Redebeitrag für den Ostermarsch Fürth am 5. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich freue mich im Namen der Gewerkschaft verdi hier zwischen gleichgesinnten einreihen zu dürfen!

Gleich zuallererst: diesen Freitag um 17h findet auf der kleinen Freiheit eine Kundgebung vom Bündnis gegen Rechts gegen die Abschiebung des Fürther Schülers Vladislav statt. Er stand kurz vor dem Abschluss, sein Bruder, der ebenfalls abgeschoben wurde, war in der 5. Klasse am HLG. Eure Unterstützung an diesem Tag wäre sehr schön!

Es ist mir schwer gefallen, mir Worte für heute zurecht zu legen. Das Thema für das wir heute hier stehen ist so groß und so fundamental. So viele Kluge Menschen haben dazu schon Konzepte entwickelt, brillante Reden gehalten oder starke Zeichen gesetzt.

Klar, ich könnte jetzt die bekannten Zitate bringen, ein paar altgediente Parolen schmettern oder Forderungen an „die da oben Stellen“. Aber gerade euch muss ich nicht überzeugen. Ihr setzt euch seit Jahren dafür ein und kennt die Sprüche gut.

Seit über 60 Jahren gibt es diese Friedensmärsche nun schon. Das ist ein unglaublich langer Atem für Frieden!

Ich habe mir die Entwicklung einiger Zahlen in diesem Zeitraum angesehen, Atomwaffen, Umsatz mit Waffen, Anzahl an Konflikten, …. . Im Wesentlichen konnte ich keine wirkliche Verbesserung erkennen. Warum ist das so?

Ich glaube es liegt daran, dass die Verantwortung in all diesen Fragen viel zu Diffus ist und damit abstrakt. Alle Beteiligten können sie leicht auf jemanden anderes schieben. Wahlweise sind Bund, EU, Nato, UN, die Rüstungsunternehmen, die Aktionär:innen, die vorherige Regierung, alte Verträge oder wer auch immer verantwortlich.

Gleichzeitig gibt es glaube ich zu wenig Kontakt zwischen den Lagern. Kennt jemand von euch Menschen, die bei Diehl arbeiten? Oder vielleicht Airbus? Sind wir genug in Kontakt mit den Abgeordneten in den Parlamenten, gerade denen, die nicht selbstverständlich hier stehen würden?

An den Tischen, an denen Kriegs- oder Rüstungsentscheidungen fallen, müssten eigentlich wir sitzen. Es müssten transparente, diverse, offene Runden sein. Aber das fängt im Kleinen an.

Als ich im Studium für die Jusos in den Hochschulrat meiner Uni gewählt wurde - der Katholischen Hochschule in Eichstätt - hatten wir gefordert, die KU möge die Zivilklausel einführen.

Grob gesagt bedeutet das, dass „die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel verzichten, die Rüstungszwecken dienen könnten“.

In Bayern gibt es keine einzige Hochschule, die eine solche Klausel eingeführt hat.

In der Diskussion an der Katholischen Hochschule setzten sich die TheologEN gegen die Zivilklausel durch. Der Grund den sie anführten war die Ausbildung zur Bundeswehrseelsorge und die Frage, ob diese nicht eine Indirekte Unterstützung des Militärs wäre.

Auch wenn sie nicht in meinem Sinn ausgegangen ist, wünsche ich mir solche Diskussionen noch viel mehr, auch in Verwaltungen und Betrieben. Zum Beispiel: Soll dieses spezielle Unternehmen eine Baugenehmigung bekommen? Liefern wir unsere Sensoren an diese spezielle Firma?

Diese Themen müssen auf die Agenda bei Personalratswahlen genau wie bei der Bundestagswahl!

Aber auf die Agenda für Frieden muss auch, dass wir uns gründlich an die eigene Nase fassen und unseren eigenen Rassismus reflektieren. Übermorgen, am 7. April, jährt sich der Völkermord in Rwanda von 1994. Innerhalb von 100 Tagen sind 1 Millionen Menschen umgebracht worden. Das sind im Schnitt 10.000 am Tag, in einem Land in dem damals weniger als 10 Millionen Menschen lebten. Die häufigste Waffe waren nicht Gewehre oder Pistolen. Es waren vor allem handelsübliche Macheten, billig in China produziert und mit französischer Unterstützung geliefert.

Es gibt eine Gedenkstätte in Murambi die ich besucht hatte als ich in Rwanda lebte. Es ist eine Schule auf einem kleinen Hügel. Dort liegen in jedem Klassenzimmer die Leichen der Ermordeten. Sie wurden aus einem zu schnell angelegten Massengrab gehoben und mit Kalk überdeckt. Weder Anblick noch Geruch werde ich jemals vergessen.

Der Ursprung dieses Massakers liegt in der rassistischen deutschen Kolonialgeschichte. Es waren die Deutschen, die mit Hilfe von Schädelmessungen und ähnlichem die sozialen Gruppen der Hirten (Tutsi) und Bauern (Hutu) als „Rassen“ deklariert hatten um die einen gegen die andere auszuspielen. Divide and Conquer.

Das ist jetzt 27 Jahre her und vermeintlich weit weg, aber Rassismus tötet auch hier bei uns: NSU, Halle oder Hanau. Ich frage mich auch, wie wir in Fürth, direkt am Rathaus, noch immer eine Straße mit einer Bezeichnung haben können, die so viele Betroffene schon als rassistische deklariert haben. Und wenn ich an das Kommando Spezialkräfte denke, bei dem einerseits Munition im großen Stil verschwindet und andererseits stramm rechte Netze identifiziert werden, wird mir bang.

Aber dann denke ich wieder an den langen Atem der Ostermärsche. Die Solidarität die von diesem Tag ausgeht. Ich wünsche mir dass sie sich bald auch in sinkenden Konflikt- und Waffenzahlen ausdrückt. Danke, dass wir als verdi in eurer Mitte sein können und hoffentlich bis Freitag für Vladislav!

 

Philipp Abel ist aktiv bei verdi in Fürth.