Redebeitrag für den Ostermarsch Offenburg am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Hallo Zusammen, ich begrüsse Euch!

Mein Name ist Thomas Näther und ich bin Mitglied der Kuhlen Wampe Freiburg. Wir sind MitunterzeichnerInnen des Aufrufs zu diesem Ostermarsch hier in Offenburg, der ganz unter dem Eindruck des verheerenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine steht.

Es ist dies nicht der erste Krieg nach 1945 auf dem europäischen Kontinent, und auch nicht der erste völkerrechtswidrige Angriff seitens einer Grossmacht. Es gab das Massaker in Srebrenica, es gab die völkerrechtswidrigen Nato-Angriffe auf den Kosovo, es gab den völkerrechtswidrigen Krieg westlicher Alliierter gegen den Irak, es gab die russischen Luftangriffe auf syrische Städte. Tausende kamen in diesen Kriegen ums Leben.

Und doch: dieser Krieg und sein Kontext unterscheiden sich.

Putins Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen hat ganz schnell deutlich gemacht, was für eine Eskalationsdynamik ein Konflikt annimmt, in dem sich auf beiden Seiten atomar bewaffnete Staaten gegenüber stehen. Mit dem Krieg in der Ukraine wird eine atomare Auseinandersetzung in Europa zur ganz realen Bedrohung. 

Es gibt aus meiner Sicht einen zweiten Aspekt, der diesen Krieg unterscheidet:

das Narrativ einer angeblichen westlichen Dekadenz wird von Putin ebenso geteilt wird wie von der Neuen Rechten in Europa. Die Ablehnung der liberalen Moderne, die angeblich Tradition und Kultur zu zerstören droht, sind  dessen zentraler Bestandteil. Sie spiegelt sich in Putins Repressionen gegenüber FeministInnen, in Verboten und Verfolgung von Pride-Paraden in Russland und in der homophoben Hetze des Moskauer Patriarchen Kyrill, wonach man in der Ukraine „gegen die Schwulen kämpfe“ (Medico International, Rundschreiben 01/22). By the way: dass Putin gleichzeitig von Entnazifizierung der Ukraine schadroniert, verleiht der russischen Kriegspropaganda etwas absurdes.

Die Ablehnung der liberalen Moderne spiegelt sich aber auch in einer Erklärung für ein rechtes Europa wider, die Anfang Juli 2021 von rechtsextremen Parteien aus 16 EU Ländern veröffentlicht wurde, von der ungarischen Fidesz über die polnische PIS, dem französichen Rassemblement, der spanischen Vox bis hin zum italienischen Fratelli dÌtalia und dem belgischen Vlaams Belang. „Tradition“ und „christliche abendländische Kultur“ müssten die Basis der Zusammenarbeit zwischen den Nationen in Europa sein, heisst es dort, während man zeitgleich deren angebliche Zerstörung durch illustre Mächte beklagt. Auf der politischen Agenda stehen de facto Nationalismus, rechtskonservative Vorstellungen von Familie, die Diskriminierung von Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen und die rassistische Ablehnung jeglicher Unterstützung nichteuropäischer geflüchteter Menschen.

Einer der Ideologen dieser reaktionären antiemanzipatorischen Vorstellungen ist Alexander Dugin, seines Zeichens Philosoph, der in Moskau lehrt.

Zusammen mit einem autoritären Antiliberalismus, wofür er von der Neuen Rechten in Europa ebenso geschätzt wird, wie von Putin und seinen Gefolgsleuten, hat der Mann ein sehr imperiales Grossraumdenken im ideologischen Gepäck, in dem in einem sogenannten Eurasien einem beinahe ins mystische überhöhten Russischen Reich eine Führungsrolle zukäme (derrechterand, Ausgabe 195). Die Ukraine ist ebenso Teil des eurasischen Konstrukts, wie es Polen ist oder das Baltikum.

Vor diesem ideologischen Hintergrund ist meine persönliche Sorge,dass die geopolitischen Ambitionen von Putins Russland in Europa nachwievor unterschätzt werden - auch von uns friedensbewegten  Menschen. Meine Sorge ist, wenn sich die Menschen in der Ukraine, denen wir hier auf diesem Platz im Namen des gewaltfreien Widerstands den Mut abverlangen, sich den russischen Panzern mit ihren Körpern  entgegenzustellen, dass es dem Kriegsherren Putin nicht genug sein wird, mit Krieg in Europa. Möglicherweise werden wir dann den Menschen in Moldau, in Polen oder in Littauen, Lettland und Estland in der nächsten Zukunft abverlangen müssen, sich den russischen Panzern entgegenzustellen. Das berührt für mich - und  ich spreche jetzt für mich ganz persönlich -mittlerweile auch die Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine.
Ich finde in diesen Tagen und angesichts der Bilder von massakrierten ZivilistInnen keine befriedigende Antwort auf diese Fragen. Klar ist aber: 

Putin hat die Verantwortung für diesen verbrecherischen Krieg. Er muss ihn beenden und aus der Ukraine verschwinden! Ohne wenn und aber.

Ich möchte zum Abschluss dieses Statements noch ein wenig vor der eigenen Haustür kehren– quasi vor der Clubtüre der Kuhlen Wampe Freiburg.

Wir waren die letzten Monate damit beschäftigt, die sogenannten QuerdenkerInnen-Demos zu beobachten, zum Teil auch zu stören oder antifaschistische Gegendemos zu unterstützen. Freiburg hat sich in den vergangenen Monaten zu einer Hochburg dieser verschwörungserzählerischen und damit antisemitischen  und neurechten Bewegung entwickelt, die bis in die bürgerliche Mitte hinein SympathisantInnen findet.

Einer der Organisatoren dieser Demos lässt sich gerichtlich von Dubravko Mandic vertreten, seines Zeichens völkischer Rechtsextremist, verurteilter Gewalttäter und seit kurzem Ex-AfD-Stadtrat in Freiburg. Wir haben auf diesen Demos Hitlergruss und Wolfsangel gesehen und Absurditäten wie die gehört, man müsse Nazis in die Mitte nehmen, um sie zurück auf den Pfad der Tugend zu führen. Ich persönlich habe gehört, wie auf einer Demo im November letzten Jahres offen für die in meinen Augen faschistoide AfD geworben wurde. Wir haben gesehen, wie die rechtsradikale Kleinpartei der III. Weg auf der Webseite prominent für die Teilnahme an den sog. Montagsspaziergängen warb, detailliert mit Zeit und Ortsangabe bis ins kleinste südbadische Nest.

Im Verbund mit diesen immer wieder zu beobachtenden rechtsextremen Versatzstücken liebt man es, und es stösst mir mittlerweile wirklich übel auf, Herzchen und Regenbogenfarben zu zeigen - oder die Fahne der Friedensbewegung, so wie sie auch hier und heute zu sehen ist. 

Ich möchte zum Abschluss deutlich sagen:  

der schöne weisse Vogel auf blauem Grund mit dem Olivenzweig im Schnabel ist nicht beliebig! 

Er ist nicht kompatibel mit Holocaustrelativierung und antisemitischen Verschwörunsmythen, er ist nicht kompatibel mit Sozialdarwinismus oder den antiliberalen und homophoben Narrativen der Neuen Rechten, wie sie auf jeder Demonstration der sog. QuerdenkerInnen als hässlicher BegleitSound mitschwingen.

Die Fahne der Friedensbewegung ist antifaschistisch! 

Unter dem Eindruck des Mordens und der millionenfachen Vertreibung in der Ukraine sind wir hier zum diesjährigen Ostermarsch, gegen den Krieg in Europa und überall auf der Welt. 

Und für Europas Solidarität mit Menschen auf der Flucht vor Hunger und Krieg oder einfach nur auf der Suche nach einem besseren Leben -  unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder Religion.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!

 

Thomas Näther ist aktiv beim Motorrradclub „Kuhlen Wampe“ in Freiburg.