Redebeitrag für den Ostermarsch in Rhein-Ruhr am 8. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ostermarschierende hier in Düsseldorf,

wir stehen hier zusammen für den Frieden! Wir protestieren gegen den Krieg. Gegen den Krieg in Mali, gegen den Krieg in Syrien, gegen den Krieg den die Türkei auch gegen die Kurden führt, und natürlich auch gegen den Krieg in der Ukraine, gegen das dort seit 13 Monaten stattfindende Töten und Zerstören. Gegen die Auswirkungen die dieser Krieg hat. Nicht nur in der Ukraine. Auch hier bei uns in Deutschland, auch wenn wir keine Toten zu beklagen haben. Wohl aber geht deshalb hier vieles kaputt. Die Kriegskredite in Höhe von 100 Mrd €, von der Regierung als Sondervermögen bezeichnet, verhindern eine Finanzierung von notwendiger Infrastruktur und Investitionen. Schultoiletten sind in bedauernswertem Zustand, und die im Koalitionsvertrag verabredete Kindergrundsicherung steht auch zum Abschuss bereit. Um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.
Im Krieg bleibt kein Geld über für Kinder. Aber nicht nur das, es heißt nicht erst seit dem Golfkrieg 1991 „die Wahrheit stirbt zu erst.“
Es ist das Mantra, dass „wir hier“ in Freiheit leben, und das schließt auch die Meinungs- und Redefreiheit ein. Im Artikel 11 des Grundgesetzes heißt es wörtlich unter der Überschrift „Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.“: „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und  weiterzugeben.“
So weit so prima, aber dann kommt das Strafgesetz mit dem § 140 „Belohnung und Billigung von Straftaten“. Darin heißt es in Absatz 2:
„Wer eine rechtswidrige Tat in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts billigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Heiner Bücker, vom Coop Anti-War Café in Berlin hat am Jahrestag des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunkion am 22. Juni 1941 am Sowjetischen Ehrenmal Berlin geredet. In seiner Rede letztes Jahr erinnerte er (ich zitiere wörtlich) : „Bis zur Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 starben ca. 27 Millionen Bürger der Sowjetunion, die Mehrheit davon Zivilisten, Nur zum Vergleich: Deutschland verlor weniger als 6,350.000 Millionen Menschen, 5,180.000 davon Soldaten. Es war ein Krieg der wie das faschistische Redemanuskript Felix Oekentorp beim OM 2023 in D‘dorf Seite 3 Deutschland erklärte gegen den jüdischen Bolschewismus und die slawischen Untermenschen gerichtet war.“ Bücker spannt den Bogen von damals zur heutigen Situation in der Ukraine und kritisiert wörtlich „Das im Frühjahr 2014 durch einen Putsch in der Ukraine installierte rechtsradikale Regime hat intensiv daran gearbeitet, eine faschistische Ideologie in der Ukraine zu verbreiten. Der Hass gegen alles Russische wurde permanent genährt und hat immer mehr zugenommen. Die Verehrung rechtsextremer Bewegungen und ihrer Führer, die mit den deutschen Faschisten im 2. Weltkrieg zusammenarbeiteten hat immens zugenommen. Beispielsweise für die paramilitärische Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die den deutschen Faschisten bei der Ermordung abertausender Juden half, und für die Ukrainische Aufständische Armee (UPA), die zig-Tausende von Juden und andere Minderheiten ermordet hat. Die Pogrome richteten sich übrigens auch gegen ethnische Polen, sowjetische Kriegsgefangene und pro-sowjetische Zivilisten.“ Über eine der wichtigsten Personen, die in der Ukraine verehrt wird, Stepan Bandera sagt Heinroch Bücker in seiner Rede: „Der 1959 in München ermordete Bandera war ein rechtsradikaler Politiker und Nazi-Kollaborateur, der eine Fraktion der OUN anführte. 2016 wurde ein Kiewer Boulevard nach Bandera benannt. Besonders obszön deshalb, weil diese Straße nach Babi Jar führt, zu der Schlucht am Stadtrand von Kiew, an der deutsche Nazis mitUnterstützung ukrainischer Kollaborateure in zwei Tagen weit über 30.000 Juden in einem der größten Einzelmassaker des Holocaust ermordeten.“Bücker erwähnt weitere wichtiger Nazi-Kollaborateure in seiner Rede, wie

  • Roman Shukhevych, der die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) befehligte, verantwortlich für die Ermordung von Tausenden von Juden und Polen. Nach ihm wurden auch Dutzende von Straßen benannt.
  • Jaroslav Stezko der 1941 die sog. Unabhängigkeitserklärung der Ukraine verfasste und die Deutsche Wehrmacht willkommen hieß. Stezko versicherte in Briefen an Hitler, Mussolini, und Franco, dass sein neuer Staat ein Teil von Hitlers Neuer Ordnung in Europa sei. Nach dem Krieg lebte Stezko bis zu seinem Tod in München, von wo aus er Kontakte mit vielen Resten nationalistischer oder faschistischer Organisationen wie z.B. aus dem Taiwan Redemanuskript Felix Oekentorp beim OM 2023 in D‘dorf Seite 3 Chiang Kai-sheks, aus Franco-Spaniens, und Kroatiens aufrecht erhielt. Er wurdePräsidiumsmitglied in der World Anti-Communist League.
  • Taras Bulba-Borovets den von den Nazis ernannten Anführer einer Miliz die zahlreiche Pogrome durchführte und viele Juden ermordete. Und es gibt eine Reihe weiterer Denkmäler für ihn. Nach dem Krieg ließ er sich wie viele Nazi-Kollaborateure, in Kanada nieder, wo er eine ukrainischsprachige Zeitung leitete.
  • Den Namensvetter des ehemaligen Botschafters der Ukraine in Deutschland Andryi Melnyk, Mitbegründer der OUN, der ebenfalls auf engste mit der Wehrmacht zusammenarbeitete. Der deutsche Einmarsch in die Ukraine 1941 wurde mit Spruchbändern und Proklamationen wie „Ehre Hitler! Ehre sei Melnyk!“ zelebriert. Nach dem Krieg lebte er in Luxemburg und war eine feste Größe in ukrainischen Diaspora-Organisationen.

Alle Details zu den genannten Personen sind wörtlich aus der Rede von Heinrich Bücker. Bücker kritisiert die heutigen Verflechtungen zwischen der Regierung und den heutigen Faschisten in der Ukraine mit den Worten:
„Wie eng die Verbindungen zwischen dem jüdischen Präsidenten Selenskyj und dem faschistischen Asow-Regiment ist, zeigte sich beispielsweise als Selenskyj bei einem Videoauftritt vor dem griechischen Parlament auch rechtsradikale Asow-Kämpfer zu Wort kommen ließ. In Griechenland verwehrten sich die meisten Parteien gegen diesen Affront. “Er erinnert daran dass „Weit über 10.000 russischsprachige Menschen wegen diesem von der
Regierung in Kiew angestacheltem Hass gegen Russen seit 2014 im Osten der Ukraine in der Donbassregion ihr Leben verloren haben.“ Zum Ende seiner Rede sagt Bücker (ich kürze einiges): „Wir müssen uns zusammenschließen und uns diesem Irrsinn gemeinsam entgegenstellen.
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Ich hege kein Misstrauen gegen Russland, denn der Verzicht auf Rache gegen Deutsche und Deutschland bestimmte seit 1945 die sowjetische und danach auch die russische Politik.Redemanuskript Felix Oekentorp beim OM 2023 in D‘dorf Seite 4. Auch die Menschen in Russland hegten bis vor Kurzem zumindest keinen Groll gegen uns, obwohl fast jede Familie Kriegstote zu beklagen hat. Bis vor Kurzem konnten die Menschen in Russland zwischen Faschisten und der deutschen Bevölkerung differenzieren. Aber was geschieht jetzt? Alle mühsam aufgebauten freundschaftlichen Beziehungen drohen jetzt abzureißen, ja sie werden potentiell zerstört.“ Auch hier in Düsseldorf ist Moskau aus der Liste der Partnerstädte gestrichen worden, wie man an den Stadtgrenzen feststellen kann, wo in den Listen eine Leerzeile klafft. Für die Rede von Heinrich Bücker gab es eine Strafanzeige und er wurde in erster Instanz verurteilt zu 40 Tagessätzen zu 50 €. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, die Rede habe angesichts der Kriegsfolgen auch für Deutschland „das Potential, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das psychische Klima in der Bevölkerung aufzuhetzen“. Dieses Urteil ist auch eine hierzulande spürbare Kriegsfolge die nicht die letzte war und der weitere folgen werden. Denn im Oktober letzten Jahres hat der Bundestag in einer Nacht-und-Nebelaktion einen zusätzlichen Absatz 5 zum Paragrafen 130 (Volksverhetzung) beschlossen, der es unter Strafe stellt wer Völkermord oder Kriegsverbrechen „öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, ... den öffentlichen Frieden zu stören.“ Dies hatte der Rechtsausschuss zum Beschluss über ein Bundeszentralregistergesetz hinzugefügt, und am Folgetag, einem Freitag um 23 Uhr wurde dieser Passus Gesetz. Ein Schelm, wer durch dieses Verfahren sein Vertrauen in die Rechtssicherheit erschüttert sieht.
Gegen diese Gesetzesänderung hatte niemand Protest anmelden können, anders als beispielsweise beim Versammlungsgesetz NRW gegen das einige/viele von uns (so auch ich) vor 2 Jahren auf der Straße waren bei zwei  Großdemos hier in D‘dorf und einer in Köln. Wo es bei der ersten erhebliche Polizeigewalt gegen die Demonstrierenden gab, und anschließend widerlegte Lügen von Innenminister Reul vor dem Innenausschuss des Landtags.

Achtung: es hat in der Folge Mißverständnisse im Zusammenhang mit dieser Rede gegeben. Ich habe mir nicht den Inhalt der Rede von Heiner Bücker zu eigen gemacht, sondern habe mehrfach darauf hingewiesen, dass ich zitiere. Damit wollte ich verdeutlichen, wofür inzwischen die Gerichte Strafen verhängen, was es also mit der vielbeschworenen Redefreiheit hierzulande auf sich hat.

 

Felix Oekentorp tätig bei der DFG-VK.