Redebeitrag für den Ostermarsch im Werra-Meißner-Kreis in Wanfried am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Ostern 2021: Brücken bauen – Abrüsten statt Aufrüsten!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

vor fast 80 Jahren, am 22. Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion. Diese hatte mit über 27 Millionen Toten die meisten Opfer des 2. Weltkrieges zu tragen. Hieraus ergibt sich aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung Deutschlands für den Frieden, für Freundschaft und Kooperation mit Russland einzustehen.

Doch was ist geschehen, seit die Sowjetunion mit dem 2+4-Vertrag den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik möglich machte? Die NATO rückte Stück für Stück weiter an die russische Grenze heran. Deutsche Soldaten, deutsche Kampfflugzeuge stehen in Litauen, unmittelbar vor der russischen Grenze. Selbst Länder, die noch nicht der NATO beigetreten sind, wie Georgien oder die Ukraine werden mittlerweile in NATO-Manöver einbezogen wie das gerade laufende Defender Europe 2021.

Abrüstungsverträge wurden gekündigt und eine massive militärische Aufrüstung des Westens folgte: Deutschland hat seinen Kriegsetat seit 2014 um gut 50% erhöht (von 32,4 auf jetzt fast 50 Mrd. €) – das ist die größte %-Steigerung der 15 ersten Länder im weltweiten Ranking. Während die USA in 2020 ca. 730 Mrd. und die NATO insgesamt 1,1 Billionen US-Dollar in Rüstung und Militär investierten, lagen die Militärausgaben Russlands bei ca. 60 Mrd. Damit lag Russland an 5. Stelle in der Welt, noch hinter Großbritannien.

Die aggressive Rhetorik des Westens gegenüber Russland bis hin zum Mörder-Vorwurf von Biden gegenüber Putin tun ein Übriges

Kann mir irgendjemand sagen, warum eine Lehrerin in Wolgograd, ein LKW-Fahrer in Nowosibirsk, eine Ärztin in St. Peterburg, oder ein Präsident in Moskau sich nicht durch den Westen und die NATO bedroht fühlen sollten?

Sieht man sich darüber hinaus die aggressive Rhetorik gegenüber der VR China an, den Truppenaufmarsch der USA, Großbritanniens und anderer westlicher Länder und mittlerweile auch der Bundesmarine vor den Küsten Chinas an, dann wird einem Angst und Bange. (Man stelle sich vor, China würde Flugzeugträger vor San Francisco und New York kreuzen lassen und Militärstützpunkte in Mexico und Kanada errichten…)

Von einem neuen kalten Krieg ist die Rede – man könnte auch befürchten, dass wir uns in einer Vorkriegszeit befinden!

Deshalb demonstrieren wir auch in diesem Jahr trotz Corona an Ostern. Denn was nützt es uns, wenn wir vielleicht bald alle gegen Covid 19 geimpft sind und wir die Pandemie besiegen, uns dann aber eine noch größere Seuche nämlich der Atomkrieg endgültig alle auslöscht?

Wir fordern von der Politik Brücken zu bauen, einen konstruktiven offenen und ehrlichen Dialog mit Russland und China wieder aufzunehmen, neue Abrüstungsverträge zu schließen, die Sanktionspolitik zu beenden und endlich Abzurüsten statt immer weiter aufzurüsten!

Vor knapp 76 Jahren, am 25. April 1945 begegneten sich in Torgau sowjetische und US-amerikanische Soldaten. Sie lagen sich in den Armen und reichten sich die Hand an der kurz zuvor von SS zerstörten Elbebrücke. Der amerikanische Schütze Joe Polowski berichtete „Wir versprachen einander, dass die Nationen der Erde in Frieden leben sollten und müssten.“ Joe Polowski hat diesen Schwur immer wieder bekräftigt und in den USA gegen viele Widerstände die Organisation „Veterans for Peace“ mitbegründet. In Chicago hat er jedes Jahr am 25. April auf einer Brücke eine Friedenskundgebung abgehalten um an den „Spirit oft the Elbe“ zu erinnern. Und in seinem Testament hat er verfügt, dass er in Torgau an der Elbe begraben werden wollte, was dann auch verwirklicht wurde.

In diesem Sinne überqueren wir an diesen Ostertagen die Werra-Brücken in Eschwege, Wanfried und Witzenhausen und kommen hier zu Friedenskundgebungen zusammen.

Hände reichen, Brücken bauen, Atomwaffen verbieten und verschrotten, Abrüsten statt Aufrüsten!

Vielen Dank.

 

Andreas Heine ist aktiv beim Friedensforum Werra-Meißner.