Redebeitrag für den Ostermarsch in Hamburg am 10. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Der Krieg gegen die Ukraine zeigt, dass Atomwaffen keinen Frieden schaffen.
Sie erleichtern es Russland, einen grausamen Krieg zu führen und das Atomzeitalter war auch vorher schon kein Zeitalter des Friedens.

Die größten Atommächte, USA und die Sowjetunion, später Russland, waren und sind in zahlreiche Kriege verwickelt und Atomwaffen haben uns mehrfach an den Rand des Untergangs gebracht. Und trotzdem wird wieder aufgerüstet. Alle Atomwaffenstaaten investieren Milliarden in ihre Arsenale. Die in Rheinland-Pfalz stationierten Atomwaffen werden noch in diesem Jahr durch die modernsten Atomwaffen der USA, die B61-12 ersetzt, vielleicht sind sie sogar schon da. Putin hat die Stationierung von Atomwaffen in Belarus angekündigt. Ein neues atomares Wettrüsten in Europa hat längst begonnen.

Wir leben aber nicht nur im Zeitalter der Atombombe, sondern auch im Zeitalter der Friedensbewegung. Die Ostermarsch-Bewegung ist vor über 60 Jahren als Protest gegen den atomaren Wahnsinn entstanden. In dieser Tradition stehe ich heute hier.
Es ist wichtig, dass wir über die Ursachen des Kriegs in der Ukraine reden und die Mitverantwortung unserer Regierung benennen. Aber wir dürfen damit niemals einen Angriffskrieg erklären und dadurch automatisch rechtfertigen. Wir dürfen Mord, Vergewaltigung und Raub nicht als eine nachvollziehbare Reaktion darstellen, sondern müssen sie als die Verbrechen benennen, die sie sind. Deshalb ist es mir schwer gefallen, dem diesjährigen Aufruf des Hamburger Forums zum Ostermarsch zu folgen.
Ich bin aber dafür, miteinander zu sprechen, anstatt sich aus der Ferne anzuklagen und ich möchte Euch einladen, Euch wieder für den Ursprung der Ostermärsche zu begeistern: Die Forderung nach atomarer Abrüstung. Heute vielleicht dringender denn je.

Es ist dieser Forderung, die Millionen Menschen auf der ganzen Welt auf die Straßen gebracht hat und die den Boden bereitet hat für die ersten großen Abrüstungsverträge, denen Frieden und Entspannung gefolgt sind.

Ohne die unermüdlichen Proteste so vieler Menschen auf der ganzen Welt wären wir wahrscheinlich nicht mehr hier. Ohne die Mütter, die das weiße Haus umstellt haben, ohne die ÄrztInnen, die Radioaktivität in Kinderzähnen nachgewiesen hätten ohne all diejenigen, die bei jedem Wetter unermüdlich Infostände und Demos organisieren, hätten wir es nicht immer wieder geschafft, das Geflecht aus wirtschaftlichen Interessen, Angst und Feindbildern zu überwinden, davon bin ich überzeugt. Die Demos sind heute kleiner aber das humanitäre Argument wirkt unaufhaltsam weiter: Vor wenigen Jahren habe ich erlebt, wie eine kleine Gruppe AktivistInnen ICAN, die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen gegründet hat. Durch Aufklärung über humanitären Folgen von Atomwaffen haben sie es geschafft, dass die Mehrheit der Staaten in den Vereinten Nationen den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen hat. Was für eine Revolution. Getragen von den Ländern des globalen Südens und den blockfreien Staaten wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen demokratisch über Atomwaffen abgestimmt, ohne dass die Atommächte ein Veto einlegen konnten.

Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten sind dem Vertrag noch nicht beigetreten, aber der Druck wächst. Alleine 2021, im Jahr des Inkrafttretens des Atomwaffenverbots hat sich die Zahl der Finanzinstitute, die in Atomwaffen investieren, um über 50 verringert. In Deutschland ist es der Bewegung im letzten Jahr gelungen, dass die Bundesregierung als eines der ersten NATO Länder die Blockade gegenüber dem Atomwaffenverbotsvertrag aufgegeben und angekündigt hat, sich an der Hilfe für die Überlebenden von Atomwaffentests und an der Sanierung verseuchter Gebiete zu beteiligen.

139 Städte und Gemeinden und vier Bundesländer fordern bereits den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag, 651 Abgeordnete aus Bundestag, dem Europaparlament und Landesparlamenten haben sich verpflichtet, dafür zu arbeiten.
Helft uns, damit es immer mehr werden!

Kommt im Juli zum ICAN Protestcamp gegen die Aufrüstung und für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, dass dieses Jahr nahe Nörvenich bei Köln stattfindet. Denn dort, nur wenige Kilometer vom Hambacher Forst entfernt, sind seit letztem Jahr die Tornados stationiert, mit denen der Einsatz der Atomwaffen trainiert wird. Mit einem bunten Zukunftscamp wollen wir dort für Abrüstung und für echten Klimaschutz protestieren.

Lasst uns nicht gegeneinander, sondern gegen die Bombe kämpfen. Die Idee eines nuklearen Wettrüstens in Europa ist so wahnsinnig, dass wir nur gewinnen können. Und mit dem Abzug der Atomwaffen aus Deutschland bereiten wir den Weg für einen nachhaltigen Frieden.

 

Dr. med. Inga Blum ist Mitglied im Internationalen Vorstand der IPPNW.