Redebeitrag für den Ostermarsch Augsburg am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

mein Name ist Thomas Hacker, ich spreche heute für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Wir alle kennen ja die so genannte Querdenker-Bewegung. Sie mobilisiert erfolgreich, sie bringt im Moment viel mehr Menschen auf die Straße als wir - und zwar regelmäßig!

Warum ist das hier beim Ostermarsch von Bedeutung? Warum ist das oft wirre Geschwurbel der sogen. „Querdenkern“ (sie nennen sich, glaube ich, selber nie „Querdenkerinnen“) und anderer Erleuchteter so gefährlich? Und was hat das alles mit Faschismus und Krieg zu tun?

Diese Leerdenker*innen sagen ja, die Welt bestehe aus Verschwörungen; sie werde von geheimen und finsteren Mächten regiert … nicht selten sind jüdische gemeint.

Ein pausenloses Gerede über „die da oben“ oder „das Establishment“ oder „die Merkel-Diktatur“ ersetzt die Analyse unserer Gesellschaft – und erinnert in Vielem an Pegida. Interessen und Verantwortliche für Krisen werden nicht erkannt. Einzelne berühmte Personen (Gates, Zuckerberg, Soros) werden zum personifizierten Bösen. Charakter und Wille von Akteuren sollen die Ursache all unserer Probleme sein.

Ihr alle kennt sie in Eurem Bekanntenkreis: Menschen, die sich anti-establishment fühlen: ein bisschen Waldorf, ein bisschen Buddha, Romantik, Runen, Heilsteine; alles ganz friedlich. Und sie meinen es wirklich nicht böse! (Das sage ich ganz ohne Ironie)

ABER: Auch der historische Faschismus hatte solche Wurzeln: Die Verbindung von Volk und Natur, die Vergöttlichung einer angeblichen natürlichen Ordnung, all das war vor über 100 Jahren schon einmal sehr-sehr populär.

Völkische Denker sprachen bereits im 19. Jahrhundert von „Ganzheitlichkeit“. Sie sprachen von einem „kosmisch-naturgemäßen Zustand“ der Welt, der durch den Intellekt zerstört worden sei (so Stefan George).

Alten germanischen, indischen und tibetischen Schriftzeichen wurde nun Bedeutungen hinzuphantasiert: Die Runen und das Hakenkreuz wurden früh populär. Das sind keine Schöpfungen der der Nazis!

Und letztlich ging aus all diesem esoterischen Quark 1918 die Thule-Gesellschaft hervor, eine ganz wichtige Vorläuferorganisation der NSDAP, mit dem Hakenkreuz als spirituelles Symbol. Auch das spätere Symbol der SS, die doppelte Sig-Rune, stammt aus dieser frühen Zeit. Bereits 1908 also lange vor dem ersten Weltkrieg gab der Esoteriker Guido von List der Sig-Rune die Bedeutung „Heil und Sieg“.

1919, kurz nach WK I., schreibt Oswald Spengler (in „Der Untergang des Abendlandes“): - und jetzt bitte gut aufpassen! - Der „deutlichste Ausdruck“ der „Tyrannei des Verstandes“ seien die exakte Wissenschaft, die Dialektik, der Beweis und die Kausalität. Dies entsprach damals wie heute einem gewissen Zeitgeist. Irrationalität und Mythen konnten nun zu einem Mittel zur Mobilisierung der Massen werden; sie vernebelten die Gehirne, verhinderten rationale Antworten auf alles Elend. Erst der Irrationalismus ermöglichte später die massenhafte Heilssuche im Führerkult.

Wir alle waren schon oft überrascht, auf den Querdenker-Demonstrationen „unangepasste“ Menschen zu sehen: Musiker-Kolleginnen, Alt-Hippies, Yoga-Leher, ganz und gar nicht spießig wirkende, sich bunt und offen fühlende Menschen.

Die meisten Leerdenker*innen empfinden sich sicher nicht als rechts. Viele haben sogar gute Absichten, wollen sich wehren gegen einen autoritärer werdenden Staat.

Und dennoch: Ihre Irrationalität ist in letzter Konsequenz autoritär. Sie verschleiert alles - anstatt etwas zu erklären. Sie ersetzen Wissenschaft durch Glaube, Angst und Wut.

Mein Fazit:

Querdenker sind nicht nur deshalb reaktionär, weil sie sich oftmals nicht von rechten Kräften distanzieren, nein, sie sind es per se! Sie verbreiten eine reaktionäre Ideologie, … ganz gleich, ob ihre Anhänger das in ihrer Mehrheit nun selber wissen oder nicht. Und dieses Phänomen hat die ganze Gesellschaft in weit größerem Ausmaß erfasst, als es die Anti-Corona-Demos vermuten lassen.

Der Irrationalismus kann dem Faschismus den Boden bereiten, aber nicht nur das: Er verhindert eine kritische Analyse unserer Gesellschaft, auch der Ursachen von Krieg, und gefährdet damit letztlich den Frieden.

Daher meine ich: „Der Kampf gegen Verschwörungsmythen und Irrationalismus ist Friedenspolitik!“

Vielen Dank.

 

Thomas Hacker ist aktiv bei der VVN-BdA.