Redebeitrag für den Ostermarsch Düren am 16. April 2022

 

- Sperrfrist: 16. April 2022, Redebeginn: XX Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Friedensbewegung: Widerstand im Zeichen des Ukraine-Krieges

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist wieder Krieg, dieses mal in der Ukraine. Jeder Krieg ist eine Niederlage für die Friedensbewegung, und es fällt schwer, während und nach einem Krieg wieder zur Besinnung zu kommen. Das gilt dieses mal ganz Besonders:

Das hätte keine/r von uns erwartet: Die russischen Panzer werden von den Urenkeln der Frauen und Männer gesteuert, die gemeinsam mit ihren ukrainischen Kampfgefährten unter unvorstellbaren Opfern die Sowjetunion verteidigten, die Hitler-Wehrmacht niederrangen und Europa vom Faschismus befreiten.

Das hätte keine/r von uns erwartet: Dieses mal sollten die US-Geheimdienste Recht behalten mit den Warnungen vor dem russischen Angriff, nachdem Russland dieses wochenlang bestritten hatte. Der Wortbruch Russlands löst große Ängste und Verunsicherungen über seine Glaubwürdigkeit aus.

Der Einmarsch in ein anderes Land ist durch nichts zu rechtfertigen. Russland hatte am 17.12.2021 von der NATO Sicherheitsgarantien gefordert, weil von dem Territorium der Ukraine Moskau in wenigen Minuten mit Raketen erreichbar ist. Die NATO hat in fünf Wellen Osterweiterung seit 1997 den Ring um Russland enger gezogen. Russland musste um seine Sicherheit bemüht sein. Aber der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland keine Sicherheit gebracht, hingegen mehrfach Völkerrecht gebrochen, er bringt unsägliches Leid für die Menschen der Ukraine mit sich, er ist, wie gesagt, mit nichts zu rechtfertigen.

Wichtig für uns ist dies: Der Krieg hat gezeigt, wie schnell die Welt an den Abgrund eines dritten Weltkrieges geführt werden kann. Ich möchte das am Beispiel der Atomwaffen aufzeigen.

Die Ukraine hatte sich 1994 verpflichtet, das nukleare Erbe aus der Zeit der Sowjetunion an Russland abzugeben. Am 19.2.2022 hat Selenskij vor der Münchner Sicherheitskonferenz genau diese Verpflichtung in Frage stellt, wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien erhalte. Das war eine eindeutige Aussage, Selenskij hat Atomwaffen gefordert. Obwohl die Ukraine über Atomwaffen selbstverständlich (noch) nicht verfügte, hat Moskau nach dieser Drohung seine Atomwaffen in die erste Stufe der Alarmbereitschaft versetzt. Alle Seiten haben mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Ein Spiel mit dem Feuer.

In Deutschland war erst im November 2021 im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, dem Atomwaffenverbotsvertrag als Beobachter beizutreten. Zur Erinnerung: Der Atomwaffenverbotsvertrag der UNO ist im Januar 2021 in Kraft getreten. Damit sind Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen verboten, desgleichen die Drohung damit, gleichfalls die direkte oder indirekte Übernahme der Kontrolle über Atomwaffen. Also, Deutschland wollte dem Atomwaffenverbotsvertrag auf Beobachterposition beitreten. Das ist nun Schnee von gestern.

Die Bundesregierung hat beschlossen, ca. 35 Kampfbomber des Typs F35 anzuschaffen. Diese Flugzeuge sollen Atomwaffen, die in Büchel lagern, auf gehärtete Ziele in Russland abfeuern. Nach der Freigabe der Atomwaffen durch den US-Präsidenten wäre der Befehlshaber für diesen Atomwaffeneinsatz der Bundeskanzler.

Die Drohung der ukrainischen wie der russischen Seite mit Atomwaffeneinsatz, die NATO-Atomwaffendoktrin, die auch einen Ersteinsatz von Atomwaffen vorsieht, und letztlich die deutsche sogenannte Nukleare Teilhabe machen einen Atomkrieg wahrscheinlicher.

Nörvenich, vor den Toren dieser Stadt, wäre der Ausgangspunkt eines deutschen Atomwaffeneinsatzes. Denn hier sind übergangsweise in den nächsten sechs Jahren die atomaren Kampfjets der Bundeswehr stationiert. Das ist eine ungeheure Herausforderung für die Friedensbewegung.

Deshalb wiederhole ich gerade hier in Düren die Forderung an die Bundesregierung: Deutschland muss dem UNO-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. 86 Staaten sind dem Vertrag inzwischen beigetreten, 56 haben ihn sogar schon ratifiziert. Es wird höchste Zeit für Deutschland, diesem Vertrag beizutreten.

Und noch ein letztes Wort zum lieben Geld. Frieden kann nicht mit immer mehr Waffen gesichert werden. Russlands Rüstungsausgaben lagen 2021 bei 62,2 Milliarden Dollar. Die gesamten NATO-Ausgaben in 2021 mit 1.175 Milliarden Dollar sind knapp das 19-fache der russischen Ausgaben.

Das 19-fache! Was erwarten wir davon, diese Ausgaben auf das 21-fache zu steigern? Jetzt steht schon fest, Russland ist weder militärisch noch wirtschaftlich in der Lage, ein "russisches Imperium" (Scholz) zu errichten. An dem 100-Milliarden-Bundeswehr-Sondervermögen verdient sich die Rüstungsindustrie eine goldene Nase. Aber mehr Frieden kann so nicht geschaffen werden.

Dringendste Aufgabe ist es, die Kampfhandlungen zu beenden und die stattfindenden Verhandlungen zu einem Ergebnis zu bringen. Unser Ziel sind weitere Friedensverhandlungen, die in einem atomwaffenfreien Europa gemeinsamer Sicherheit, des Friedens und der Abrüstung unter Einschluss von Ukraine, Russland und Belarus münden. Für eine friedliche Zukunft bedarf es weltweit und aktuell besonders in Europa einer neuen Entspannungs- und Abrüstungspolitik vor allem im nuklearen Bereich. Wir müssen die Eskalationsspirale durchbrechen.

Vielen Dank.

 

Detlef Peikert ist aktive bei der VVN-BdA in Aachen.