Redebeitrag für den Ostermarsch Flensburg am 7. April 2023

 

- Sperrfrist: 7. April 2023, Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich möchte meinen Beitrag einleiten mit einem Zitat aus der Abschlusserklärung der ersten Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags vom 21. bis 23. Juni vergangenen Jahres. Darin heißt es:

„Weit davon entfernt, Frieden und Sicherheit zu bewahren, werden Atomwaffen als Instrumente der Politik eingesetzt, die mit Zwang, Einschüchterung und der Verschärfung von Spannungen verbunden sind. Dies zeigt mehr denn je den Irrtum der Doktrin der nuklearen Abschreckung, die auf der Androhung des tatsächlichen Einsatzes von Atomwaffen beruht und damit auf dem Risiko der Zerstörung unzähliger Menschenleben, Gesellschaften und Nationen sowie der Verursachung globaler katastrophaler Folgen. Wir bestehen daher darauf, dass bis zur vollständigen Abschaffung der Atomwaffen alle nuklear bewaffneten Staaten diese Waffen unter keinen Umständen einsetzen oder damit drohen.“

Angesichts dieser Notwendigkeit möchte ich mich der Frage zuzuwenden: Wer kann Atomwaffen abschaffen?

Ich denke, diese kolossale Menschheitsaufgabe kann einzig die weltweite Zivilgesellschaft lösen. Denn das Abschaffen der Atomwaffen geht von Menschen aus, die für Humanität eintreten, die sich mit anderen

verständigen und die dem Zynismus von Machtpolitik, Rohheit und Konkurrenz mit Hoffnung, Anteilnahme und Solidarität entgegentreten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Zeugnis der positiven Bedeutung der weltweiten Zivilgesellschaft. Er ist Resultat einer jahrzehntelangen internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Diese Kampagne wurde getragen von Überlebenden der Atomwaffeneinsätze, von Betroffenen der Atomwaffentests, von indigenen Völkern, von Friedensbewegten und Jugendgruppen, von Hilfsorganisationen, von Vertreter:innen von Religion, Medizin, Wissenschaft, Politik und Diplomatie.

Im Dezember 2017 wurde der Atomwaffenverbotsvertrag von 130 Staaten in der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossen. Er trat am 21. Januar 2021 in Kraft. Mittlerweile haben 92 Staaten den Vertrag unterzeichnet und 68 Staaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert.

2022 fand in Wien die erste Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag statt. Die 83 teilnehmenden Staaten beschäftigten sich mit der konkreten Ausgestaltung und Stärkung des Vertrags. Die Konferenz wurde damit zu einem bedeutenden Schritt zur Verwirklichung und Umsetzung des Vertrags.

Die zusammengekommenen Vertreter:innen der Vertragsstaaten brachten ihre feste Entschlossenheit zur vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen und ihre Freude über das In-Kraft-Treten des Vertrages zum Ausdruck. In der Abschlusserklärung betonten sie, „dass jeder Einsatz oder jede Androhung des Einsatzes von Kernwaffen eine Verletzung des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, darstellt.“ und sie verurteilten „unmissverständlich alle nuklearen Drohungen, ob explizit oder implizit und ungeachtet der Umstände.“ Die Universalisierung dieser Prinzipien stärkt das junge Völkerrecht und lässt es gedeihen.

Die Vertragsstaaten brachten ihr Bedauern zum Ausdruck über das Vorgehen einiger Kernwaffenstaaten, die nicht nuklear bewaffnete Staaten davon abhalten, dem Vertrag beizutreten. Sie schlugen vor, dass die Energie und  die Ressourcen dieser Staaten besser dafür eingesetzt werden sollten, konkrete Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung zu erzielen. Dies würde tatsächlich zu nachhaltigem Frieden, Sicherheit und Entwicklung für alle beitragen. Die Vertragsstaaten verabredeten die diplomatische Arbeit mit Nicht-Vertragsstaaten auf verschiedenen Wegen zu betreiben, um weitere Beitritte zu befördern.

Als weitere Vorhaben wurden verabredet, einerseits die internationale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zu stärken, um die Umsetzung der positiven Verpflichtungen dieses Vertrags voranzubringen und andererseits mit den betroffenen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten, um den Überlebenden der Atomwaffeneinsätze und der Atomwaffentests eine alters- und geschlechtsspezifische Hilfe ohne Diskriminierung zukommen zu lassen und die Umweltverseuchungen zu sanieren.

Bleibt die Frage: Was können wir tun?

Ich denke, die Ostermärsche sind bedeutend für das innenpolitische Ringen um eine zivile Politikwende in diesem Land – für Diplomatie, Völkerverständigung, Abrüstung und internationale Zusammenarbeit. Wir sollten uns dafür einsetzen, dass weitere Gemeinden, Städte und Bundesländer dem ICAN-Städteappell beitreten und Parlamentarier und Parlamentarierinnen die ICAN-Abgeordnetenerklärung unterzeichnen, um politisch voranzukommen, damit die Bundesrepublik Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt.

Außerdem ist es wichtig gegen die Beschaffung und Stationierung von neuen Atomwaffenträgersystemen, den F-35-Kampfbombern, entgegenzutreten. Dieses Vorhaben, die nukleare Teilhabe Deutschlands technisch zu verlängern, war wegen des erfolgreichen Widerstands aus Friedensbewegung, Kirchen und Gewerkschaften jahrelang in den Regierungsparteien nicht durchsetzbar.

Die Überrumpelung durch die sogenannte Zeitenwende muss rückgängig gemacht werden. Das erfordert unser aller politische Wühlarbeit. Und eine persönliche Schlussbemerkung sei mir gestattet: Tretet lieber in politische Parteien ein, von denen Ihr Eure Hoffnungen verletzt seht und versucht sie von innen zu verändern, anstatt immer neue Parteien zu gründen.

 

Jochen Rasch ist aktiv bei ICAN.