Redebeitrag für den Ostermarsch Augsburg am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

"Eine Gewalthandlung ist begrenzt und kann fehlschlagen. Gewaltlosigkeit kennt keine Grenzen und schlägt niemals fehl.“

 

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

ganz bewusst habe ich zu Beginn Mahatma Gandhi zitiert. Seit dem 24. Februar, dem Beginn des brutalen Überfalls Russlands auf die Ukraine, gelten friedenspolitische Ansätze als naiv, mancherorts wird behauptet, dass die Zeit pazifistischer Ideen endgültig vorbei sei.

Ich muss gestehen, dass ich in vielerlei Hinsicht überrascht, irritiert, traurig und wütend bin, wenn ich die letzten Wochen im Blick habe. Ich konnte es auch nicht glauben, dass Wladimir Putin einen Angriffskrieg gegen die ganze Ukraine befehligen wird. Die Bilder, die mich an Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien erinnern sind nicht zu ertragen und machen mich sprachlos. Dieser Krieg und all die Verbrechen müssen auf das äußerste verurteilt werden und als Staatengemeinschaft sollten wir auf allen Ebenen schauen, wie das Töten so schnell wie möglich beendet werden kann.

Doch ich bin auch irritiert von den Reaktionen der deutschen Regierung auf den Ukraine-Krieg. Ich hatte mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen können, dass Deutschland 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr beim
Fenster rauswirft. Dabei fehlt es in Blick auf die NATO nicht an militärischer Stärke – Die USA geben allein 11mal mehr für das Militär aus als Russland. Meiner Ansicht nach fehlt es an der Fortentwicklung ziviler Konfliktlösungen und den Ausbau von Friedensdiensten. Wir sollten in unseren Schulen Friedensethik und Gewaltfreiheit lehren, Politikerinnen und Politiker darin ausbilden. Das Problem ist doch, dass wir nur in Gewaltmustern stehen bleiben. Kein Fortschritt in Sicht!

Unsere Filme und unsere Kultur sind voll von Inszenierungen scheinbar erlösender Gewalt. Denken wir nur an zahlreiche Kinofilme, in denen Gewalt als Mittel stets die erste Wahl ist.

Irritiert bin ich aber auch von der Kriegsrhetorik und Heroisierung des militärischen Kampfes in deutschen Medien. Zeitweise denke ich, dass den Krieg viele wie ein Computerspiel oder ein Fußballspiel betrachten, in der man eine Seite mit Kampfrufen und Fahnen zum Sieg peitscht. Tausende, ja Zehntausende Menschen verlieren ihr Leben. Jede getötete Person ist eine zu viel.

Besonders traurig stimmen mich die Rufe aus einer Partei, die einst aus Teilen der Friedensbewegung hervorging. Was sollen schwere Waffen aktuell erreichen? Wenn selbst namhafte Militärs vor dem Einsatz warnen. So sagte erst neulich Brigadegeneral a.D. Erich Vad „solche Lieferungen seien potenziell ein Weg in den Dritten Weltkrieg".

Meine Solidarität gilt allen Leidenden und Unterdrückten: der ukrainischen Bevölkerung wie den jungen russischen Soldaten, die nicht wussten wie ihnen geschieht. Schade, dass die europäischen Regierungen nicht stärker auf einen Systemwechselsetzen und allen beteiligten Soldaten bei Kriegsdienstverweigerung sofort Asyl gewähren. Das könnte eine völlig neue Dynamik in Gang setzen...

Wenn unser Fokus gerade auf der Ukraine liegt dürfen wir Menschen auf der Flucht weltweit und andere Kriegsschauplätze und Orte des Leids nicht vergessen. Setzen wir uns ebenso für eine friedliche Lösung im Jemen, Äthiopien, Libyen, Mali,
Kolumbien und weiteren Ländern ein.

Gewaltfreiheit darf nie mit Naivität und Passivität verwechselt werden. Ganz im Gegenteil! Gewaltfreiheit verlangt ein Mehr an Mut, Kreativität und Einsatz.

Zum Ende meiner Rede möchte ich Martin Luther King zu Wort kommen lassen, der Zeit seines Lebens gegen die Spirale der Gewalt ankämpfte:

„Finsternis kann keine Finsternis vertreiben.
Das gelingt nur dem Licht
Hass kann den Hass nicht austreiben.
Das gelingt nur der Liebe.
Hass vervielfältigt den Hass, Gewalt mehrt Gewalt, Härte vergrößert Härte
In einer ständigen Spirale der Vernichtung.
Die Kettenreaktion des Bösen –
Hass, der neuen Hass gebiert,
Kriege, die neue Kriege nach sich ziehen –
Muss unterbrochen werden.
Sonst werden wir in den Abgrund
der Vernichtung stürzen.“

Wir brauchen eine neue Kultur der Gewaltfreiheit – und zwar auf allen Ebenen So dass wir alle befreit leben können – auch in Zukunft!

 

Michael Rösch ist aktiv beim pax christi DV Augsburg.