Redebeitrag für den Ostermarsch in Aschaffenburg am 8. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir leben in Zeiten des Krieges, nicht nur dem in der Ukraine und im Jemen und in vielen anderen Ländern dieser Erde. Wir alle führen Krieg gegen unseren Planeten und dies gilt insbesondere für die Militärs und für alle Streitkräfte auf der Welt egal ob im Krieg oder im Frieden. Kritiker haben das Militär wiederholt als eine Verschwendung von materiellen und intellektuellen Ressourcen bezeichnet. Rüstung wird als "totes Kapital" gesehen, welches vor allem im sozialen Bereich fehle. Dieser ökonomisch-materielle Kritikansatz entwickelte sich neben der pazifistischen Ablehnung der Gewalt als Mittel der Konfliktlösung zu Hauptargument gegen Militärausgaben. Und natürlich fehlen diese Ressourcen nicht nur im sozialen Bereich sondern auch in unserem Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe. Der selbsternannte Klimakanzler rief eine Zeitenwende aus und zauberte 100 Milliarden Euro aus der Kasse für die Aufrüstung. Zum einen glaube ich, so schnell wie dies geschah, war es ein lange geplanter Coup, der nur der Rüstungsindustrie nutzt. Sein neuer Kriegsminister Pistorius betont mittlerweile, dass diese Summe nicht ausreichen wird. Mal abgesehen davon, dass diese Ressourcen in einem realen Ernstfall wenig nützen würden, Was hätten wir im Klimaschutzbereich mit diesem Geld positives bewirken können? Und nicht nur werden Geld- und Sachmittel vernichtet, auch in Friedenszeiten ist das Militär eine Bedrohung für unsere Umwelt.
Wissenschaftlich problematisch ist allerdings, dass die Datenlage hinsichtlich klimaschädlicher Effekte von Krieg und Militär dünn ist. Bei der Erarbeitung des Kioto-Protokolls 1997 wurden auf Drängen der USA die Emissionen von Militärkräften von der Berichtspflicht ausgenommen. Bei den Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen 2015 wurde der Bann gelockert: Jede Nation entscheidet selbst, ob Zahlen und explizite Daten zum CO2-Fußabdruck der Armeen erhoben und veröffentlicht werden. Vor allem militärische Weltmächte wie die USA, Russland oder China geben Informationen über Emissionen wegen des sicherheitspolitischen Risikos nicht gerne preis. Aus präzisen Daten könnten Rückschlüsse auf Truppengrößen, Fuhrparks oder die Besatzung an einzelnen Standorten gezogen werden. Neta Crawford, Politikwissenschaftlerin an der Boston University, errechnete anhand von Daten des amerikanischen Energieministeriums, dass das US Pentagon mit hunderten Militärbasen weltweit der größte institutionelle Erzeuger von CO2-Emissionen und der größte Verbraucher von Treibstoff sei. 2017 produzierte allein die US-Regierung so mehr Treibhausgase als die Länder Schweden, Dänemark oder Portugal. Stuart Parkinson, Direktor der "Scientists For Global Responsibility", hat errechnet, dass die globalen Emissionen von Militär und Rüstungsindustrie etwa fünf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der Welt ausmachen. Inkludiert man die Auswirkungen von Krieg und die damit einhergehende Umweltzerstörung, so könnten es sechs Prozent sein. Noch nicht inkludiert sind dabei die Menge an Zement, Stahl und anderen Baustoffen, die man benötigt, um Städte wiederaufzubauen, oder die Ressourcen für die medizinische Versorgung Verwundeter.
Die Armeen weltweit verursachen enorme Mengen an klimaschädlichen Emissionen: bei der Produktion, dem Handel, Export und Transport von Waffen, bei Manövern und vor allem durch Kriegseinsätze selbst und bei anschließenden Besatzungen. Der Treibstoff-Verbrauch bei Panzern, Kriegsflugzeugen und Kriegsschiffen ist selbst in Friedenszeiten enorm, entsprechend hoch sind auch die Emissionen. Auf mehr als 260 Bundeswehrstandorten wird täglich der Krieg eingeübt, dazu kommen zusätzlich die weltweit durchgeführten mehr als 160 NATO-Militärübungen – fast jeden zweiten Tag also! Der Kampfpanzer Leopard 2 verbraucht auf 100 Kilometer bis zu 530 Liter Diesel, der Kampfjet Eurofighter verbraucht ca. 70-100 Liter Kerosin pro Minute und produziert pro Flugstunde 11 Tonnen CO2 -das ist so viel, wie durchschnittlich eine in Deutschland lebende
Person im gesamten Jahr. Allein auf der Air Base Ramstein finden jährlich 30.000 Starts und Landungen statt. Alle Waffentests sind Klimakiller und umweltschädlich. Ein Beispiel ist der wochenlange Moorbrand auf dem Bundeswehrgelände im Emsland vor zwei Jahren. Ein Waffentest hatte den Brand ausgelöst, der Landkreis rief den Katastrophenfall aus. Nach Einschätzung des Landesumweltministeriums in Hannover hat der Brand zu nachhaltigen Schäden für Umwelt und Tierwelt geführt. Besondere Verbrechen an Umwelt und Menschen sind die 2100 Kernwaffentests. Es wird angenommen, dass sie weltweit ca. 300 000 Todesfälle zur Folge hatten. Die Atomwaffenversuche sind verantwortlich für die radioaktive Verseuchung verschiedener Regionen. Auch über die ökologischen Gefahren von Atomwaffen, das Risiko eines Unfalls oder das ungelöste Problem der Endlagerung wird geschwiegen. Nach SIPRI(Stockholm International Peace Institute) gehören den neun Atomwaffenstaaten insgesamt 13.400 Atomwaffen. 3.720 sind sofort einsatzfähig, davon 1.800 in ständiger
Höchstalarmbereitschaft.
Umweltschutz genießt für das Militär jedenfalls keine Priorität. In der Logik der Streitkräfte dreht sich alles um Effizienz: Einsatzziele sollen möglichst schnell und effektiv erreichtwerden können. Für Rücksicht auf den Planeten und seine ökologischen Zusammenhänge ist dabei in der Regel kein Platz. Im Gegenteil besteht ein primäres Ziel aller Armeen darin, über möglichst große Zerstörungskraft zu verfügen.Zusammenfassend lässt sich sagen:
Die Militärs experimentierten mit unserem Klima in mehrfacher Hinsicht:

  • Das Militär kann ungehindert Klima-Experimente durchführen. Wetterbeeinflussung, Experimente in der Ionosphäre, Ozonbomben sind die Stichworte. Es hat ungehinderten Zugang zu den empfindlichen Bereichen der Atmosphäre. Die entsprechenden Fluggeräte haben meist ozonzerstörende Treibstoffe bzw. Treibstoffadditive.
  • Die Umwelt dient dem Militär nachweislich als Waffe z.B. bei Waldvernichtung durch Herbizideinsatz.
  • Die potentiellen Folgen der Militärapparate sind klimarelevant: Nuklarer Winter, Atomkrieg aus Versehen, Atombombenunfälle, Abstürze von Militärmaschinen auf "zivilisatorische Bomben" wie z.B. Chemiewerke etc.
  • Die weltweite Bereitstellung der sogenannten militärischen Sicherheit verbraucht riesige Mengen an monetären, intellektuellen und natürlichen Ressourcen, die dringend zum Klimaschutz und damit zum Aufbau der Internationalen ökologischen Sicherheit (IöS) benötigt werden.
  • Die Bereitstellung des mobilen und stationierten Militärapparates, der Ge-und Verbrauch dieser Ressourcen in natürlicher (Betriebsstoffe etc.) und in Produktform (Flugzeuge, Panzer etc.) schädigt das Klima in quantifizierbarem Ausmaß.

Der weltweite Militärapparat zerstört nachhaltig genau daß, was es zu schützen gilt:
Unsere Lebensgrundlagen! Ein Aufbau von weltweiter ökologischer Sicherheit ist nur mit dem energischen Abbau von sogenannter "militärischer Sicherheit" zu verwirklichen. Ich schliesse mich der Forderung der Ärztinnen gegen den Atomkrieg an: Abrüsten fürs Klima

Die Militärausgaben steigen, Deutschland rüstet weiter auf. Dabei verursachen Militär und Rüstungsindustrie enorme Treibhausgase – in Übung und Einsatz. Die IPPNW fordert die Erhebung und transparente Veröffentlichung aller CO2-Emissionen der Bundeswehr, eine zeitnahe umfassende Reduktion entsprechend den Klimaschutzzielen und eine Trendwende zur Abrüstung als Teil von Klimaschutz!

 

M. Fleckenstein