Redebeitrag für den Ostermarsch Heidelberg am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Das Motto des Ostermarsches 2023 in HD kann aktuell nur lauten:

Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg!

Auch im 2. Jahr der russischen Invasion in die Ukraine bleibt die Forderung:

Stoppt den Krieg in der Ukraine!

Oder müssen wir fragen:

Im Krieg den Frieden gewinnen?

Im Krieg den Frieden gewinnen – doch wie?

Der Eiserne Vorhang – einst ein Symbol zw. Ost und West – ist zurückgekehrt. Der aktuelle Eiserne Vorhang, die Grenze zwischen Russland und der Ukraine, ist jetzt ein Schlachtfeld, mit Schützengräben, Stacheldraht und Frontmeldungen - mit Tod, Verwüstung der Ukraine und immensem Leid für die Menschen in der Ukraine. Und Zehntausende tote Soldaten auf beiden Seiten!

Im Krieg den Frieden gewinnen?

Die westliche Debatte um den Krieg in der Ukraine dreht sich eindimensional um immer mehr Waffenlieferungen! Dazu 4 Stichworte:

  • 1. Es ist legitim, von dem Selbstverteidigungsrecht der Ukraine zu sprechen – doch westliche Waffenlieferungen sind ein „Ritt auf der Rasierklinge“! (Konfliktforscher Prof. Varwick)
  • 2. Die Gradwanderung zw. militärischer Unterstützung der Ukraine und der bisher erklärte Wille zum Nicht-Eintritt in den Krieg wird damit schrittweise problematischer – hier wird der Bereich der Nichtkriegsführung bereits unterminiert!
  • 3. Monatelang galten die Panzerlieferungen als unverantwortliche Eskalation, inzwischen gelten sie als sinnvolle Unterstützung der Ukraine.
  • 4. Denn immer weniger tabuisiert wird die Lieferung von Kampfjets, Kampfdrohnen oder Kriegsschiffen in die Ukraine, sie stehen für die permanente massive Aufrüstung und eine neue Qualität des Krieges.

Die bisherigen Waffenlieferungen haben den Krieg nicht gestoppt!

Im Gegenteil - sie tragen zu seiner Verlängerung und weiteren Brutalisierung bei! Ganz offensichtlich haben die Unterstützer:innen dieser Politik entschieden, den Konflikt vor allem auf dem Schlachtfeld zu gewinnen oder zumindest lang weiterführen zu wollen!

Dafür stehen

  • *die als Zeitenwende deklarierte permanente Aufrüstung Deutschlands und der EU, mit immer leistungsfähigeren und zusehend offensivtauglichem Kriegsgerät,
  • *die immense finanzielle Militärhilfe und Rüstungsetats,
  • *die Ausbildung Angehöriger ukrainischer Streitkräfte in Deutschland, z. B. in der Artillerieschule Idar-Oberstein.

Hinzu kommt:

  • *Für 200 Mio. plant der Rüstungskonzern Rheinmetall im Rahmen von Lizenzverträgen eine Panzerfabrik auf ukrainischem Boden – damit genehmigt die Bundesregierung eine schlüsselfertige Panzerfabrik im Ausland und gibt ihre Kontrollrechte für im Ausland produzierte Rüstungsgüter komplett ab!

Die Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen in die Ukraine und die damit verbundenen Gefahr der Eskalation betrifft nicht nur das Schlachtfeld, sondern auch den Diskurs in den beteiligten Gesellschaften, fokussiert auf fast nur noch militärische Optionen - anstatt Verhandlungswege auszuloten!

11 Forderungen aus der Friedensbewegung:

  • 1. Friedenslogik statt Kriegslogik! Ist das aktuelle Motto der Friedensbewegung.
  • 2. Die Kriegsdebatte, ja die Kriegsrhetorik geht in eine falsche Richtung – ein ziviles, nicht-militärisch geprägtes Politikverständnis muss den Diskurs dominieren!
  • 3. Dieser Krieg wird nur durch eine diplomatische Lösung beendet werden! Keine Seite wird Maximalforderungen durchsetzen können.
  • 4. Eine Forderung sollte z.B. sein, ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch zu kommen, d.h. die Ansprüche an den Status der Krim und der besetzten Gebiete im Osten der Ukraine nicht sofort ins Zentrum der Gespräche zu stellen.
  • 5. Notwendig ist der Fokus auf eine kluge, auf allen Ebenen und Kanälen einbeziehende und gewaltbeendende Krisendiplomatie, die den Kriegsparteien einen gesichtswahrenden Ausstieg aus dem Krieg ermöglicht!
  • 6. Sofortiger Waffenstillstand - Dialog braucht Raum ohne Raketendonner.
  • 7. Bereits jetzt muss über eine mögliche Ordnung nach dem Ende des Krieges nachgedacht werden - eine Gemeinsame Sicherheit mit Russland und der Ukraine – ein Denkraum für weitere gemeinsame Friedensentfaltung muss entwickelt werden (z. B. Antworten auf Fragen der NATO-Osterweiterung und des Status der Krim) plus Strategien einer Zivilen Konfliktbearbeitung.
  • 8. Umdenken ist angesagt! Es geht um die Unterstützung der neuen Kampagne „WoW – Wehrhaft ohne Waffen!“ Es geht darum das Konzept der Sozialen Verteidigung als ernstzunehmenden Alternative in der sicherheitspolitischen Diskussion bekannt zu machen.
  • 9. Vollständige nukleare Abrüstung, d.h. auch Abzug der US-Atomwaffen in Büchel! Appell an die Bundesregierung, endlich den Atomwaffenverbots-vertrag zu unterzeichnen!
  • 10. Es muss gewährleistet sein, dass die internationale Gemeinschaft einen dauerhaften, sicheren und auch würdigen Aufenthalt für Deserteure und KDVer gewährleistet, auch in Deutschland. Das Recht auf Asyl für Deserteure muss ins Grundgesetz.
  • 11. Zu guter Letzt einen Blick auf die Straße:
    Die Organisierung einer radikalen, aktionsorientierten Protestpolitik auf der Straße gegen die militarisierte Zeitenwende mit ihrer immensen Aufrüstung sowie in Solidarität mit der Klimabewegung gegen militärisch bedingte CO2-Emissionen: Bundesweit parallele Demonstrationen, massenhaften Zivilen Ungehorsam, z. B. mit Sitzblockaden vor Rüstungskonzernen, dem Bundestag sowie vor kommunalen Rathäusern.

Zum Schluss kann ich nur wiederholen:

Dringend notwendig ist ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine mit dem Ziel der Verhandlungen.

Es geht weder um Gewinnen noch um Verlieren – sondern um die Beendigung des Krieges!(!)

Es geht darum, den Frieden zu gewinnen!

Vielen Dank.

 

Renate Wanie ist Mitglied im Heidelberger Friedensratschlag, Friedensbündnis Heidelberg und ist freie Mitarbeiterin der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden.