Redebeitrag für den Ostermarsch Oberndorf am 16. April 2022

 

- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Weltweit existieren derzeit über 13.000 nukleare Sprengköpfe.[1] Diese haben in Summe eine Sprengkraft von 7.500 Megatonne – das entspricht der Sprengkraft von 7,5 Milliarden Tonnen TNT. Das bedeutet, dass momentan pro Mensch auf der Erde ca. 1 Tonne Sprengkraft in Form von Atomwaffen existiert.[2] Ich weiß nicht, wie es Ihnen und Euch, aber ich finde diese Zahl unglaublich – und sehr erschreckend. Aber es geht noch etwas Erschreckender: Im 2. Weltkrieg sind 55 Millionen Menschen gestorben. Die gesamte verwendete Zerstörungskraft im 2. Weltkrieg betrug 3 Megatonnen. Was heute an nuklearen Sprengköpfen vorgehalten wird, entspricht 2.500 zweiten Weltkriegen.[3] Dieses Übermaß an Atomwaffen bezeichnet man als „Overkill“ – wir sind in der Lage, unsere Welt mehrfach komplett zu zerstören.

Diese Zahlen machen deutlich, in was für einer brandgefährlichen Situation wir uns befinden – gerade auch aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine. Eine unüberlegte Aktion kann eine Kettenreaktion apokalyptischen Ausmaßes auslösen.

Die Vereinten Nationen haben das erkannt – und 2017 einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen verabschiedet. Mitinitiator war unser Nachbarland Österreich und mittlerweile haben 86 Staaten den Vertrag unterzeichnet. Leider ist darunter bis jetzt keine Atommacht und kein NATO-Mitgliedsland. Folglich hat auch Deutschland den Vertrag bisher nicht unterzeichnet. Das finde ich falsch!

Der so genannte ICAN-Städteappell weißt auf den UN-Atomwaffenverbotsvertrag hin. Städte und Gemeinden können den Appell unterzeichnen und so die Bundesregierung auffordern, aktiv zu werden. Auch in Oberndorf wurde erst vor ca. 2 Monaten im Gemeinderat darüber diskutiert. Zu meinem Erstaunen, Erschrecken und zu meiner Beschämung, wurde der Antrag bei nur 5 JA-Stimmen tatsächlich abgelehnt. Die Begründung war mehr als nur abenteuerlich: Man habe den Wählern im Wahlprogramm bei der Wahl 2019 nichts davon versprochen, also keine Aussage zu diesem Thema gemacht und wolle dem deshalb jetzt nicht zustimmen. Außerdem sei das Weltpolitik und deshalb liege das nicht in der Zuständigkeit des Gemeinderats.

Ich hätte ehrlicherweise kaum für möglich gehalten, sich bei einem solchen Antrag zu enthalten, geschweige denn dagegen zu stimmen. Aufgrund der mehrheitlichen Ablehnung habe ich mich für den Oberndorfer Gemeinderat geschämt.

Wenn es selbst in einem kommunalen Parlament nicht gelingt, eine Mehrheit für die Ächtung von Atomwaffen zu generieren – dann stelle ich fest, dass die Friedensbewegung leider noch viel Arbeit vor sich hat. Umso wichtiger und schöner ist es, dass wir heute hier sind. Die eingangs erwähnten Zahlen zeigen deutlich: Wir müssen abrüsten – insbesondere auf nuklearer Ebene!

Deutschland ist keine Atommacht. Wir haben keine Atomwaffen – und dennoch sind Atomwaffen in Deutschland stationiert. Hierzu möchte ich kurz aus dem Flyer von „atomwaffenA-Z“ vorlesen.

„Alarmstufe Rot. Der Präsident der USA hat sich entschieden: Er befiehlt den Einsatz der Atomwaffen. Innerhalb von Minuten sind die Startcodes freigegeben. US-Bewachungseinheiten machen die B61-Bomben scharf. Sie werden aus ihren unterirdischen Lagern in Rheinland-Pfalz zum Kampfflugzeug gerollt und eingehängt. Der deutsche Tornado mit deutscher Besatzung rollt an und hebt ab. Nur wenig später fliegt der deutsche Pilot die Bombe ins Ziel und wirft sie ab. Hunderttausende Menschen sterben…“[4]

In der Eifel sind bis zu 20 B61-Bomben stationiert. Jede dieser Bomben hat eine Sprengkraft von 13 Hiroshimabomben. Die Hiroshimabombe hat vor 70 Jahren binnen vier Monaten 140.000 Menschen getötet.[5] Das macht deutlich, dass in Deutschland gefährliche Massenvernichtungswaffen lagern, die potentiell ca. 3 Millionen Menschen töten können.

Wir sind keine Atommacht – und dennoch lagern Atomwaffen in Deutschland. „Nukleare Teilhabe“ nennt sich dieses Konzept, dass gerade jetzt von einigen wieder stark befürwortet und hochgehalten wird.

Noch vor der Bundestagswahl haben SPD und Grüne versprochen, an der Konferenz zum UN-Atomwaffenverbot teilzunehmen sowie eine Debatte über US-Atomwaffen in Deutschland zu führen. Auch wenn die momentane Lage sehr schwierig ist – so wollen wir dennoch keine Atomwaffen in Deutschland. Erinnern wir unsere Regierung daran, ihr Wort zu halten, das sie vor der Wahl gegeben haben.

Danke für eure Aufmerksamkeit!

 

Tobias Raffelt ist aktiv bei der Partei ÖDP oin Baden-Württemberg.

 

Anmerkungen: