Redebeitrag für den Ostermarsch Bruchköbel am 19. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Während wir hier demonstrieren und Frieden durch Abrüstung fordern, werden Millionen Menschen in vielen Regionen der Welt durch Kriege in ihrer Existenz bedroht: aktuell in Libyen, Syrien, im Jemen, in Mali, im Irak, schon seit 18 Jahren in Afghanistan (wir erinnern uns an Kundus wo am 4. September vor 10 Jahren durch den Bundeswehreinsatz über 120 Menschen ihr Leben lassen mussten). Seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien vor 20 Jahren stehen deutsche Soldaten immer noch im Kosovo. Die Bundeswehr ist in 14 Kriegseinsätzen aktiv.

Die Kriegsdrohungen nehmen zu: auf den Golan-Höhen,  gegen Venezuela, gegen den Iran und besonders durch den NATO-Aufmarsch in der Ukraine, Polen und den baltischen Staaten gegen Russland. "Krieg ist Frieden" verbreitet das Ministerium für Wahrheit in Orwells 1984, die gleichen Vokabeln erreichen uns aus Berlin.. Die internationale geopolitische Lage hat sich bedenklich zugespitzt, ein globales Wettrüsten hat an Fahrt aufgenommen.

2018 erreichten die weltweiten Militärausgaben mit fast zwei Billionen US-Dollar den höchsten Stand seit Ende des Kalten Krieges. Mit 630 Milliarden US-Dollar machen die Ausgaben der USA ein gutes Drittel der weltweiten Rüstungsausgaben aus. Die Europäischen NATO-Mitgliedstaaten geben alleine, ohne die USA, dreimal so viel für Rüstung aus wie Russland, die NATO insgesamt vierzehnmal so viel. Bei Erreichen ihres Aufrüstungszieles von zwei Prozent des Haushaltes hätte Deutschland alleine höhere Rüstungsausgaben als die Atommacht Russland.

Donald Trump und seine Aufkündigung des INF-Vertrages haben zentral zu einer weiteren atomaren Eskalation beigetragen. Deshalb fordern wir, dass die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag der UN unterzeichnet, Dieser Vertrag sorgt auch dafür, dass die US-Atomwaffen aus der BRD abgezogen werden müssen. Diesen Abzug hat vor mehr als neun Jahren der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen. Passiert ist nichts. Die „nukleare Teilhabe“ muss mit dem Ziel einer atomwaffenfreien EU-Zone beendet werden. Die Erklärungen von Stadtparlamenten wie in Mainz, Wiesbaden und Marburg sind ein gutes Beispiel für Druck auf die sich ahnungslos gebende Regierungspolitik im Lande. Abrüstung, Stopp von Waffenexporten, Entspannungspolitik und der Umbau der Rüstungsindustrie für zivile Bedürfnisse sind unsere Forderungen.

Aber die Antworten aus den Reihen von CDU/CSU, FDP und auch von SPD und Grünen klingen, als hätte es noch nie einen Kalten Krieg, Wettrüstung oder "Gleichgewicht des Schreckens" gegeben. Sie sprechen zynisch von europäischer Einigung und einem Europa, das ein Friedensprojekt sei. Vor allem mit Blick auf einen gemeinsamen Flugzeugträger, einen gemeinsamen Rüstungsmarkt oder einer gemeinsamen europäischen Armee wird das Gegenteil deutlich.

Ein Sinnbild für den falschen Kurs der EU ist die "Military Mobility": Infrastrukturausbau von Straßen und Brücken, damit sie panzertauglich werden. Statt militärischer Mobilmachung braucht es eine Infrastruktur, die in der gesamten EU am Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet ist - nicht am Bedarf der Armeen.

Exporte von Waffen, Rüstung und Waffenteilen aus Deutschland und der der EU in Krisen- und Kriegsgebiete müssen sofort ausgesetzt werden. Statt Konflikte weiter anzuheizen oder fragile Staaten zu destabilisieren, dürfen keine todbringenden Waffen in Krisengebiete und an autoritäre Regime geliefert werden.

Dies und der Klimawandel sind Ursachen für Flucht und Vertreibung. Wir versichern den Menschen, die unter Krieg und Elend leiden in den Krisengebieten, auf der Flucht oder als Mitbürger hier bei uns unsere Solidarität.

Sicherheit in Europa kann nur Sicherheit unter Einbeziehung von Russland sein. Militärmanöver oder Pläne zur Stationierung von Waffensystemen entlang der russischen Westgrenze heizen Konflikte an. Wir lehnen dies ab. Die OSZE sollte mehr als ein Instrument zur Bearbeitung und Lösung regionaler Konflikte sein. Wir wollen eine neue, auf Entspannung orientierte Ostpolitik.

Die NATO feierte ihren 70. Geburtstag am 4. April dieses Jahres in Washington. Aus diesem Anlass fanden in der US-Hauptstadt zahlreiche Proteste und Veranstaltungen gegen das Bündnis statt.

Es ist falsch, dass die Bundesregierung und die Mehrheit der EU-Regierungen die Drohungen von US-Präsident Trump nutzen, um ihrerseits den Rüstungswettlauf zu beschleunigen. Der Ausbau einer »Verteidigungsunion« oder »Militärunion« mit eigenständiger Militärpolitik, eine europäische Armee und andere Vorhaben der Militarisierung führen nicht zu mehr Sicherheit für die Menschen in Europa.  Bundeskriegsministerin Ursula von der Leyen will den Rüstungskonzernen immer größere Profite sichern.

Der Aachener Vertrag von Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit seinem geheimen Zusatzabkommen zielt ausgerechnet im Namen der Völkerfreundschaft auf Aufrüstung, Militarisierung der Außenpolitik und weitere Profite für die Rüstungskonzerne. Wir lehnen den Aachener Aufrüstungsvertrag entschieden ab. Wir brauchen für Europa eine andere Politik und müssen es neu begründen.

Ohne diesen Neuanfang bleiben politische Vernunft und Abrüstung auf der Strecke. Wie bereits in den 80er Jahren müssen wir selbst es richten und wir müssen das mehrheitliche „Nein“ zu dieser Kriegspolitik und der weiteren Aufrüstung verstärken und sichtbarer machen. Ermutigend ist, dass immer mehr junge Menschen für eine friedliche, solidarische Welt demonstrieren. Hunderttausende gehen für #unteilbar, #seebrücke und "Fridays for Future“ also  auch gegen den Klimawandel auf die Straßen und das weltweit. Zunehmend wird ein Grundgedanke der internationalen Solidarität lauter. Auch die 145.000 Unterschriften unter den Appell "aufrüsten statt abrüsten“, von denen über 80% in konkreter Ansprache von Unterzeichnerinnen in Listen gesammelt wurden, zeigen, dass wir es nicht mit einem Stillstand der Bewegungen zu tun haben.

Die Friedensbewegung sollte auch nach Ostern mit vielfältigen und kreativen Aktionen daran anknüpfen und unsere Anschlussfähigkeit zu anderen Bewegungen beweisen. Wir wollen Menschen für Frieden, Abrüstung und die gemeinsame Sicherheit in ganz Europa mobilisieren. Wir werden wieder mehr. Schließlich wissen wir: „Der Friede ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“. Wir fordern zum Mitmachen auf. Unterstützt weiterhin die Kampagne „abrüsten statt aufrüsten“.

Deshalb packt eure Transparente nicht weg, sondern am 1. Mai bei den gewerkschaftlichen Kundgebungen und am europaweiten Aktionstag für ein Europa der Zukunft am 19. Mai in Frankfurt sehen wir uns wieder. Unser Friedensverlangen muss auch dort sichtbar werden.

Lasst viele Friedensfahnen wehen.

Vielen Dank.

 

Willi van Ooyen ist bei der Friedens- und Zukunftswerkstatt in Frankfurt aktiv.