Redebeitrag für den Ostermarsch Ruhr in Duisburg am 3. April 2021

 

- Sperrfrist: 3. April 2021, Redebeginn: 10.30 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Deutschlands Mega-Aufrüstung stoppen!

 

Liebe Ostermarschiererinnen, liebe Ostermarschierer,

Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Generalinspekteur Eberhard Zorn haben im Februar ein Positionspapier über die Zukunft der Bundeswehr veröffentlicht. Darin liest man den erschreckenden Befund, „Russland rüstet massiv konventionell und nuklear auf.“ Und beide schlussfolgern „Aus dieser Lage ergeben sich konkrete Bedrohungen für Deutschland, […] denen wir begegnen müssen: Übergriffe auf uns und unsere Bündnispartner, die Grenzen, den Luftraum, die Hoheitsgewässer und den Datenraum. […] wir dürfen uns nicht erpressbar machen,“ schreiben AKK und Zorn. Also: Weil Russland massiv aufrüstet, muss auch Deutschland aufrüsten.

Wenn das so ist, wie die beiden behaupten, dann müsste sich das doch auch in den Rüstungsausgaben Russlands widerspiegeln? Russlands Militärausgaben müssten doch massiv ansteigen. Untersuchen wir das mal: Im Westen liefern zwei anerkannte Institute, SIPRI in Stockholm und das Internationale Institut für strategische Studien IISS in London die nötigen Fakten. Das IISS stellt fest, dass Russland in letzter Zeit seine höchsten Militärausgaben im Jahr 2015 verzeichnete. Also nicht 2020. 2020 lagen die russischen Militärausgaben inflationsbereinigt um 13 Prozent unter diesem Höchstwert von vor 5 Jahren. Hoppla! Das bedeutet doch, Russland hat seine Militärausgaben gar nicht erhöht, sondern sogar gesenkt! Somit rüstet Russland gar nicht massiv auf. Das heißt doch, die russische Aufrüstung ist eine Erfindung. Treffender noch: Ihre Behauptung ist eine Lüge, denn die beiden, AKK und Zorn, müssten es besser wissen.

Was taten NATO und Deutschland in diesem Zeitraum? Seit 2015 stiegen die Ausgaben der NATO um 15 Prozent, die Deutschlands um 33 Prozent. Wer rüstet massiv auf? Russland oder Deutschland? Es liegt auf der Hand: Die deutsche Öffentlichkeit soll hinters Licht geführt werden, um eine Begründung für die eigenen Aufrüstungsambitionen zu haben.

Seit dem NATO-Gipfel von Wales 2014, wo eine Erhöhung der Militärausgaben aller NATO-Mitgliedsländer möglichst auf 2 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2024 beschlossen wurde, wird in den NATO-Staaten Europas systematisch gegen Russland aufgerüstet und eine Drohkulisse geschaffen.

Man könnte ja der Ansicht sein, die NATO macht das, um aufzuholen, weil Russland schon zuvor sehr stark aufgerüstet hat und der NATO militärisch so überlegen ist. Jedoch, dem ist nicht so: Die Zahlen sprechen eine andere, eine gegenteilige Sprache. Während die Landheere beider Seiten etwa gleichviele Panzer und Artilleriesysteme haben, beträgt das Übergewicht der NATO bei Kampfflugzeugen und Kampfhelikoptern jeweils 4,8 zu 1, auf dem Meer zwischen 2,5 und 9 zu 1 und unter Wasser 3,2 zu 1. Außerdem unterhalten die NATO-Staaten 3,2 mal so viele Soldaten unter Waffen wie Russland und seine Verbündeten, in Europa beträgt das Verhältnis 1,8 Millionen NATO-Soldaten zu 540.000 Soldaten Russlands.

Nun sind die schweren Waffensysteme und die Soldaten nicht alles, was das Militär ausmacht. Die militärischen Machtverhältnisse drücken sich vor allem in ihren Budgets aus. Russland gab nach NATO-Kriterien im letzten Jahr 60,6 Milliarden Dollar für das Militär aus, so das IISS. Die NATO summiert die Ausgaben ihrer Mitglieder auf horrende 1.108 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das 18-fache Russlands. Noch eine Zahl, die die russische Eroberungsabsicht von NATO-Gebiet als Märchen entlarvt: Deutschland hat nach NATO-Angaben im letzten Jahr genau 59 Milliarden Dollar für sein Militär ausgegeben. Russlands Ausgaben liegen also gerademal um 1,6 Milliarden Dollar über den deutschen. Und damit will Russland die NATO angreifen?

Das ist absurd. Russland ist in der Defensive. Es verteidigt sich gegen die NATO-Übermacht. Aber, die NATO-Übermacht soll noch wachsen, die Drohkulisse noch bedrohlicher werden. Deshalb das Aufrüstungsprogramm seit Wales 2014.

Auch die Bundeswehr ist seitdem im Aufrüstungsmodus und wird in diesem Jahr – Corona hin – Corona her, den vorläufigen Höchststand seiner Militärausgaben von 53 Milliarden Euro erreichen. So hat AKK es der NATO gemeldet. Das Ziel zwei Prozent ist damit noch nicht erreicht. Das will Kramp-Karrenbauer 2031 erreicht haben. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts würden dann etwa 90 Milliarden Euro für die Bundeswehr bedeuten. Wer denkt, das soll es gewesen sein mit der deutschen Aufrüstung, der irrt. Megaprojekte sind beabsichtigt. Aber der Reihe nach.

Die Rüstungsstrategie der Bundeswehr hat nicht mehr das sogenannte internationale Krisenmanagement, wie sie es nennt, im Zentrum, sondern die Ausrichtung auf Großkonflikte - mit Russland und China. Sie nennt das Landes- und Bündnisverteidigung. Die Aufrüstung von Heer, Marine und Luftwaffe Deutschlands ist umfassend. Kramp-Karrenbauer sagte dazu vor einem Jahr: „Im Schnitt bekommt die Bundeswehr jede Woche einen neuen Panzer, jeden Monat ein neues Flugzeug und jedes Jahr ein neues Schiff.“

Für das deutsche Heer bedeutet das unter dem Strich nach zehn Jahren Aufrüstung 2031 die Verdoppelung seiner Schlagkraft. Heeresinspekteur Alfons Mais verkündete vor einem halben Jahr schon mal das Ziel soldatischen Drills: „Unter Landes- und Bündnisverteidigung müssen die eingesetzten Truppen durchsetzungsfähig, kriegsbereit und siegesfähig sein.“ Und: „Nochmal: Ziel des Heeres ist Kriegstüchtigkeit, einsatzbereite Kräfte allein genügen nicht: Wir müssen einstecken, wiederaufstehen, gegenhalten und letztendlich gewinnen können!“ So der deutsche Heeresinspekteur Generalleutnant Alfons Mais in einer Grundsatzrede im November.

Für die Luftwaffe sind die Pläne für die nächsten 10 Jahre am kostspieligsten. Die Hälfte der Kampfflugzeuge soll ersetzt werden, was etwa 25 Milliarden Euro kosten wird. Von 138 neuen Kampfjets will AKK 45 in den USA kaufen, die die sogenannte technische nukleare Teilhabe Deutschlands in der NATO bilden sollen. Sie ersetzen die altersschwachen Tornados etwa ab 2025. So der Plan. Verhandlungen über den Kauf in den USA hat AKK schon angebahnt.

30 der 45 US-Kampfjets sind besonders gefährlich. Sie sollen die 20 in Büchel lagernden US-Atombomben transportieren, die 15 anderen Jets sollen die russische Luftabwehr zerstören. Die derzeit in Büchel lagernden Freifallbomben sind für eine sichere Angriffsoption auf russische Ziele ungeeignet. Deshalb wollen die USA sie ab 2024 durch neue Atombomben ersetzen. Mittels Satelliten können sie, 30 km vor dem Ziel abgeworfen, präzise ins Ziel gelenkt werden. Zudem – und das ist besonders brisant - können sie gezielt gegen unterirdische verbunkerte Kommandozentren in Russland eingesetzt werden. Werden diese Pläne von CDU/CSU, die von der FDP geteilt werden, nach der Bundestagswahl umgesetzt, erhöhen sich die Spannungen in Europa gewaltig.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, diese Gefährdung des Friedens muss verhindert werden! Deutschland muss atomwaffenfrei werden. Berlin muss dem Atomwaffenverbotsvertrag der UNO beitreten! Uns als Friedensbewegung kommt hier eine verantwortungsvolle Aufklärungsarbeit schon jetzt im Wahljahr zu.

Möglicherweise am 14. April soll der Bundestag grünes Licht für die Entwicklung der sogenannten Eurodrohne geben. Die Bundeswehr soll ab 2029 davon 21 Exemplare erhalten, die noch unbewaffnet sind. „Eurodrohnen“ sind 11 Tonnen schwere Mehrzweckdrohnen, die der elektronischen Kriegführung der Bundeswehr dienen sollen. Aus 13 km Flughöhe sollen sie die gesamte elektronische Kommunikation der militärischen und politischen Führung eines Landes ausspionieren können und mittels Anfertigung sehr detaillierter digitaler Landkarten deren Standorte zwecks Zielauswahl erfassen. Und das in einem Radius von bis zu 400 km. Ich frage mich, was hat die Bundeswehr mit 21 solcher „Eurodrohnen“ vor? Zwar zunächst noch ohne Waffen. Aber Generalinspekteur Zorn hat sich bei der späteren Bewaffnung schon festgelegt, eine lasergelenkte Bombe von 227 Kilogramm Gewicht und Raketen gegen bewegliche Ziele soll es sein.

Aber die eigentlichen Megaprojekte sollen später noch folgen. 2017 haben Angela Merkel und Emmanuel Macron drei rein europäische Großprojekte gestartet, die von zentraler Bedeutung für die Herausbildung einer militärischen „strategischen Autonomie“ der EU sind.

Das kleinste der Großprojekte ist eine neue Generation von Artilleriesystemen, die ab 2040 fertig sein sollen. Ihr Volumen wird auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Das zweitgrößte Projekt ist eine neue Generation von Kampfpanzern MGCS. Ziel ist es, bis 2035 „ein Hightech-System zu entwickeln, bei dem Robotik und Waffen wie Hochgeschwindigkeitsraketen eine entscheidende Rolle spielen.“ MGCS soll zum „Rückgrat des Heeres“ werden, und die „Möglichkeit des autonomen Gefechts“ haben, „also ohne Besatzung“. Damit soll es zu einem militärischen Game-Changer werden. Der Chef der Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann geht davon aus, dass es in Europa in den nächsten 25 bis 30 Jahren einen Bedarf von 5.000 Kampfpanzern gibt. Gedacht ist an weltweite Umsätze von rund 100 Milliarden Euro bis in die 40er Jahre hinein.

Das mit Abstand größte Projekt jedoch ist das Kampfflugzeugsystem FCAS – Future Combat Air System. Es ist für die Zeit von 2040 bis 2080 vorgesehen, seine Entwicklung soll aber schon in diesem Jahr angeschoben werden. Es besteht aus einer Integration von atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen, Kampfdrohnen wie den eben beschriebenen „Eurodrohnen“, bewaffnetem Drohnenschwarm, Aufklärungs-, Transport – und Tankflugzeugen, Satelliten und AWACS-Maschinen, Schiffen und Heereseinheiten. Künstliche Intelligenz soll alles durchdringen und in Echtzeit sollen alle Systeme in Weltraum, Luft, Wasser, Land und dem Cyberraum verknüpft werden. Man spricht auch vom „System der Systeme“. Das Projekt wird „nach Schätzungen aus der Branche,“ so das Handelsblatt, „einen Umsatz von 500 Milliarden Euro bringen“. Allein die Entwicklung wird die Steuerzahler*innen bis zu 100 Milliarden Euro kosten. FCAS wird damit etwa fünfmal gigantischer als das bisher kostspieligste europäische Rüstungsprojekt – der Eurofighter. Bezweckt wird damit nichts weniger als die Weltherrschafft der EU unter deutsch-französisch-spanischer Führung. Wie soll man folgende Stellungnahme sonst interpretieren? Sie stammt von den Chefs der Luftwaffen dieser drei Länder: Demnach soll FCAS „in allen Kategorien des Luftkampfes über hervorragende Fähigkeiten verfügen, dadurch die Luftüberlegenheit unserer Luftwaffen und dadurch die erforderliche Bewegungsfreiheit der anderen Teilstreitkräfte sicherstellen.“

Liebe Freundinnen und Freundinnen, das, was hier den Rüstungskonzernen Airbus und Dassault, Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann die Profitsäcke überquillen lassen und den Technik- und Machtjunkies ihre kranken Allmachtsfantasien verwirklichen sollen, spielt mit nichts weniger als dem Untergang der Menschheit und des Planeten. Und es verpulvert sinnlos Geld. Geld, das zur Bewältigung der Jahrhundertprojekte Ausrottung des Hungers, Beseitigung der Fluchtursachen, Erhalt des Klimas, Bekämpfung der sozialen Ungleichheit und gleiche Bildungschancen dringend gebraucht wird.

Es muss endlich Schluss sein mit diesem besinnungslosen Rüstungswahnsinn!(!) Bitte helft dabei mit, wo ihr nur könnt.

Vielen Dank.

 

Lühr Henken ist aktiv beim Bundesausschuss Friedensratschlag.