Redebeitrag für den Ostermarsch Rhein-Ruhr am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, liebe um den Frieden Besorgte,

Krieg ist zu verurteilen. Wir verurteilen diesen Krieg, wie wir unterschiedslos jeden Krieg verurteilen. Weil das so ist, verurteilen wir auch seine Verlängerung, seine phantasielose oder aber absichtsvolle Weiterführung.

Mit welchen Begründungen wird er weiter geführt?  Mit welchen Folgen?

Die Begründungen lauten, Russland wolle nicht verhandeln. Und: nur die Ukraine sei berechtigt, über Verhandlungen zu entscheiden.

Nun, im April letzten Jahres, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, standen die Ukraine und Russland kurz vor einer Einigung. Merkwürdig fast zeitgleich tagte die NATO und äußerte am Abschluss ihrer  Tagung, man wolle eine einheitliche Antwort auf die russische Aggression finden. Kein Wort zu den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen in Istanbul. - Merkwürdig auch die wenige Tage danach erfolgte Reise des damaligen britischen Premiers Boris Johnson zu Selenski. Ukrainische und britische Zeitungen berichteten, er habe Selenskij davon abgeraten, jetzt Friedensverhandlungen zu führen. – Keine Verhandlungen, solange die Ukraine nicht die Peitsche in der Hand hat wird er zitiert. – Man mochte das Frieden verhindernde Wirken der NATO in der hiesigen Presse nicht so gerne zugeben. – Aber es gibt einen weiteren Zeugen: Der ehemalige israelische Premier Naftali Benett hat die Verhandlungen in Istanbul mit verfolgt. Und vor Monaten den Westen benannt als den, der sie blockiert habe. Er, Benett,  habe das für falsch befunden.

Der Krieg wäre zu verhindern gewesen. Seine Vorzeichen reichen weit zurück. 2014 – 2014! Warnten 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur eindringlich vor einem Krieg mit Russland und forderten eine neue Entspannungspolitik. Dabei? Roman Herzog, Antje Vollmer, Wim Wenders, Gerhard Schröder. Die Initiative lag bei Horst Teltschik, ehemaliger Berater Helmut Kohls und zeitweiliger Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz. – Wahrlich keine 5. Kolonne Moskaus.

Im Dezember 2021 eine noch eindringlichere Warnung vor einem großen Krieg in Europa: Unter dem Titel Raus aus der Eskalationsspirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland warben am 5.12.2021 – also rund 10 Wochen vor Kriegsbeginn - knapp 30 Persönlichkeiten, darunter auffallend viele Militärs und der Friedensforscher Johannes Varwick für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland. Ihre einleitenden Worte In allergrößter Sorge lassen erkennen, dass sie sahen, was da drohend auf uns zukam.

Das im Gegensatz zu unserer Ampelregierung, die nicht nur diese und andere Hinweise auf die Gefährlichkeit der Situation ignorierte um in den Tagen nach dem 24. Februar zu beteuern, man sei in einer anderen Welt aufgewacht.

Nein, man hat diesen Krieg sehr wohl kommen sehen. Anders als vernünftige Konservative und Militärs, die ihre Aufgabe in der Kriegsvermeidung sehen, wollte man ihn nicht verhindern. Falken-Kräfte in der NATO – denn nicht alle NATO-Vertreter sind, wie wir sehen, Falken -   haben durch gewissenlose Aufrüstung der Ukraine diese zum künftigen Schlachtfeld gemacht.

Opfer ist die ukrainische Bevölkerung. Sie blutet, ihre Menschen sterben, ihre Familien verwaisen,  ihr Land wird zerstört. Opfer sind auch die russischen Soldaten, die in diesem Krieg ihr Leben lassen. Opfer sind auch die russischen Familien, die Söhne, Brüder, Väter verlieren.

Daher: Waffenstillstandsverhandlungen führen. Raus aus dem Krieg. Jeder bisherige Tote war zuviel. Jeder weitere Tote ist zuviel.

Die Behauptungen, Putin wolle nicht verhandeln sind angesichts der zum Scheitern gebrachten Verhandlungen in Istanbul, angesichts des Getreideabkommens, nicht gedeckt. Natürlich weiß niemand, wie sich die Verhandlungsbereitschaft Russlands aktuell darstellt. Aber wer Friedensinitiativen wie die kürzlich erfolgte aus China, unbeachtet vom Tisch wischt wie die deutsche Chefdiplomatin Baerbock, zeigt, dass  eben die eigene Seite an Friedensverhandlungen nicht interessiert ist.

Wir stehen hier, weil wir Krieg verabscheuen.

Wir stehen aber auch hier, weil auch unser Land in realer Gefahr ist.

Im Falle einer Ausweitung des Krieges befindet sich in Deutschland maßgebliche militärische amerikanische und NATO-Infrastruktur, die aktiviert würde, - und zum Ziel gegnerischer Angriffe würde. Das unterscheidet uns von selbständigeren Ländern wie Frankreich und von neutralen Ländern wie Österreich und der Schweiz, die solche Einrichtungen bei sich nicht zugelassen haben.

Es ist eine verständliche und in gewisser Weise gesunde Reaktion, wenn man sich in die militärischen Pläne und vorhandenen Strukturen nicht so tief reindenken will. Sie sind zu unsympathisch, die mit ihnen verbundenen Planungen zu gespenstisch. Aber, leider, diese Strukturen  durchziehen dieses Land – Deutschland - in großer Dichte: Atomwaffen in Büchel. Die Airbase Ramstein, ein Koordinationsort militärischer Aktionen und Verbrechen wie weltweiter Drohnenmorde. NATO-Hauptquartiere in Stuttgart und Ulm. Kommandozentralen für demnächst zu installierende Hyperschallraketen in Wiesbaden/Mainz. Das Zentrum Luftoperationen in Kalkar.  Und bei uns um die Ecke, in Dülmen,  eines der 4 amerikanischen militärischen Vorratslager in Europa, - deren beiden größte, - wo wohl ? -  beim treuen Verbündeten Deutschland untergebracht sind, das eine, wie gesagt, hier bei uns in die Ecke.

Deutschland kann im Kriegsfall nur um den Preis einer völligen Zerstörung verteidigt werden. Aber wir leben hier. Wir leben noch. Wir wollen leben. Unsere Kinder und Enkelkinder sollen leben. Ukrainerinnen und Ukrainer wollen und sollen  leben, Russinnen und Russen wollen und sollen leben.

 Für ein anderes Europa. Für eine andere Welt. Beides ist möglich. Erzwingen wir Schritte dahin. Jetzt.

 

Cornelia Wimmer ist aktiv beim Dortmunder Friedensforum.