Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensbewegte, liebe Mitstreiter:innen gegen den Krieg und für einen echten Frieden, liebe Antimilitarist:innen und Antifaschist:innen,

Weil sicherlich viele von Euch meinen Namen und mein Gesicht zum ersten Mal gelesen und jetzt gesehen haben, möchte ich mich euch kurz vorstellen:

Ich bin Chris, erst vor gut zwei Jahren für das Politikwissenschafts-Studium nach Kassel gekommen und seitdem engagiere ich mich in unterschiedlichen politischen Kontexten am Campus und in Kassel.

Heute hier vor Euch, darf ich vor allem als aktiver Studierender im Arbeitskreis Zivilklausel sprechen. Eben jene Zivilklausel, die vor gut einem Monat in der Lokalredaktion der HNA für Empörung gesorgt haben muss, als sie von der Wirkung einer solchen friedenspolitischen Errungenschaft an der Uni erfuhr. Dazu aber gleich mehr…

Ich möchte mich an dieser Stelle erst einmal beim Kasseler Friedensforum für die Möglichkeit bedanken, hier heute beim traditionellem Ostermarsch sprechen zu dürfen.

Darüber hinaus möchte ich die Gelegenheit nutzen, um euch einmal ganz grundsätzlich und prinzipiell für euren jahrzehntelangen Einsatz für den Frieden zu danken und dass ihr, die Friedensfrage stets stellt und gegen jeden Krieg, Aufrüstung und Militarismus kämpft! Vielen Dank an Euch!

Ein Dank, der auch den vielen Mitstreiter:innen andernorts gilt, die an diesem Wochenende gemeinsam den Ostermarsch organisieren und begehen: Überall in Hessen mit dabei, sind auch friedensbewegte Studierende, ob in Marburg, Fulda, Gießen oder Frankfurt!

Stellvertretend für die friedensbewegten Studierenden an der Uni in Kassel, aber auch im Verbund des SDS Hessen, darf ich solidarische Grüße ausrichten - Gemeinsam gegen Krieg und Militarismus! Für eine zivile und vor allem soziale Zeitenwende!

Als hochschulpolitisch-aktiver Student möchte ich in meinem Redebeitrag heute den Blick etwas nach innen lenken. Denn der Krieg in der Ukraine hat sich in diesem einem Jahr nicht nur zu einem brutalen Abnutzungskrieg von Mensch und Material eskaliert, sondern auch bei uns in der Gesellschaft sind bedenkenswerte und bekämpfenswerte Entwicklungen im Gange.

Denn spätestens seit dem Ukraine-Krieg und der, drei-Tage später, ausgerufenen Zeitenwende schlägt uns ein drastischer, aggressiver Militarismus entgegen, der alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst hat. Für uns an der Uni heißt das weiterhin Abwehrkampf: Die Zivilklausel, also die Selbstverpflichtung der Universität nur nach zivilen Zwecken zu lehren und forschen, werden offen angegriffen und auch weiterhin übergangen.

So ist auch die jüngst veröffentlichte Meldung zu lesen, die der Lokalpresse HNA eine Titelseite wert war: Uni beendet Kooperationen mit Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann. Direkt da drunter ein Kommentar der HNA-Redakteurin, die diese Entscheidung in Anbetracht des russischen Feindbilds in Zweifel zieht und fordert, dass Wissenschaft und Rüstungsforschung sich doch nicht mehr ausschließen dürfen.

Aber ist das Bewusstsein für die historische Verantwortung gerade in Kassel nicht gerade umgekehrt?

Denn ob am Campus Holländischer Platz, wo einst die Henschel-Werke das Rüstzeug gleich für zwei Weltkriege produzierten und damit zuletzt im Dienste des deutschen Faschismus am Vernichtungskrieg und Holocaust ihre Profite erzielten oder die Geschichte des Campus in Witzenhausen, an dem das wissenschaftliche und kulturelle Rüstzeug für den brutalen deutschen Kolonalismus mit dem Leitmotiv "Mit Gott für Deutschlands Ehr, Daheim und überm Meer!" vorbereitet wurde:

Sich dieser historischen Verantwortung bewusst zu sein, macht das Wesen der Zivilklausel aus!

Es dient Forschenden, Lehrenden & Studierenden als Instrument, um frei von Eingriffen von Staat und Wirtschaft Wissenschaft zu betreiben, zu lehren und ermöglicht es, dass die Universität ein Ort demokratischer Bildung zur Mündigkeit für junge Menschen wird. Übrigens etwas, was mit der Wissenschaftsfreiheit und Friedensfinalität schon bei der Gründung der Bundesrepublik zentral im Grundgesetz verankert wurde.

Aber nein: Die Zeitenwende wirkt, könnte man sagen. Und es formieren sich ganz offen die bellizistischen Kräfte, die jetzt zum Angriff auf diese friedenspolitische Errungenschaft blasen: Rüstungsforschung soll wieder gesellschaftsfähig werden.

Aber nicht mit uns! Wir sind bereit! Wir werden für die Zivilklausel kämpfen und vor allem ihr friedenspolitisches Wesen hochhalten: Wir fordern endlich eine konsequente Durchsetzung der Zivilklausel und eine transparente und paritätisch besetzte Ethikkommission, die die Einhaltung überwacht!

Darüber hinaus kämpfen wir ganz grundsätzlich für eine andere Universität, die ihre gesellschaftliche Verantwortung endlich ernstnimmt:

Die Universität, also Wissenschaft und Lehre sollten kritisches Denken fördern, um damit Perspektiven für eine fortschrittliche und friedliche Welt zu eröffnen. Für die aktuellen globalen Krisen sind Panzer und Geschosse keine Lösung! 

Wissenschaft und Uni müssen im Dienste der Gesellschaft stehen für eine friedliche, fortschrittliche Welt für Alle und nicht im Dienste des Staates und Profitinteressen!

Die Fähigkeiten, die Welt in Schutt und Asche zu legen, werden nicht dadurch minimiert, dass sich die Welt in einem nie dagewesenen Ausmaß aufrüstet. Denn im Gegenteil bedeutet es für eine friedliche Welt einzustehen, sich über die Hintergründe von Kriegen bewusst zu werden und dabei zu verstehen, dass die Gründe für Kriege aller Art bereits im Frieden liegen: Kriege haben eine Vorgeschichte! Die oberste Regel dieser Weltordnung ist die Konkurrenz der Staaten, ihr höchster Wert ist der Profit. Nur ein Bruch mit der Logik des Kapitalismus kann den Weg zu einer friedlichen Entwicklung bahnen. 

Und weil diese Welt sehr kriegserfahren ist, möchte ich an dieser Stelle gerne einen Politiker zitieren, der vor gut 120 Jahren vor dem ersten Weltkrieg den Militarismus folgendermaßen zusammengefasst hat: „Der Militarismus ist aber nicht nur die Armee in ihren verschiedenen Gestalten. Er greift aus in die bürgerliche Welt, unser ganzes öffentliches Leben umklammernd und bis in seine feinsten Fasern durchdringend. Er ist ein ungeheuer raffinierter Apparat zu dem Zwecke, sich den natürlichen Entwicklungsgesetzen entgegenstellend, die menschliche Gesellschaft autokratisch und souverän im Interesse des Kapitalismus und überhaupt der herrschenden Gewalten nach seinem Bilde, nach seinem Willen einzurichten.“

Diese Erkenntnis hat der Genosse Karl Liebknecht 1907 formuliert. Also 7 Jahre vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs und damit richtig festgestellt, worum es im Militarismus und in Kriegen grundsätzlich geht: um ökonomische Interessen und die Absicherung eines Wirtschaftssystems, dass „den Krieg in sich trägt, wie die Wolke den Regen“.

 

Liebe Friedensbewegte,

sich allein auf den Standpunkt zu stellen mit der Forderung, eine deutsche Regierung solle Frieden schaffen, ist richtig, aber reicht nicht aus. Die 100 Mrd Sondervermögen, das 2% NATO-Ziel und die kommenden Mrd, die in den Haushalt für Armee, Panzer und Raketen investiert werden, bei Einhaltung der schwarzen Null, werden an anderer Stelle gestrichen – nämlich in den sowieso schon kaputtgesparten sozialen Bereichen. Der ekelhafte Zynismus eines FDP-Finanzministers zeigt das auch ganz unverblühmt.

Wir müssen für echten Frieden kämpfen: das bedeutet statt deutschem Imperialismus und Aufrüstung, eine zivile und vor allem soziale Zeitenwende vorantreiben, die mit diesem System eben nicht zu machen ist. Diese Kämpfe müssen wir führen!

Als junger und neuer Teil der Friedensbewegung wollen wir mit euch zusammen ganz selbstbewusst und offen in die aktuellen Kämpfe gehen: Lasst uns weiter in Bewegung kommen am Campus, in Kassel und überall!

Vielen Dank!

 

Chris Hüppmeier ist aktiv beim studentischen Arbeitskreis Zivilklausel an der Unu Kassel.