt aufs Parkett bringen müssen, ist absurd und macht wütend. Aber dass wir sie stellen, ist unendlich wichtig.

Il est peut-être illusoire de penser que nous nous réunirons un jour pour la Marche de Pâques sans plus avoir à s’engager pour une politique et une société pacifiste et antimilitariste. Mais que des armes suisses ne puissent pas être utilisées dans des pays en guerre civile ne devrait pas tenir de l’illusoire. Il s’agit seulement d’une question de décence. C’est une honte et cela me rend furieuse de devoir formuler une exigence aussi minimale que celle-ci.

Wir sind nicht darauf angewiesen, die Welt mit Waffenlieferungen unsicherer zu machen. Die Schweiz hat Besseres zu exportieren als Waffen!

Danke, dass ihr euch dafür einsetzt.

 

Magdalena Küng ist GSoA-Sekretärin (GSoA = Gruppe für eine Schweiz ohne Armee).