Redebeitrag für den Ostermarsch Münster am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Wir stehen heute hier vor der Manfred-von-Richthofen-Kaserne, die künftig vielleicht Standort für ein „Führungskommando Landstreitkräfte“ sein soll.

„Vielleicht“? Ja oder auch nein. Das Bundesministerium der Verteidigung will sich da noch nicht festlegen. Ich habe kürzlich nachgefragt und das Ministerium hielt sich bedeckt: Der Standort sei „zur infrastrukturellen Bedarfsdeckung des Heeres vorgesehen“.

Das Heer hat Bedarf?

Ein „Führungskommando Landstreitkräfte“ soll dazu beitragen, die Führungsorganisation des Heeres für die – wie sie sagen – „anspruchsvollste Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung“ zu verbessern sowie „die Verpflichtungen gegenüber NATO und EU vollumfänglich zu erfüllen“.

Auf deutsch heißt das: Die Heeresorganisation soll für den Krieg optimiert werden. Und das wollen wir nicht hinnehmen! 

Ja, sie planen für den nächsten großen Krieg, in dem Landstreitkräfte geführt werden müssen. Es ist schon gruselig, dass für solche Planungen gerade diese Kaserne ins Auge gefasst wurde. Denn auch ihr Namensgeber steht für die verhängnisvolle Tradition des deutschen Militarismus.

Manfred von Richthofen, deutscher Offizier und Jagdflieger im Ersten Weltkrieg, trat schon mit elf Jahren in ein Kadettenkorps ein. Als „Roter Baron“ wurde er zur Legende. Er soll in diesem Krieg mehr als 80 Luftkämpfe gewonnen haben, bis er am 21. April 1918 über Frankreich abgeschossen wurde und starb.

Die Hitlerfaschisten begingen seinen Todestag von 1935 bis 1945 als „Ehrentag für die deutsche Luftwaffe“.

Und die Bundeswehr? Sie gab diesem Standort seinen Namen, „Richthofen-Kaserne“.

Was war das für ein Mann, der da zum Vorbild für Bundeswehrangehörige stilisiert wird? Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:

Richthofen sagte einmal: „Man kann sich für alles begeistern. Eine Zeit lang war ich begeistert vom Bombenwerfen. Es bereitete mir ein ungeheures Vergnügen, diese Kerle von oben zu bombardieren.“

Und er sagte auch: „Es ist schade, dass in meiner Trophäensammlung kein einziger Russe zu finden ist“.

Heute hat das deutsche Militär wieder „die Russen“ im Visier. Die Bundeswehr ist seit 2017 mit 500 Soldat*innen als Teil der Enhanced Forward Presence im Baltikum und führt die „NATO-Battlegroup“ in Litauen.

Die militärisch-politischen Eliten nennen das die „Sicherung der Ostflanke der NATO“.

Ich nenne das eine Provokation gegen Russland, die wissentlich eine militärische Auseinandersetzung in Kauf nimmt. Sie sichern dort gar nichts. Sie sind die Bedrohung. Sie gefährden den Frieden, Tag für Tag. Wir wollen eine andere Politik, eine Politik der Verständigung und Entspannung, denn nur so können wir die Zukunft unserer Kinder und Enkel sichern.

Im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ der NATO üben Bundeswehrpiloten in Deutschland täglich den Atomkrieg. Jedes Jahr wird das auch im Rahmen der Atomkriegsübung „Steadfast Noon“ aufs Neue trainiert. Wir stehen für den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der UNO. Deutschland braucht keine neuen Atombomber, sondern eine atomwaffenfreie Zone und neue Anstrengungen für eine atomwaffenfreie Welt!

Dann wälzt sich seit 2014 alle neun Monate ein US-amerikanischer Militär-Aufmarsch namens „Atlantic Resolve“ durch Westeuropa bis an die Ostflanke der NATO mit mehr als 5.000 Soldaten, fast 500 Kettenfahrzeugen und bis zu 100 Transport- und Kampfhubschraubern.

Auch hier ist die Bundeswehr direkt beteiligt, stellt über den „Host Nation Support“ Infrastruktur und Transportbegleitung zur Verfügung, die Deutsche Bahn ist Vertragspartner für den Schienentransport der US-Panzer und Haubitzen, die Nordseehäfen sind die Landestellen für das US-Militärgerät und zivile Flughäfen, wie der in Dresden, dienen als Tank- und Rastanlagen für die US-Hubschrauber auf ihrem Weg gen Osten. Und während dieser neun Monate trainieren die US-Truppen mit den Armeen fast aller europäischen Länder in bis zu 20 Manövern – den Krieg.

Wir sind mitten drin. Europa ist zum Mega-Sandkasten für die Kriegsspiele der NATO und der USA geworden. Und aufgrund seiner geografisch zentralen Lage ist Deutschland das Drehkreuz für Militäraufmärsche.

Seit letztem Jahr gibt es die US-Kriegsübung DEFENDER Europe. Defender Europe 2020 wurde von der Corona-Pandemie gestoppt. Aber wir sahen in den ersten Monaten genau, was uns da erwarten sollte: der größte US-Truppenaufmarsch seit dem Ende des Ost-West-Konflikts.

In Deutschland rollten Militärtransporte über Straßen und Schiene, Truppenübungsplätze wurden zu Heerlagern für die US-Truppen und ihre Verbündeten, darunter natürlich auch die Bundeswehr. Die US-Generalität versprach ihren Truppen, dass jubelnde Menschen am Rande der Transporte fahnenschwenkend warten würden. Stattdessen standen wir da:

STOPPT DEFENDER 2020 war auf Transparenten und Flyern zu lesen. Die Friedensbewegung hatte Widerstand mobilisiert, von Duisburg bis Torgau , von Bremerhaven bis Ulm. Statt bis Juni dauerte das Kriegsmanöver Defender Europe 2020 nur bis März, die US-Soldaten verließen Europa, wegen Corona!

Aber sie sollen wiederkommen. Es heißt, Defender Europe würde nun jährlich stattfinden, in den geraden Jahren im nördlichen, in den ungeraden Jahren im südlichen Bündnisgebiet der NATO.

Seit März übt die US-Armee nun mit „Defender Europe 2021“ den Krieg gegen Russland in Osteuropa. Mit 31.000 Soldat*innen und über 30 Einzelmanövern, diesmal trotz Pandemie. Wir fordern: Lockdown für das Militär, nicht nur während der Pandemie!

Die Schwerpunktregionen sind in diesem Jahr der Westbalkan und der Schwarzmeerraum. 21 Nato-Staaten sind beteiligt, außerdem die Ukraine, Georgien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Moldawien. Die USA und ihre Vasallenstaaten üben die Einkreisung Russlands.

Auch diesmal ist Deutschland wieder mit dabei. Neben der Unterstützung beim Transit der US-Truppen wird die Bundeswehr mit 430 Soldatinnen und Soldaten in der Kernzeit von Defender 2021, im Mai und Juni, in Rumänien und Ungarn an Kriegsmanövern teilnehmen. Die Kosten für die Teilnahme der Bundeswehr werden derzeit mit 2,9 Mio. Euro beziffert und darin sind die Kosten für Schäden an der zivilen Infrastruktur noch nicht mal enthalten. In Deutschland sollen auch wieder Truppenübungsplätze für Teilübungen genutzt werden.

Das Münsterland spielt dabei eine zentrale Rolle: Aus dem „Army Preposition Stock“, dem 2017 neu errichteten Nachschublager der US-Armee in den ehemals britischen Tower Barracks in Dülmen, werden in den nächsten Wochen Militärmittel, Waffen, Munition und Versorgungsmaterial, an die an Defender 2021 beteiligten US-Einheiten geliefert.

Am Montag, im Rahmen des Ostermarsches Kreis Coesfeld, werden wir deshalb eine Stunde den Eingang dieses US-Militärlagers blockieren. Ich hoffe, dass ich viele von euch da wiedersehe!

Wenn Ihr euch fragt: „vor was oder wem sollen uns diese unfassbare Aufrüstung und die ständigen Militäraufmärsche schützen“, und Ihr findet keine Antwort, dann liegt das daran, dass es tatsächlich nur eine rationale Begründung für das alles gibt:

Die einzigen, die Profit schlagen, aus der Kriegslust und dem explodierenden Aufrüstungsboom, insbesondere der USA und NATO-Staaten, sind die Rüstungsunternehmen, die auch heute Rekordgewinne einfahren. Selten war die menschenfeindliche Nutzlosigkeit des Militärs so offensichtlich wie jetzt, wo wir in der Corona-Pandemie rund um den Globus die gleiche Bedrohung, die gleichen Ängste und die gleichen Hoffnungen teilen und die Menschen weltweit realisieren, dass alle Ressourcen dringend gebraucht werden, um diese Naturkatastrophe und ihre Auswirkungen zu bewältigen.

Es wird Zeit, dass wir diese Erfahrung nutzen und uns verbünden, gegen die politischen Sprengköpfe und Kriegsgewinnler, hier bei uns und weltweit, die viel zu lange schon und viel zu unbehelligt ihr Geschäft verrichten.

Tatsache ist: für die Missstände und Bedrohungen, die unsere Existenz wirklich gefährden, Klimakrise, Armut, Ausbeutung, Hunger, die Pandemie, hat kein Militär dieser Welt eine Lösung parat. Sicherheit für alle Menschen zu schaffen ist eine riesige Herausforderung, die nur zivil gelingen kann und dabei kann sich die Friedensbewegung auf DIE LINKE verlassen, die ganz klar sagt:

Die Waffen nieder!

Abrüsten statt aufrüsten!

 

Kathrin Vogler ist Mitglied des Deutschen Bundestages für die Partei Die Linke und lebt im Münsterland.