Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel am 3. April 2021

 

- Sperrfrist: 3. April 2021, Redebeginn: 10 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich schaue mich um und sehe viele bekannte Gesichter, viele von euch wie auch ich beteiligen sich seit vielen Jahren an den Ostermärschen. Es gibt jeweils aktuelle Gründe besorgt zu sein. Die Welt ist nicht friedlich, militärische Auseinandersetzungen und Kriege bringen unermessliches Leid über die Bevölkerung und zwingen Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat

Wir empfinden die gigantischen Waffenarsenale, vor allem die Atomwaffen als ständige Bedrohung und fürchten die Lunten die durch verstärkten Nationalismus, Säbelrassen und Konfrontation an diese Pulverfässer gelegt werden können. Seit vielen Jahren fordern wir als Einzelpersonen und als politische Organisationen und Gewerkschaften:

Nie wieder Krieg! Abrüsten statt Aufrüsten!

Ich rede hier auch als Gewerkschafterin und für mich ist es Gewissheit, dass eine sozial gerechtere Welt nur mit Frieden gestaltet werden kann.

Ich gehöre der Generation an, deren Eltern als Kinder und Jugendliche den Faschismus und den 2. Weltkrieg miterlebt haben. Sie konnten mit uns kaum darüber sprechen, sie haben die Geschehnisse verdrängt. Wenn es aber in meiner Kindheit einen Sirenenalarm gab und das kam früher als Probelarm häufiger vor, dann zuckten meine Eltern zusammen, dann trat die Angst in ihre Augen. Diese Angst vor Bomben und Krieg, die Angst in einen Luftschutzbunker zu rennen und die Ungewissheit, ob man einen Bombenangriff überlebt. Dieses Gefühl hat sich auf mich übertragen. Das ist für mich auch ein Grund am Ostermarsch teilzunehmen.

Ich freue mich, dass die Generation meiner Kinder vertreten ist und noch Jüngere dabei sind. Schülerinnen und Schüler, die über die Fridays for Future Bewegung aktiv geworden sind. Ihr habt uns drastisch vor Augen geführt, dass wir uns um die Zukunft des Planeten, unsere Erde allergrößte Sorgen machen müssen.

Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften sind das Gebot der Stunde. Der ungezügelte Verbrauch von Ressourcen, die späteren Generationen für die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse nicht mehr zur Verfügung stehen, muss gestoppt werden. Wir brauchen eine grundlegende Neuorientierung über den gesellschaftlichen Nutzen und die Art des Wirtschaftens. Sind Profitmaximierung und Aktienkurse die Triebfedern des Wirtschaftens oder orientiert sich Wirtschaft an der Befriedung menschlicher Bedürfnisse, fördert diese den gesellschaftlichen Zusammenhalt und schützt die Natur?

Die Rüstungsausgaben haben weltweit ein gigantisches Ausmaß erreicht. Die globalen Rüstungsausgaben belaufen sich inzwischen auf 2 Billionen US-Dollar.

Das ist kein nachhaltiges Wirtschaften. Das ist ein Irrsinn, der gestoppt werden muss!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Ein Jahr mit der Corona-Pandemie liegt hinter uns. Ein Jahr in dem die weltweiten Verflechtungen und Abhängigkeiten besonders deutlich wurden.

Ein Jahr indem hierzulande viele Unzulänglichkeiten in unserer gesellschaftlichen Infrastruktur offensichtlich wurden, es wurde offensichtlich wie unterfinanziert viele Bereiche sind, wie verantwortungslos kaputtgespart wurde:

Im Gesundheitssystem, bei den Krankenhäusern, beim Pflegepersonal und in den Gesundheitsämtern

Bei den Schulen, die zu große Klassen haben, zu wenige Lehrer*innen, unzureichende digitale Infrastruktur und häufig marode Klassenzimmer

Und es hat sich gezeigt, wie verantwortungslos schlecht die soziale Absicherung ist, wie schnell Menschen den Boden unter den Füssen verlieren. Es gibt viele prekär Beschäftigte, kleine Selbständige, Künstlerinnen und Künstler, die im Corona-Jahr kaum arbeiten konnten, die kein Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld erhalten, die durchs Raster fallen. Für die Hartz IV Bezieher*innen können die mageren Corona-Hilfen den Mehrbedarf nicht decken und es ist noch schwerer über die Runden zu kommen.  

Bei aller Unzulänglichkeit der staatlichen Hilfe und des staatlichen Handelns, hat die Corona-Pandemie aber auch gezeigt:

Es ist möglich, der Gesundheit der Bevölkerung eine hohe Priorität einzuräumen. Es hat uns gezeigt, wie fragil das Wirtschaftssystem ist. Viele Unternehmen, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen die helfende Hand des Staates mit Zuschüssen, günstigen Krediten oder durch Kurzarbeitergeld. Die freie Marktwirtschaft ist mal wieder an ihre Grenzen gekommen, die öffentliche Daseinsvorsorge ist wichtiger denn je!

Politisches Umdenken ist das Gebot der Stunde und wir werden dies im Jahr der Bundestagswahl an vielen Stellen einfordern.

Die Zukunft muss ökologisch, sozial und friedlich gestaltet werden!

Doch wir ahnen schon, was nach der Bundestagswahl kommt: die öffentliche Daseinsvorsorge soll einem neuen Sparzwang unterworfen werden. Schon jetzt gibt es Stimmen, die die Schuldenbremse wieder einfordern. Der Streit um die Verwendung von Steuermitteln wird neu entbrennen.

Unsere, die Position des DGB und der Gewerkschaften dazu ist klar:

Wir brauchen einen starken Sozialstaat, wir brauchen mehr öffentliche Investitionen in Gesundheit und Pflege, in unser Bildungssystem, in eine sozial-ökologische Gestaltung der Energie- und Verkehrswende, in die kommunale und die digitale Infrastruktur und in den sozialen Wohnungsbau.

Eine Erhöhung des Verteidigungsetats auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist eine krasse Fehlsteuerung von Haushaltsmitteln und darf nicht passieren!

Abrüsten statt Aufrüsten ist das Gebot der Stunde!

 

Mechthild Middeke ist Gewerkschaftssekretärin beim Ver.di Bezirk Nordhessen.