Redebeitrag für den Ostermarsch Rhein-Ruhr in Herne am 17. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ostermarschiererinnen und Ostermarschierer, guten Tag liebe Freunde,

ich bin Gabriele Büchel, und ich gehöre der Herner Friedensinitiative an, der Friedensbewegung bereits seit den 80er Jahren.

Unsere Friedensinitiative beobachtet das Weltgeschehen hinsichtlich Krieg und Frieden permanent, natürlich auch das Geschehen im Kontext mit der Ukraine. Anfang dieses Jahres wurden insbesondere die vermehrten russischen Manöver an der ukrainischen Grenze ins Visier genommen und nach den Hintergründen gefragt. Wir kamen zu folgender Schlussfolgerung: Die Ukraine möchte auch der Nato beitreten, so wie es nach Auflösung des Warschauer Paktes bereits Polen, Tschechien, Ungarn und das Baltikum getan hatten, und das obwohl 1990, nach dem Zerfall der Sowjetunion, Gorbatschow mit dem amerikanischen Außenminister James Baker unter George Bush eine Verabredung getroffen hatte, dass es keine Nato Osterweiterung geben soll. „Not one inch eastward“, sagte Baker am 4. Februar 1990. Gerade in den neu der Nato beigetretenen Ländern gab es dann auch noch regelmäßig Natomanöver in der Nähe der russischen Grenze. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass Russland sich durch dieses Verhalten der westlichen Länder und der Nato immer mehr zurückgedrängt, ja zurückgesetzt fühlt.

Boris Jelzin erhob noch 1991 sogar einen Nato-Beitritt Russlands zu einem „langfristigen politischen Ziel“, aus dem nichts wurde. Und jetzt im Februar 2022? Nach all den vielen Jahren konträrer Bewegung konnte auf diplomatischem Wege nichts mehr ausgerichtet werden. Bis zuletzt hatten wir noch gehofft und gebangt, dass es nicht zum Krieg kommen sollte, aber am 24. Februar erfuhren wir dann aus den Nachrichten die bittere Wahrheit: Mit dem Einfall Russlands in die Ukraine gibt es wieder Krieg in Europa. Das galoppierende Pferd, das durchgeht, konnte keiner mehr einfangen. Entsetzt und fassungslos schauen wir seitdem auf die Verbrechen, die in der Ukraine begangen werden. Es ist unvorstellbar und schrecklich, welches Leid über jedes beteiligte Individuum dieser Krieg bringt.

Nur eine Überlegung: Wie wäre es gewesen, wenn sich die Ukrainer sofort ergeben hätten. Wäre da überhaupt Blut geflossen? Mariupol und Butscha würden noch stehen. Nach dem Einmarsch hätte es diplomatische Verhandlungen und ggf. sinnvolle Sanktionen geben können, auch unsererseits.

Die Ukraine gilt als demokratisches Land im Vergleich zum russischen Bruderstaat, doch allzu gut ist es um die Ukraine mit der Demokratie wohl auch nicht bestellt, wenn jeder Mann ab 18 Jahren zum Krieg, zum Dienst mit der Waffe, also zum Töten gezwungen wird. Für Pazifisten ist kein Platz in diesem Land. Einem 18jährigen Soldaten, der in diesem Krieg elendig verrecken muss, obwohl er lieber geflohen wäre oder nicht am Krieg teilgenommen hätte, wäre noch eine weitere Lebensspanne von ca. 70 Jahren geblieben, die für ihn auch eine Zeit der Freude und Erfüllung hätten bringen können. Wo ist dann eigentlich Putin, in 30, 40 oder 70 Jahren?

Die Ukrainer jedoch, die sich in der militärisch schwächeren Position befinden, fordern von der Nato jeden erdenklichen militärischen Beistand, u. a. moderne Waffensysteme, die sie auch geliefert bekommen. Mit diesen Waffen soll dann der Krieg beendet werden, Kriegsopfer auf Ukrainischer Seite werden gerächt. Die Gewaltspirale dreht sich immer weiter, Gewalt und Hass auf der einen Seite verursacht Gewalt und Hass auf der anderen Seite, der Einsatz schwerer Waffen auf der einen Seite fordert natürlich den Einsatz extrem schwerer Waffen auf der Gegenseite. Wie du mir, so ich dir oder tit for tat, wie der Engländer sagt, ist eine uralte natürliche menschliche Reaktion, aber irgendwie auch ein bisschen infantil. Zerstörst du mir meine Sandburg, dann mach ich dir deine auch Kaputt.

Hat aber infantiles Gehabe Platz in einem Weltgeschehen, wo man die Verantwortung für Tausende, Millionen von Menschenleben übernimmt? In einer Welt, die bereits voller Waffen starrt, muss da weiterhin schnell aufgerüstet werden, der Verteidigungshaushalt im Eilverfahren um 100 Milliarden Euro aufgestockt werden, der Ukraine weitere ausgeklügelte Waffensysteme versprochen werden? Die Eskalation kann so ihren Lauf nehmen. Wir sitzen bereits auf einem Pulverfass, das jeden Moment hochgehen kann, und die Gleichung, „Unendlich viele ausgeklügelte Waffensysteme und schwere Waffen gleich Frieden, wie sie unter dem Schlagwort „Zeitenwende“ nun propagiert wird, scheint nicht richtig aufzugehen, wenn man auch noch so lange darüber nachdenkt.-

Die Gleichung ist auch nicht zur Zeit des Ausbruchs des ersten Weltkrieges 1914 aufgegangen, dem von 1912 an ein ständiger Anstieg der Rüstungsausgaben vorausgegangen war, um nur ein Beispiel aus der Geschichte zu nennen. Gehen wir lieber einen Schritt zur Seite aus dem Geschehen heraus, oder zurück, halten einen Moment inne und betrachten dann mit Abstand das Geschehen. Es gab eine Zeit in den 80er Jahren zur Zeit des Wettrüstens der Nato mit dem Warschauer Pakt, als die CDU, was die Friedenspolitik anging, zu der Einsicht kam und es auf den Slogan brachte „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“, während wir Menschen aus der Friedensbewegung das Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ auf den Demos vertraten. In dieser Zeit hat es auch keinen Krieg in Europa gegeben.

Ob jetzt Frieden schaffen ohne Waffen, wie es in meinem vorhin genannten Beispiel bei einem Einfall in die Ukraine ohne Gegenwehr auf ukrainischer Seite gekommen wäre oder mit immer weniger Waffen. Der Weg zum Frieden führt nur und ausschließlich über eine Zurücknahme der Aggression auf der einen Seite, zunächst einmal ohne Erwartung einer Gegenleistung, dafür aber im Dialog bleibend. Das ist eine Deeskalationsstrategie mit Diplomatie und überhaupt der einzige Weg zum Frieden. Krieg ist keine Lösung. Dieser Satz wurde auch das Motto der Herner Friedensinitiative, mit dem wir gegen russische und ukrainische Gewalt demonstrieren gingen.

Was können wir hier in Deutschland machen, außer gemeinsam zu demonstrieren, entsprechend zu wählen oder Podcasts zu schreiben? Wichtig ist auch, dass wir unser ganzes eigenes Leben hin zum Frieden, zur Gewaltfreiheit und Gerechtigkeit ausrichten.

Dabei helfen kann es auch, zu überprüfen, ob und wann wir Klischees erliegen. Klischees etwa wie die guten Ukrainer, die bösen Russen, die informativen Medien, die heilenden Ärzte, die liebe Kirche. Sicher, die Medien sind informativ, gleichzeitig wird aber auch gerade in den letzten Jahren so viel Gewalt ausgestrahlt wie noch nie. Es scheint geradezu eine Sucht nach Brutalität und Grausamkeit sowohl auf der Seite der Filmemacher als auch auf der Seite des Publikums zu existieren. Obwohl Deutschland glücklicherweise nicht in einem Krieg lebt, werden uns in Krimis immer bestialischere Folterszenen und Gewalttaten minuziös in immer größerem Umfang dargestellt. Wofür soll das gut sein? Wem soll das dienen?

Die meisten Ärzte geben wohl gerne ihr Bestes, gerade unter Corona gingen viele über die eigenen Grenzen hinaus und dafür sind wir überaus dankbar. Trotzdem gibt es einige schwarze Schafe, bei denen Profitgier und Machtstreben im Vordergrund steht und womit den Patienten erheblich geschadet wird.

Es gibt wohl auch liebe kirchliche Mitarbeiter, die das Gemeinwohl fördern, aber etliche darunter verhalten sich immer wieder scheußlich anderen Mitarbeitern gegenüber, und Kinderseelen werden nur allzu oft für das Leben geschädigt.

Deshalb sehen wir genau hin, mit wem wir es bei unserem Gegenüber zu tun haben, und lassen wir unser Herz sprechen. Wunderbar, wenn wir dann unseren Bruder oder unsere Schwester des Friedens im anderen erkennen und nach dieser Begegnung empfinden: Wir sind eines Sinnes, es brannte Hand in Hand, und um es mit dem Song der Gruppe Housemartins zu sagen: Komm, „join the caravan of love!“.

 

Gabriele Büchel ist aktiv bei der Herner Friedensinitiative.