Redebeitrag für den Ostermarsch Dülmen am 5. April 2021

 

- Sperrfrist: 5. April 2021, Redebeginn: 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

alle Atomwaffenstaaten „modernisieren“ derzeit ihre Arsenale und rüsten auf – die Zivile Nutzung der Kernenergie dient da überall als Feigenblatt.

Jeder Staat, der ein Atomprogramm hat, investiert in sein ziviles Atomprogramm! Hier in Europa wirbt Frankreichs Präsident Macron offensiv für Kernenergie als Lösung für die Probleme des CO2-Anstiegs und des Klimawandels – dabei drohte er beiläufig mit den Nuklearwaffen Frankreichs, als sich der Gasstreit im östlichen Mittelmeer zwischenzeitlich zuspitzte.

Premierminister Johnson kündigte erst vor wenigen Tagen an, die Atomsprengköpfe Großbritanniens in den kommenden Jahren von 180 auf 260 zu erhöhen – eine Erhöhung um fast die Hälfte!

Staaten, die noch keine Atomwaffen haben, wollen unbedingt in die Zivile Kernkraftnutzung ein-steigen oder diese ausbauen.

In Deutschland steht die einzige Urananreicherungsanlage, die – genau wie eine solche im Iran – Uran so hoch anreichern könnte, dass es waffenfähig ist. Diese Anlage steht nicht weit von hier, in Gronau – und ist vom sogenannten Atomausstieg ausgenommen!

Uns wird – nicht nur durch Herrn Macron - erzählt, Kernenergie sei CO-2-neutral und helfe, den Klimawandel zu stoppen.

Aber, genau das Gegenteil ist der Fall: Der für zivile Nutzung vorgehaltene Kreislauf des Urans dient letztlich der Erzeugung von Atomwaffen – diese stehen am Ende der Kette, in der eines der entscheidenden Glieder die Urananreicherung ist! Das war schon zu Beginn der Uranspaltung so – die zivile Nutzung wurde ja erst sehr viel später „erfunden“, und das ist auch noch immer so.

Lasst Euch nicht für dumm verkaufen!

Wir müssen die Erzählung von der klimafreundlichen Kernenergie dringend korrigieren und sie als Lüge entlarven – in Wirklichkeit ist Urananreicherung und die sogen.Zivile Urannutzung der Weg in den sicheren Tod - früher oder später!

Atomwaffen töteten nicht nur in Hiroshima und Nagasaki, sie töteten auch in den Atomwaffentests und in den betroffenen Gegenden seither durch die Spätfolgen von radioaktivem Fallout, sie töten aber auch permanent im Uranabbau, wo täglich Unmengen von Erde und Wasser radioaktiv ver-seucht werden und die Menschen dort, in diesen meist sehr weit abgelegenen Gebieten leben, ver-mehrt an Krebs sterben, wo die Frauen mißgebildete Kinder zur Welt bringen oder gehäuft Fehl-geburten erleiden.....

Atomwaffen haben heute ein Vielfaches der Sprengkraft der Bomben von Hiroshima und Nagasaki. Gleichzeitig werden sogenannte Mini-Atombomben entwickelt, die weniger Schäden anrichten sollen und zielgenauer sind – was ihren Einsatz wahrscheinlicher macht, weil mit weniger „Kollateralschäden“ gerechnet wird.

Neben der technischen Weiterentwicklung beinhaltet die neue Militärdoktrin der USA ausdrücklich die Möglichkeit begrenzter nuklearer Angriffe - als vorbeugend gerechtfertigt – atomare Erstschläge, wohlgemerkt -, wenn die Infrastruktur eines alliierten Landes empfindlich bedroht oder angegriffen würde! Zusammen mit der Entwicklung immer zielgenauerer Waffen, der sogenannten Mini-Nukes, stellt dies ein enorme Gefahr dar – auch für einen sogen. “Atomkrieg aus Versehen“, durch technologischen Fortschritt bedingte immer kürzere Vorwarnzeiten und die immer geringere Möglichkeit, bei einem Fehlalarm steuernd einzugreifen.... Davor warnen Experten aus der IT und KI, aber noch hört niemand auf sie.....

Auch in Büchel, bei uns in der Eifel, wo die ca.20 letzten US-Atombomben lagern, ist eine Modernisierung geplant – statt diese Waffen endlich abzuziehen. 2010 gab es bereits einen entsprechenden Beschluss der Mehrheit der damaligen Bundestagsabgeordneten – zu seiner Umsetzung kam es bis heute, 11 Jahre danach, nicht! Obwohl sich die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung in repäsentativen Umfragen immer wieder dafür ausspricht, die atomare Teilhabe zu beenden!

Soldaten der Luftwaffe üben in Büchel tagtäglich einen völkerrechtswidrigen Akt, indem sie üben, die dort gelagerten Atombomben in ihr Ziel zu bringen und dort abzuwerfen, bzw. sie in Zukunft zielgenau abzufeuern.

Mit der Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Gebiet, mit der Beteiligung an der atomaren Planung innerhalb der NATO also der sogen.Nuklearen Teilhabe, mit der Vorbereitung auf die Stationierung neuer zielgenauerer Atomwaffen, mit jeder Übung deutscher Bundeswehrpiloten, Atomwaffen in ihr Ziel zu fliegen und abzuwerfen, verstößt Deutschland gegen den Nichtverbreitungsvertrag von 1970, gegen den dieses Jahr in Kraft getretenen UN-Atomwaffenverbotsvertrag, sowie gegen den 2+4-Vertrag – und nichts dagegen geschieht!

Der 2+4-Vertrag wurde anläßlich der Wiedervereinigung Deutschlands geschlossen, in dem sich Deutschland verpflichtet, keine biologischen, keine chemischen sowie keine atomaren Waffen zu haben.

Mich bedrückt und bestürzt dieser letzte Umstand besonders, denn er berührt uns als Deutsche direkt und ausschließlich – wir brechen ein Versprechen, eine Zusage, die wir Gorbatschov gegen-über gegeben haben und die eine wesentliche Grundlage dafür war, dass er der Wiedervereinigung Deutschlands zustimmen konnte, indem er den Mut hatte, in unsere Fairness zu vertrauen wie auch in die damals starken Kräfte der Friedensbewegung in Westdeutschland – dieses uns gegebene Vertrauen verletzen wir tagtäglich und das beschämt mich zutiefst und macht mich fassungslos!

Die deutsche Bundesregierung schweigt zu alledem beharrlich und bestreitet den Bruch des Völker-rechts, der täglich in Büchel mit den Übungen deutscher Bundeswehrpiloten geschieht.

Es ist kein Trost, dass auch die Atommächte ihrer im Nichtsverbreitungsvertrag festgelegten Verpflichtung nicht nachkommen. Die Mehrzahl der Staaten hat dem Verzicht auf eigene Atomwaffen nur deshalb zugestimmt, weil sich die Atommächte im Vertrag ausdrücklich zu „ernsthaften Verhandlungen mit dem Ziel der Abschaffung der Atomwaffen“ verpflichtet haben. Heute besitzen die damaligen Atommächte ein Vielfaches an Atomwaffenpotenzial als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Und, wie wir sehen, sie rüsten auf.....

Es ist ein Skandal, dass sich praktisch niemand an diesen Vertrag hält!!

Auch die Proteste gegen die Nukleare Teilhabe hier im Land bewirken im Grunde nichts. Selbst ziviler Ungehorsam, den einige in Büchel verüben, indem sie aus Protest und in der Hoffnung, damit mehr Öffentlichkeit herzustellen, widerrechtlich das Fliegerhorstgelände betreten, endet nur immer wieder mit der Verurteilung wegen Hausfriedensbruch – führt aber nicht zur weitergehenden juristischen und politischen Klärung des völkerrechtswidrigen Verhaltens von Deutschland.

Regelhaft wird darauf verwiesen, die Frage müsse politisch geklärt werden und Ziviler Ungehorsam sei dazu nicht das geeignete Mittel.

Das stimmt – es MUSS politisch geklärt werden!

Deshalb rufe ich Euch alle auf und bitte Euch inständig, den Politiker*innen, die für die Bundestagswahl im September kandidieren, mitzuteilen, dass sie nur gewählt werden, wenn sie sich glasklar gegen die Fortsetzung der Nuklearen Teilhabe aussprechen!

Stärkt damit auch diejenigen Politiker*innen, die bereits heute für das Ende der Nuklearen Teilhabe sind, die in ihren Parteien aber bisher nur ein kleine Minderheit sind!

FFF sei`s gedankt, dass die Klimafrage inzwischen von fast allen Parteien als eigenes Thema entdeckt wurde – sogar Ministerpräsident Laschet will die Bundestagswahl für die CDU zu einer Klima-Wahl machen!

Klima und eine gesunde Umwelt sind für unser (Über-)Leben auf diesem Planeten überlebenswichtig – genauso ist es der Frieden. Beide sind die zwei Seiten ein- und derselben Medaille, die da heißt: „das Überleben der Menschen auf diesem Planeten“ und lassen sich nicht trennen – zumal Krieg und dessen Vorbereitung zu den Klimakillern erster Ordnung gehört!

Lasst uns diese Zusammenhänge laut kundtun, schließt Euch mit der Klimabewegung zusammen und helft mit, dass es im Herbst nicht nur eine Klima- sondern auch eine Friedens-Wahl wird !!
 

Dr. Brigitte Hornstein ist aktin bei der IPPNW in Münster.