Redebeitrag für den Ostermarsch Mannheim am 3. April 2021

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

herzlich willkommen hier am Startpunkt des diesjährigen Ostermarsches, hier auf dem konvertierten Kasernengelände Turley, welches über 100 Jahre dem Kaiser- und dem Nazireich als Militärstandort diente und dann auch den Befreiern vom Nationalsozialismus, der US-Army für ihre Öl-Kriege!

Und weil wir gerade auf historischem Ort stehen, der einstigen Kaiser-Wilhelm-Kaserne, sei daran erinnert: Es hat sich am 18 Januar zum 150. Mal gejährt, dass das Deutsche Reich aus dem blutigen Krieg gegen Frankreich heraus, im Beisein von hohen Militärs und Adeligen, im Spiegelsaal von Versailles gegründet wurde und sich der preußische König Wilhelm die Kaiserkrone aufsetzte. Die Nazis und Rechtspopulisten verbreiten ja die Sichtweise, dass „Deutschland“ quasi eine naturhafte Schöpfung sei, in grauer Vorzeit von den „deutschen Stämmen“ gegründet, als die Welt noch in Ordnung war. Nein, es ist Bismarcks und Preußens politisches Konstrukt einer militärisch herbeigeführten „Einigung“. Noch 1866 standen sich im sog. Deutschen Krieg das Königreich Preußen auf der einen  und die Österreichische Kaisermonarchie mit den Königreichen und Herzogtümern Baden, Württemberg, Bayern, Sachsen und Hannover auf der anderen Seite bewaffnet gegenüber. Und passend dazu: vor 150 Jahren und drei Tagen wurde der Thyssen-Konzern, die zweite große Waffenschmiede des Deutschen Reichs gegründet.

Eigentlich könnte dieser Ort hier ein Ort der Hoffnung auf Frieden sein:  Die Kanonen und Stahlhelme weichen Fahrrädern und Pudelmützen, Mannschaftsunterkünfte dienen als Herberge für Wohngemeinschaften und Familien, auf dem ehemaligen Appellplatz tummeln sich Kinder, der ehemalige Exerzierplatz und Abstellplatz für Kriegsgerät wird mehr und mehr überbaut mit Wohnhäusern und etwas Gewerbe. Die einstige Kaiser-Wilhelmkaserne wird von Straßen durchzogen, die nach Widerstandskämpferinnen und -Kämpfern benannt sind wie die Fritz-Salm-Straße oder die Marianne-Cohn-Straße.

Das Konversionsgelände Turley also als Teil eines großen Friednesprozesses? Leider ist das Militärische aus den Mannheimer Standorten der US-Army nur nach Wiesbaden und auf andere Standorte verlagert worden, um die eingesetzten Mittel rationeller für Kriege weltweit einzusetzen.

Hoffnungsfroher stimmen da schon die ehemaligen Militärflächen Mutlangen und Heilbronn Waldheide. Hier beruht die Stilllegung auf dem echten INF-Abrüstungsvertrag vo 1987 zum Abzug der atomaren Mittelstreckenraketen. Dass der Kampf gegen die Atomwaffen aktueller denn je ist mit der Forderung, dass die BRD den Atomwaffen-Verbotsvertrag der UN ratifiziert, wird später noch auf unserem Ostermarsch Thema sein.

Wie wir alle wissen, ist ein wesentlicher Antrieb für die modernen Kriege der Kampf um Rohstoffe, allen voran Gas und Öl, und damit auch der weltweiten Jagd nach dem Profit. Hier liegt ein wichtiger Verknüpfungspunkt von Friedensbewegung und Umweltbewegung: Der Abschied von der Verbrennung mineralischer Primärenergieträger wird zu einem Streitpunkt und einem Kriegsgrund weniger führen als über das ganze 20. und den Beginn des 21. Jahrhunderts hinweg. Insofern ist dann das Turley-Gelände doch auch ein Symbol für genutzte Chancen der Energiewende: Das umBAU-Haus mitten im Gelände ist fast ein energieneutrales Wohngebäude. Aber es hebt sich leider heraus aus den meisten anderen Gebäuden, die einen deutlich bescheideneren Beitrag zur Energiewende bringen um nicht zu sagen, die für verpasste Chancen stehen.

Die Energie- und Verkehrswende, die nicht von der Digitalen Revolution zu trennen sind, stehen aber auch wiederum für einen umso größeren Bedarf an seltenen Erden und z.B. auch an Lithium – ein neuer Streitpunkt zwischen Industriestaaten, die sich hier Vorteile sichern wollen und dann auch kriegerische Auseinandersetzungen nicht scheuen. Viele der blutigen Konflikte in Afrika haben ja genau dies zum Gegenstand. Zu den Blutdiamanten kommt schon lange auch beispielsweise das Blut-Coltan.

Es führt kein Weg daran vorbei: Frieden kann nur herrschen, wenn Gerechtigkeit wird, wenn Handelsbeziehungen fair gestaltet werden, wenn Kooperation und Solidarität die internationalen Leitwerte werden statt Raffgier und Ausbeutung, statt Streben nach Dominanz und Rassismus.

In diesem Sinne nehmen die Aufgaben der Friedensbewegung zu und nicht ab. Es ist gut, dass die Tradition der Ostermärsche lebt und der Kampf um Frieden und Gerechtigkeit weitergeht. Und so soll dann doch auch dieses ehemalige Kasernengelände Symbol sein für Entmilitarisierung und für friedliches Zusammenleben.

In diesem Sinne wünsche ich dem Ostermarsch 2021 in Mannheim und überall einen guten und erfolgreichen Verlauf.

 

Thomas Trüper ist aktiv in Mannheim und war lange Jahre im Stadtrat für die Partei Die Linke.