Redebeitrag für den Ostermarsch in Sachsen-Anhalt, Haldensleben am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Künstler, Günter Demnig, hat schon über 75.000 Stolpersteine gelegt. Drei davon liegen heute in Haldensleben. Die Idee der Stolpersteine stammt von ihm und er will damit den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Nummern degradiert und ermordet wurden, ihren Namen und damit die Erinnerung an sie zurückgeben.

An dieser Stelle (Maagdeburger Straße 59) wird erinnert an den 1891 in Haldensleben geborenen Bernhard Flörke. Er erlernte den Beruf des Steingutdrehers und wurde noch vor dem 1. Weltkrieg Mitglied der SPD. Er war als aktiver Turner Mitglied im Arbeiterturnerbund und konnte als Musiker mit Trompete, Klarinette und Zitter umgehen.

Im ersten Weltkrieg war Bernhard Flörke als Soldat an der Westfront in Frankreich eingesetzt. Nach dem ersten Weltkrieg war er arbeitslos. Er gründete eine Kohlehandlung und ein Fuhrunternehmen, fand sein Glück in Familie mit Frau und einer Tochter. Als man ihn am 6.August 1942 im Auftrag des Naziregimes verhaftete, warf man ihm vor, er hätte sich „abfällig“ über das NS Regime geäußert. So brachte man ihn - ohne Gerichtsverfahren - sofort in das Konzentrationslager Lublin– Majdanek.
Dieses Lager war von Nationalsozialisten im Herbst 1941 zunächst als Zwangsarbeiterlager für sowjetische Kriegsgefangene errichtet worden. Die arbeitsfähigen Insassen blieben so lange am Leben wie ihre Arbeitskraft reichte. Wer zur Arbeit nicht mehr in der Lage war, wurde ab Oktober 1942 in der Gaskammer des Lagers ermordet.Maidanek mutierte zum Vernichtungslager für ungefähr 60.000 Jüdinnen und Juden aus verschiedenen Teilen Europas. Auch polnische politisch Verfolgte, Sinti und Roma, Homosexuelle und weitere Zivilistinnen und Zivilisten wurden im KZ Majdanek erhängt, erschossen oder vergast. Die genauen Opferzahlen wird wohl niemand je konkret benennen können. Bernhard Flörke überlebte.
Heute wohnt in diesem Haus mit Familie Harbauer, der Sohn von Flörkes Tochter, also sein Enkel. Er selbst lernte seinen Großvater nie kennen. Denn er wurde erst in dem Jahr geboren, in dem der Großvater starb, 1957.
Trotzdem weiß sein Enkel, durch Erzählungen seiner Großmutter, dass die Erlebnisse der Haft seinen Großvater nie wieder losließen. Der Enkel war es auch, der sich dafür einsetzte, dass im Februar 2020 an dieser Stelle der Stolperstein gesetzt wurde. „Die Steine sollen uns tagtäglich damit konfrontieren, zu welchen Verbrechen Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung geführt haben“, sagte zur Stolpersteinverlegung Peter Harbauer, der als Enkel an dieser Stelle heute wohnt, wo einst sein Großvater Bernhard Flörke lebte.

 

Klaus Czernitzki