Redebeitrag für den Ostermarsch Odenwald in Erbach am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

ich habe lange überlegt, wie ich und was ich heute sagen möchte. Was sagt man als Christin und Demokratin beim Ostermarsch? Gestern war ich im Karfreitagsgottesdienst, habe die Passion und das Leiden Christi erneut vor Augen gestellt bekommen. Morgen feiere ich mit allen Mit-ChristInnen die Auferstehung Jesu von den Toten, die auf einen Gott weist, der Hoffnung und Frieden verspricht.

Und als Demokratin? Naja, da herrschen in unserer Welt gerade eher Verwirrung, Chaos, Krieg und Zerstörung. Das zeigt schon ein kurzes Brainstorming der letzten Nachrichten: Das Militär in Myanmar unterdrückt gewaltsam Demonstrationen. Neue Truppenbewegungen in der Ukraine. Und im Zuge der Geberkonferenz für Syrien wurden – wieder mal, möchte man sagen – die schrecklichen Bilder der Zerstörung und Verwüstung aus Syrien gezeigt. Wieder mal – wurden Kinder in Flüchtlingscamps gefilmt, die ohne geregelte Mahlzeiten, ohne ausreichende medizinische Versorgung und ohne Möglichkeiten in die Schule zu gehen, teils seit Jahren in diesen Camps leben. Frieden und Gerechtigkeit, ein Leben in Würde und Recht scheinen dort in
weiter Ferne zu sein.

Aber auch hier direkt in unserer Umgebung scheinen Konflikt und Spannung zuzunehmen. Der gefühlte Dauerlockdown zehrt an uns allen – und stellt uns schonungslos vor Augen wie ungerecht Deutschland doch ist. Kinder aus sozial schwächeren Familien haben nachweislich größere Probleme, am Home Schooling teilzunehmen; die teilweise Privatisierung des Gesundheitssystems führte zu Finanzierungsengpässen; Frauen werden gegenüber Männern benachteiligt, weil sie bei geschlossenen Kitas und Schulen die Kinderbetreuung übernehmen – und wer bezahlt künftig eigentlich die Schulden, die nun aufgenommen wurden? Werden Besserverdienende zur Kasse gebeten, oder verschärft Corona die Ungleichheit zwischen Arm und Reich? Ach, und dazu steigt auch die Zahl derjenigen, die sich einem rationalen Diskurs und der demokratischen Diskussion verweigern. Gerade das macht mir als Demokratin besondere Sorgen, wenn plötzlich Hass, Fake News und zügellose Emotionalität, die in keiner Weise rational hinterfragt wird, den politischen Diskurs zunehmend bestimmen. Wir alle – wir alle – Demokratinnen und Demokraten sind dabei gefragt, uns mit aller Macht gegen diesen Populismus zu stellen.

Und ja, nun, wie lässt sich denn bei all diesen Konflikten ernsthaft Ostern feiern? Ein Fest, das auch – ebenso wie der Ostermarsch heute – für Frieden und Hoffnung steht? Einfach all diese Konflikte ignorieren, so tun, als wäre das nicht da und mich – sozusagen – in die geschlossene Kirche setzen und da einfach so „mein Christen-Ding“ machen?

Nein. Für mich jedenfalls lässt sich Ostern nur feiern, indem Unfrieden und Ungerechtigkeit benannt werden. Indem wir dem zarten Pflänzchen Frieden immer wieder Raum geben zu wachsen. Hier bei uns im Odenwald, in Deutschland, in Europa. Aber auch in der Welt. Und indem wir dem Frieden eine Stimme geben. Indem wir aufstehen, hier zusammenkommen und dafür eintreten, dass Frieden und Gerechtigkeit, Menschenwürde und Solidarität einen Raum in unserer Gesellschaft haben. Indem wir dafür eintreten, dass – wenn schon Milliarden in Militär und Rüstung fließen – dann doch bitte auch Geld für Menschen in Not da sein muss. Aber auch, indem wir als Demokraten und Demokratinnen eintreten für auf Rationalität gestützte Entscheidungen und eine streitbare, aber faire demokratische Kultur! Und genau in diesem Aufstehen und Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit, Menschenwürde und Demokratie kann ich auch in Zeiten des gefühlten Chaos Ostern feiern. Als
Christin, aber eben auch als Demokratin! Und als Christin und als Demokratin trete ich ein für Frieden in dieser Welt, Gerechtigkeit, Demokratie und ein Leben in Würde und Recht für alle!

Vielen Dank!

 

Theresa Möke  ist Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Dekanat Odenwald mit Sitz in Michelstadt.