Redebeitrag für den Ostermarsch Kiel am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleg*innen und liebe Friedensfreund*innen,

das zentrale Thema unseres Ostermarsches ist leider ein tief Trauriges. Wir stehen in tiefer Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und fordern: Herr Putin, stoppen Sie diesen völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine – und zwar sofort!

Bis zum Morgen des 24. Februar, bis zum vom russischen Präsidenten Putin angeordneten Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, hatte ich gehofft und auch erwartet, dass dieser Krieg durch Verhandlungen abgewendet werden kann.
Und ich hätte nicht erwartet, dass Putin so weit geht, einen Angriffskrieg mitten in Europa zu beginnen. Das ist eindeutig und eklatant völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen.

Liebe Friedensfreund*innen - Was wir in der Ukraine erleben, ist eine humanitäre Katastrophe, von der vor allem die Zivilbevölkerung betroffen ist.

Wir haben sehr enge Beziehungen zu einer Reihe von ukrainischen Gewerkschaften, insbesondere im öffentlichen Sektor und der Seefahrt. Es gibt auch konkrete gemeinsame Projekte, zum Beispiel in Odessa, die ver.di seit Jahren unterstützt.
Es erreichen uns jeden Tag Hilferufe der Kolleginnen und Kollegen. Die Gewerkschaftshäuser in den Teilen der Ukraine, in denen der Krieg noch nicht tobt, sind wichtige Anlauf- und Versorgungsstellen für Geflüchtete. Täglich erreichen uns -auch von dort- neue Nachrichten über Kriegsverbrechen. Wir wissen: hunderttausende Menschen sind eingekesselt und leiden Hunger. Die Zahl der Todesopfer und Verletzten steigt unablässig. In den Kriegsgebieten steht die medizinische Versorgung vor dem Zusammenbruch. Millionen von Menschen sind auf der Flucht und müssen rasch sichere Unterkunft finden. Wir müssen die europäischen Grenzen gemeinsam offenhalten, um den Geflüchteten ausnahmslos helfen zu können.

Es sind unerträgliche Schreckensmeldungen, die bei uns ankommen. Sie zeigen mit entsetzlicher Klarheit: Krieg und militärische Aggression dürfen niemals Mittel der Politik sein. Unser Respekt und unsere Solidarität gehören den bedrohten Menschen in der Ukraine, die ihre Freiheit verteidigen. Unser Respekt und unsere Solidarität gehören aber auch den Menschen in Russland und Belarus, die sich gegen diesen Krieg stellen.

Viele von uns empfinden Wut und Verzweiflung, Trauer und Angst. Angst davor, dass dieser Krieg auf ganz Europa übergreift und dass die NATO zur Kriegspartei wird: Mehr noch: Dass letztlich ein Atomkrieg ausbrechen kann.

Daher stehen wir heute Seite an Seite, um ein starkes Zeichen zu setzen:

für eine europäische und internationale Friedensordnung, die auf den Prinzipien der Freiheit, der Wahrung der Menschenrechte, der Selbstbestimmung und der Gerechtigkeit beruht.

Der schreckliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein beispielloser Angriff auf diese Friedensordnung, ein eklatanter Völkerrechtsbruch und durch nichts zu rechtfertigen. Wir verurteilen den Gewaltakt der russischen Führung auf das Schärfste und fordern sie dazu auf, die Angriffe sofort einzustellen, ihre Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen und die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine anzuerkennen.

Die unfassbaren und schrecklichen Kriegsverbrechen müssen dokumentiert werden. Die Verantwortlichen müssen dafür vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft gezogen werden!

Wir setzen bei diesem Ostermarsch ein starkes Zeichen für den Frieden und appellieren an die internationale Staatengemeinschaft: lassen Sie nicht nach, an einer diplomatischen Lösung für einen Waffenstillstand und einer Beendigung des Krieges zu arbeiten – nicht zuletzt mit dem Ziel, für alle beteiligten Parteien Perspektiven auf eine neue gesamteuropäische Architektur der gemeinsamen Sicherheit zu eröffnen.

 

Liebe Kolleg*innen, liebe Friedensfreund*innen,

die Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil der Friedensbewegung. Wir wollen nicht, dass militärisches Denken und Handeln unsere Zukunft bestimmt. Deswegen darf die politische Antwort auf die russische Aggression kein neuer Rüstungswettlauf sein.

Der Bundeskanzler hat in Reaktion auf Putins Angriffskrieg ein milliardenschweres Ausrüstung- und Aufrüstungsprogramm angekündigt. Deutschland soll zukünftig 2% seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. Damit steigen die Militärausgaben um jährlich weitere 25 Mrd Euro. In diesem Zusammenhang steht auch, dass über eine Grundgesetzänderung ein Sondervermögen von 100 Mrd Euro geschaffen werden soll, um zweckgebunden Rüstungsgüter für die Bundeswehr zu kaufen. Es ist klar, dass die Bundeswehr so ausgestattet sein muss, dass sie ihrem Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. Als ver.di sind wir für die Bundeswehr die zuständige Gewerkschaft. Wir wissen, dass allein schon bei Ausrüstung und auch der Tarifbindung Einiges im Argen liegt. Die Erhöhung aber des Verteidigungshaushaltes auf dauerhaft 2% lehnen wir. Und ebenso den Plan, über ein Sondervermögen von 100 Mrd zweckgebunden Rüstungsgüter zu beschaffen. Für uns ist klar: Die Diskussion um mehr Sicherheit in Europa darf nicht in erster Linie aus einer militärischen Perspektive geführt werden. Unser Ziel bleibt eine Welt mit weniger Waffen. Wir wollen Abrüstung, insbesondere atomare Abrüstung.

Wir wollen keinen neuen Rüstungswettlauf. Machen wir uns nichts vor: dieser würde auch dazu führen, dass Gelder für die dringlichen Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau fehlen und dem Sozialstaat entzogen werden. Gemeinsam mit dem DGB und seinen weiteren Mitgliedsgewerkschaften kämpfen wir dafür, dass die militärische Friedenssicherung nicht zulasten des sozialen Friedens erkauft werden darf.

Unsere Perspektive ist ein Europa mit einer erweiterten gemeinsamen Sicherheit aller Mitglieds- und Nachbarländer, die auch soziale und ökologische Nachhaltigkeit einschließt und damit auch unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten Planeten bewahrt!

Heute zum Ostermarsch in Kiel stehen wir hier gemeinsam – und unsere Botschaft lautet: Stoppt den Krieg! Frieden und Solidarität für die Menschen in der Ukraine! Gegen eine neue Politik der militärischen Konfrontation und des Wettrüstens! 

Nie wieder Krieg - weltweit!

 

Susanne Schöttke ist Landesbezirksleiterin bei ver.di Nord.