Redebeitrag für den Ostermarsch Dülmen am 5. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir stehen vor den Tower Barracks, wo seit 2016 Geräte, Fahrzeuge und Waffen der US Army für ein schnelles Einsatzkommando gelagert werden.

Wollen SIE das?

Innerhalb von 96 Stunden können amerikanische Truppen aus der USA und Materialien aus ähnlichen Logistik-Depots wie die Tower Barracks an der Grenze zu Russland sein.

Halten SIE das für sinnvoll und notwendig?

Der Transport von Truppen und Material allein beim US-Großmanöver Defender Europe 21 belastet das Klima und die Umwelt durch Flüge und Schwertransporte, durch den Einsatz der Panzer und Waffen erheblich. Die Kosten der Manöver sind enorm.

Zur Sache

Ich bin gebürtige Amerikanerin. Für diese Rede hatte ich mir vorgenommen, die militärischen Einsätze der USA während meinem Leben anzuschauen. Es waren so viele, dass ich überwältigt war. Die USA war seit dem 8. Mai 1945 bis heute durchgehend in bewaffnete Konflikte und Kriegshandlungen involviert. In der Regel hatten sie dabei eine führende Rolle, oder waren Anstifter. Bei dem Versuch die Zusammenhänge zu verstehen, verlor ich mich immer wieder in Details. Die Darstellungen der Zusammenhänge und Ergebnisse der einzelnen Operationen waren oft widersprüchlich.

Ich will einige erwähnen, alle schaffe ich nicht und es ist unmöglich, bei einer solchen Veranstaltung zu den einzelnen Konflikten ins Detail zu gehen.

Wenige Wochen nach der Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus warfen die Amerikaner zwei Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab. Das hat danach kein anderes Land der Welt gewagt! Allein diese beiden Bomben sind für hunderttausende Tote, Invaliden und für genetische Schäden bis in die heutige Generation verantwortlich.

Es gab keine Zweifel an diesen Angriff. Kein Gefühl von Schuld an den Tod von Zivilisten, an der Zerstörung der Lebensräume. Sühne war kein Thema.

1950 wurde ich in der USA geboren. In der Grundschule hatten wir Katastrophenschutzübungen – wie ihr sie von Filmen kennt. Eine Sirene ging los und wir kauerten unter unseren Schulbänken. Es war körperlich spürbar, dass der Feind jeden Augenblick angreifen konnte und dass wir vorbereitet sein mussten. Der Feind war der Russe. Den Russen stellte ich mir als einen großen, stark behaarten, stämmigen Mann in dicken Mantel und Pelzmütze vor. Schon diese Bekleidung war bei Temperaturen von ca. 40 Grad in Kalifornien zwischen Juni und September bedenklich. Der Russe war gemein und gewalttätig. Er schreckte nicht davor zurück Atombomben auf Kalifornische Kleinstädte abzuwerfen. Er war ein KOMMUNIST, ... a commi. Und wir mussten uns und den Rest der Welt vor dem Kommunismus retten. Wir Amerikaner mussten verhindern, dass andere Länder – z. B. in Indochina – wie Dominosteine umkippten und kommunistisch wurden.

In meinem Geburtsjahr 1950 begann der Korea Krieg. Die Infrastruktur von Korea war durch den zweiten Weltkrieg und die Besetzung durch die Japaner zerstört. Südkorea war westlich orientiert. Nordkorea war kommunistisch. Als der Süden von dem kommunistischen Norden Koreas angegriffen wurde trat die USA im Sicherheitsrat der UN dafür ein, Südkorea militärisch beizustehen. Etwa 90% der in Korea eingesetzten Truppen waren US Amerikaner, das waren junge Männer aus meiner Nachbarschaft, aus dem Freundes- und Kollegen-Kreis meiner Eltern.

Es gibt bis heute keine genauen Opferzahlen für den Koreakrieg; schätzungsweise starben 3,5 bis 4,5 Millionen Menschen, Soldaten und Zivilisten davon ca. 40.500 Soldaten der UN-Nationen, die meisten von ihnen US-Amerikaner. Massaker wurden durch beide Konfliktparteien verübt. Am 27. Juli 1953 endete der Korea Krieg mit einem Waffenstillstand, der zwischen USA und SU ausgehandelt wurde. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht!

Nach der Unabhängigkeit Vietnams, Kambodschas und Laos von der Kolonialmacht Frankreich im Jahr 1954 begann 1955 erneut ein Krieg in Indochina. In Vietnam unterstützten die USA militärisch den Süden des Landes gegen den kommunistischen Norden. Ab 1965 wurde Nord Vietnam von der US-Luftwaffe bombardiert. Auch Grenzbereiche von Kambodscha und Laos wurden bombardiert und in das Kriegsgeschehen einbezogen. In den folgenden Jahren schickte die US-Regierung immer mehr Bodentruppen nach Vietnam. Auch drei von meinen Cousins, meine Schulfreunde, Nachbarn wurden eingezogen und kämpften in Vietnam. Zunehmend viele Jungs desertierten bzw. verließen die USA bevor sie eingezogen werden konnten.

1975 schließlich – nach 20 Jahren - flüchteten die letzten amerikanischen Truppen aus Saigon.

Auch für diesen Krieg gibt es keine genauen Zahlen für die vietnamesischen und kambodschanischen Verluste. Man schätzt die Zahl der vietnamesischen Kriegsopfer auf mindestens zwei bis zu mehr als fünf Millionen. Davon waren mehr als 1,3 Millionen Soldaten…Der Rest allerdings waren Zivilisten. Mehrere Millionen Vietnamesen wurden verstümmelt. Das hochgiftige Entlaubungsmittel Agent Orange vergiftete die Menschen, den Boden und das Wasser. Bis heute werden Kinder mit Missbildungen als Folge der chemischen Kriegsführung geboren. Im Vietnam Krieg fielen 58.220 US-Soldaten und 5.264 Soldaten ihrer Verbündeten. Es gibt heute in meiner Generation in den USA Tausende traumatisierte Vietnamveteranen.

Auch auf dem amerikanischen Kontinent führten die USA Krieg oder unterstützten Putschisten. 1961 bombardierte die USA Luftstützpunkte auf Kuba und unterstützten Exilkubaner beim Versuch der Invasion Kubas.

1970 kam ich nach Deutschland. In ein Land, in dem jeder noch das Gefühl von Schuld an den Holocaust, an dem Morden und Zerstörung im zweiten Weltkrieg hatte.

Die USA agierte nicht ausschließlich mit ihrem Militär gegen die Drohung des Kommunismus:

Am 11. September 1973 wurde in CHILE der gewählte sozialistische Präsidenten Salvador Allende mit Unterstützung der CIA weggeputscht. Dieser Putsch war von langer Hand geplant. Eine Militärjunta unter General Pinochet wurde eingesetzt. Die USA tolerierte, dass Gegner des Regimes verfolgt, gefoltert und umgebracht wurden. Während der 17jährigen Diktatur Pinochets wurden 40 018 Menschen von der Regierung umgebracht. 10 000 wurden gefangen genommen und gefoltert, oder flohen.

Weitere militärische Operationen fanden in Latein- und Mittelamerika statt, u. a. in El Salvador, Nicaragua, Honduras und Venezuela.

In Afrika mischten sich die USA u. a. in Angola, Lybien, Somalia und im Kongo ein; In Asien im Irak, Kuwait, in Europa kämpften Amerikaner in Jugoslawien.

Die USA unterstützten gezielt Gruppen gegen sozialistische Regierungen. So gewährten ab 1981 Die Vereinigten Staaten den Taliban und anderen Widerstandskämpfern finanzielle, militärische und logistische Hilfe in ihrem Kampf gegen die sowjetische Besetzung des Landes.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beschloss die UN dass Staaten individuell und kollektiv das Recht haben, sich gegen Terror zur Wehr zu setzen. Beide Häuser des US Kongress verabschiedeten das Gesetz zur Autorisierung des Einsatzes er Armee gegen Terroristen. Damit war der Gegner nicht mehr ein Land oder eine Regierung, gegen die man kämpfte, sondern einzelne Personen oder Gruppen oder eine Absicht.

Als Afghanistan Forderungen der USA nicht nachkam, Osama bin Laden aus zu liefern, führten die Vereinigten Staaten ab Oktober 2001 Krieg in Afghanistan  - obwohl die Attentäter vom 11. September vorrangig Saudiarabische Bürger waren. Kriege gegen Terrorismus nahmen ihren Anfang.

Ziele in Afghanistan wurden von britischen und amerikanischen Bodentruppen angegriffen und mit Mittel- und Langstreckenraketen beschossen. Gleichzeitig patrouillierte die US-Marine Seehandelswege durch somalische Gewässer. Die Kriegshandlungen gegen Terrorismus weiteten sich in den folgenden Jahren aus und dauern bis heute an. Der Schaden an Menschen und Infrastruktur ist unermesslich. Ein Frieden nicht vorstellbar.

Die Art der Kriegsführung ändert sich mit der rasanten technischen Entwicklung. Menschen können elektronisch aufgespürt, überwacht und mit bewaffneten Drohnen getötet werden. Die Drohnen der USA, die im Nahen und mittleren Osten eingesetzt werden, werden über den US-Militärstutzpunkt Ramstein in Deutschland gesteuert. Die Angegriffenen werden verdächtigt, Terroristen zu sein. Sie sind nie von einem Gericht verurteilt worden. Es gibt keine rechtliche Grundlage sie zu töten. Und obwohl die Medien es gerne anders darstellen, unterlaufen bei der Verfolgung und Angriff ständig Fehler, auch weil die Auswahlkriterien für die gezielte Personengruppe oft nicht genau sind. Es wird nicht nur Osama bin Laden oder General Sulayman getötet, sondern der Tod anderen wird im Kauf genommen.

In Afghanistan, Somalia, Lybien, Syrien, Irak wurden nicht nur Terroristen getötet, sondern es gibt unzählige zivile Opfer; Häuser, Krankenhäuser, Schulen … die Lebensgrundlage für ganze Bevölkerungsgruppen wurden zerstört.

Aktuell sind im Mittleren und Nahen Osten 60- bis 80 000 US-Soldaten in verschiedenen Militärstandorten untergebracht. In Europe, in Deutschland sind amerikanische Stutzpunkte, von denen aus u. a. bewaffneten Drohnen geschickt und gelenkt werden. In Dülmen lagern Materialien für eine schnelle Einsatztruppe.

Wenn wir uns vor Augen führen, wie konsequent und aggressiv die USA ihre Wirtschaftsinteressen und Lebensweise behaupten, muss ich mich fragen

Wollen wir uns an diesem Land orientieren?

Kann es auf diese Weise jemals Frieden geben?

This is not the way we put an end to war.

 

Dr. Penelope Glenn ist aktiv bei den Friedensfreunden Dülmen.