Redebeitrag für den Ostermarsch Dülmen am 5. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir stehen hier vor dem Army Preposition Stock der US-Armee in den Tower Barracks in Dülmen. In den nächsten Wochen wird auch von hier aus im Großmanöver DEFENDER EUROPE 21 wieder militärisches Großgerät und Munition an die NATO-Ostgrenzen geschafft, um die Drohkulisse gegen Russland möglichst martialisch auszustatten.

Die Schwerpunktregionen sind in diesem Jahr der Westbalkan und der Schwarzmeerraum. 21 Nato-Staaten sind beteiligt, außerdem die Ukraine, Georgien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Moldawien. Die USA und ihre Vasallenstaaten üben die Einkreisung Russlands.

31.000 US- und verbündete Soldaten, darunter auch 430 Bundeswehrangehörige, werden wochenlang mit Panzern, Haubitzen und Flugabwehrsystemen quer durch Europa ziehen und über 30 Einzelmanöver durchführen, um zu demonstrieren: "Wir sind auf einen richtig großen Krieg vorbereitet." 2,9 Millionen Euro wird Deutschland allein für dieses Manöver aufwenden, die Schäden an der zivilen Infrastruktur noch gar nicht mitgerechnet. Der Ostermarsch macht auch dieses Jahr wieder deutlich: Wir fordern Lockdown fürs Militär, nicht nur in Zeiten der Pandemie!

Gerade durchlebt die Menschheit die größte Gesundheitskrise seit Menschengedenken. Weltweit sind bereits mehr als 2,8 Millionen Menschen der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen und wir haben erfahren, dass die Gesundheitssysteme in vielen Ländern, selbst in reichen Industriestaaten, nicht in der Lage waren, alle Kranken angemessen zu versorgen. Viele hoffen jetzt, dass es möglichst schnell "normal" weitergehen soll. Aber diese vermeintliche Normalität ist Teil des Problems, denn sie heißt eben auch Aufrüstung und Konfrontation.

Ich erlaube mir mal einen utopischen Blick in eine unnormale Zukunft. Es könnte ja auch so kommen: Die Völker der Welt erkennen, dass globale Probleme wie diese Pandemie, Hunger und Armut und die sich verschärfende Klimakrise nur durch globales Denken und Handeln, durch Kooperation und Verständigung gelöst werden können. Sie jagen alle Politiker*innen zum Teufel, die an Konkurrenz und Wettbewerb, Profitmaximierung und Nationalismus festhalten wollen. Wir beenden die Kriege um Macht und Rohstoffe und teilen all unser Wissen und Können, um gemeinsam weiter zu kommen. Alle Testverfahren, Impfstoffe und Medikamente werden weltweit zugänglich und die Forschenden suchen über die Grenzen hinweg nach der bestmöglichen Prävention und Versorgung. Impfstoffe sind nicht mehr Teil von Geostrategien zur Erhaltung von Macht und Einfluss oder Mittel zur Profitmaximierung, sondern ein Instrument, um möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit vor Erkrankung zu schützen. Und ähnlicher Aufwand wie gegen COVID19 wird gegen die Krankheiten der Armen getrieben: Tuberkulose, Malaria, Polio oder Ebola werden so in wenigen Jahren überwunden.

Zwei Billionen Dollar jährlich, die bisher in den Tod investiert wurden, werden für das Leben, die Gesundheit und die Bildung umgesteuert. Mit zwei Billionen Dollar können wir die globalen Nachhaltigkeitsziele bis 2030 problemlos erreichen. Wir können den Hunger beenden, alle Kinder unterrichten und allen Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung geben. Wir können die fossilen Energien und die Atomkraft durch erneuerbare Energien ersetzen. Und wir können den Frauen und Männern, die heute noch zum Töten ausgebildet werden oder immer effizientere Mordinstrumente entwickeln und bauen müssen, sinnvolle, produktive Aufgaben für das Leben geben. Macht das nicht Hoffnung und Lust, daran mitzuwirken?

Diese Vision einer Welt ohne Rüstung und Militär ist vielleicht nicht morgen erreichbar. Aber es gibt Schritte auf diesem Weg, die gegangen werden müssen. Doch leider ist die Bundesregierung auf dem falschen Pfad unterwegs und deswegen müssen wir weiter Druck machen!

Die deutschen Rüstungsausgaben steigen auch in der Coronakrise weiter an. In diesem Jahr erreichen sie nach NATO-Kriterien 53 Milliarden Euro. Übernächste Woche soll der Haushaltsausschuss des Bundestags Steuergelder für die Entwicklung der Euro-Kampfdrohne in Höhe von etwa drei Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren freigeben. Ich finde, wir sollten nächste Woche noch einmal alle SPD-Abgeordneten fragen, wie sie sich zu diesem Mega-Projekt verhalten. Kampfdrohnen sind keine Verteidigungswaffen, sondern Angriffswaffen. Wir brauchen den Ausstieg aus dieser Technologie, bevor sie die Kriege weiter anheizt und entgrenzt!

Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD hält auch weiter daran fest, für viele Milliarden Euro neue Atombomber für die Bundeswehr anzuschaffen, damit diese in Büchel weiter den Atomkrieg trainieren kann. Die Modernisierung des Fliegerhorstes in Büchel von 2022 bis 2026 schlägt mit etwa 290 Millionen Euro zu Buche. Damit sollen die Bunker bereit gemacht werden für eine neue Generation von US-Atombomben, die die Gefahr eines alles vernichtenden Atomkriegs erhöhen.

Wir sagen: Atomwaffen gehören verboten und Deutschland muss dem UNO-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten! Das fordern inzwischen 124 Städte, Gemeinden und Kreise sowie die Bundesländer Bremen, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz mit dem ICAN-Städteappell. 615 Abgeordnete des Europaparlaments, des Bundestags und der Landtage haben sich bereits öffentlich verpflichtet, diese Forderung zu unterstützen. Im September wird ja ein neuer Bundestag gewählt und da bietet sich doch an, alle Kandidat*innen danach zu fragen, ob sie bereit sind, sich für das Atomwaffenverbot einzusetzen und das auch gegenüber künftigen Koalitionspartnern durchzuhalten. Ich bin besonders stolz, dass meine Fraktion, DIE LINKE, diese Erklärung zu 100% unterschrieben hat.

Die Bundesregierung rüstet weiter auf. Sie strebt auch weiterhin an, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in das Militär zu stecken und die Aktionäre der Kriegsindustrie kommen vor lauter Lachen nicht in den Schlaf, während sich die im Lockdown gefangenen Wirte, Geschäftsinhaber und Kulturschaffenden jeden Abend aus Sorge in den Schlaf weinen müssen.

Um der Bevölkerung diese Irrsinns-Ausgaben zu vermitteln, werden ganz ungeniert alte und neue Feindbilder geschürt. Aber der größte Treiber von Konflikten und Aufrüstung sind nicht etwa Russland oder China, sondern die USA und die NATO. Die USA alleine unterhalten über 1.000 Militärstützpunkte in aller Welt und demonstrieren damit ihren globalen Anspruch auf Vorherrschaft.

Und die Bundesregierung nimmt sich daran ein Beispiel. Im Sommer dieses Jahres soll die Fregatte "Bayern" auf Patrouillenfahrt gehen, nicht in der Nord- oder Ostsee, auch nicht im Mittelmeer, sondern im Südchinesischen Meer. Damit will man China demonstrieren, dass Deutschland seine wirtschaftlichen Interessen überall auf der Welt militärisch durchsetzen will, und das sogar auf der anderen Seite der Weltkugel. Während es im Grundgesetz noch heißt "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf", schickt die Bundesverteidigungsministerin nun die Marine in eine Weltregion, in der sie nun wirklich nichts zu suchen hat. Das ist eine Kanonenbootpolitik, die vollkommen unverantwortlich und an Größenwahn kaum noch zu übertreffen ist und dazu sagen wir selbstverständlich NEIN!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ihr könnt euch darauf verlassen, dass ihr bei allen Forderungen, für die die Ostermärsche stehen, DIE LINKE an eurer Seite habt. Auch in der Bevölkerung sprechen sich ja regelmäßig große Mehrheiten für ein Ende der Bundeswehreinsätze, für weniger Rüstungsausgaben, gegen Atomwaffen und Rüstungsexporte aus. Aber jetzt bitte ich euch auch um eure Hilfe: Sollte es nach der Bundestagswahl möglich sein, eine Regierung ohne die CDU/CSU zu bilden, werden die Medien und die anderen Parteien den Druck auf DIE LINKE massiv erhöhen, dass wir für das Mitregieren unsere Grundsätze ganz oder teilweise aufgeben sollen. An dieser Stelle werden wir euch brauchen, damit aus anderen Mehrheiten auch wirklich eine andere Politik wird. Es könnte sein, dass ihr dann, ganz gleich, welcher Partei ihr euch selber nahe fühlt, außerparlamentarisch Gegendruck entfalten müsst, damit wir eine Chance haben, tatsächlich etwas zu verändern. Dass SPD und Grüne lieber mit einer Partei der Rüstungslobby wie der CDU oder der FDP regieren wollen als mit uns, zeigt wie relativ unwichtig ihnen ihre Abrüstungsforderungen sind. Das sollten wir ihnen nicht durchgehen lassen.

Ich zähle auf euch!

 

Kathrin Vogler ist Mitglied des Deutschen Bundestags für die Partei Die Linke.