Redebeitrag für den Ostermarsch Mainz am 8. April 2023

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Mainzerinnen und Mainzer,
die ihr euch alle engagiert für eine friedliche Welt im Rahmen eurer persönlichen Kräfte natürlich. Wir, Ärzte und Ärztinnen von der IPPNW internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs, hatten uns in den siebziger Jahren in der damaligen Friedensbewegung getroffen und als Konsequenz für unsere Berufsgruppe, unter anderem, die Gründung einer ärztlichen Organisation über alle Grenzen hinweg hingekriegt. Na gut, da kommt das Wort „Krieg“ vor, so war das nicht gemeint. Auch über den eisernen Vorhang hinweg an der Spitze zwei international hoch angesehene Kardiologen aus den USA und der damaligen Sowjetunion. Das war damals schon skandalös im kalten Krieg, erweckte Aufmerksamkeit in den Bevölkerungen auf beiden Seiten der Mauer.

Folgerichtig bekamen wir dann 1985 auch den Friedensnobelpreis. Auch der damalige Oberbürgermeister von Mainz ehrte uns mit einem offiziellen Empfang in der Rheingoldhalle, unsere Zentrale der IPPNW saß damals nicht etwa in Bonn oder Berlin, sondern in Heidesheim hier bei Mainz. Später trat die Stadt Mainz auch im Bündnis Mayors vor Peace - Bürgermeister für den Frieden - bei. Spätestens nach Hiroshima und Nagasaki war klar, welche Menschheit- und Naturvernichtende Kraft von einem Atomkrieg ausgeht, erst recht, wenn beide Seiten Atomwaffen einsetzen würden, nicht nur die USA. Deshalb auch unsere auch heute noch aufrüttelnden Parolen: „Wr  erden euch nicht helfen können“ und „Die lebenden (nämlich Überlebenden) werden die toten beneiden“. Heute nach Tschernobyl und spätestens nach Fukushima - Ohne Kriegsbezug wissen wir „eigentlich“, dass auch im Frieden Menschheit- und Umweltauslöschende Folgen entstehen können.

Deshalb setzen wir uns gegen militärische Nutzung von Atomkraft ein. Wir hören halt auf die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima. Deshalb beteiligen wir uns auch regelmäßig an entsprechenden Öffentlichkeitsaktionen, wie zuletzt am 11. März auf dem Gutenberg-Platz, (Danke an alle von euch, die dabei waren), und am 26. April von Tschernobyl, am 8. Juli bei den Mayors for Peace und am 6. und 8. August von Hiroshima und Nagasaki. Herzliche Einladung an euch alle mitzumachen! Alles was friedlich Grenzen überwindet kann helfen: Denkt z.B. an euren Sportverein, Kultur- und Berufsverbände, Städtepartnerschaften, internationale Forschungseinheiten ,zum Beispiel für Impfstoffe, Anti Rassismus Projekte, Menschenrechtsorganisationen. Kontraproduktiv dagegen zum Beispiel grenznahe Drohmanöver wie bei der NATO oder Drohungen mit Atomwaffeneinsatz wie durch Putin oder Werbung in Schulen für das Militär, Militärwerbung auf Straßenbahnen undPlakatsäulen, wie auch hier in Mainz. Gleichzeitig aber keine Friedensschulung in unseren Schulen. Da fehlen doch die meisten Lehrerinnen! Auch eine breite demokratische Diskussionskultur beginnend in den Familien, in Kitas, Schulen, Universitäten, in Firmen, im Parlament und in allen Parteien, in Vereinen, in Berufsverbänden, in allen öffentlichen Diskussionsforen, sei’s im Saal, im Netz oder auf der Straße, zum Beispiel hier, und dann weiter noch im EU Parlament der UNO mit ihren unterverbänden. Dabei könnte dann auch eher die Einhaltung schon längst geschlossener Verträge öffentlich überwacht werden: zum Beispiel das Atomwaffeneinsatzverbot, der Atomwaffenverbotsvertrag, der Lieferexportvertrag an totalitäre Regimes, da können dann auch endlich die illegalen Umgehungswege verschlossen werden. Bisher werden übrigens mit guten Profiten für die Rüstungsfirmen auch aus Deutschland Einzelteile für Waffensysteme an nicht sanktionierte Länder geliefert, die dann in den sanktionierten Ländern wieder zusammengebaut werden. Wir Deutschen bieten hier auch noch andere üble Beispiele: zum Beispiel Büchel und Ramstein hier in Rheinland-Pfalz direkt vor unserer Tür für die Militärpolitik der USA und das nach Hiroshima, Nagasaki oder in Kuba, in Vietnam in Afghanistan, im Irak und jetzt vom 12. bis 23. Juni DEFENDER 23.

Das größte bisher geplante Luftwaffenmanöver, hauptsächlich in Deutschland, mit 220 Flugzeugen aus 24 Ländern. Allein die USA mit 2000 Soldaten und 100 Flugzeugen! Nach dem Nordatlantikvertrag Art. 5 ist die NATO eigentlich ein „absolut defensives“ Bündnis und dann Defender 23 mit riesigen Truppen Verlegungen, Luftraumsperrungen ,vor den nördlichen Sommerferien natürlich, eine Energieressourcenverschwendung bei  Truppenverlegungen um die halbe Welt, Lärmkorridoren, Umweltzerstörung... Und dann: Die Kosten in Zeiten von Inflation Wirtschaftseinbrüchen, Bankenkrisen, Familien-, Frauen-, Kinder- und RentnerInnenarmut, seit Jahrzehnten mangelnden Investitionen in wichtige zivile Infrastruktur. und welches Geld fließt eigentlich in Maßnahmen für einen schnellstmöglichen Waffenstillstand in der Ukraine und in einen Verhandlungsfrieden mit Einbeziehung von Vermittlern: internationalen Institutionen, neutralen Staaten, humanitären Institutionen, Hilfen für Kriegsdienstverweigerer aller sich im Krieg befindlichen Staaten ? Das Ungleichgewicht zwischen den
militärischen und den zivilen Ausgaben ist riesig. Und Deutschland? Immerhin Erstentwickler von Atomwaffen im zweiten Weltkrieg und später in den USA, 75% des Urans für die sowjetischen Waffen aus der DDR. Also wir haben eine Mitverantwortung für die NATO Atomwaffenpolitik: Büchel, Ramstein, DEFENDER23...68 Staaten auf der Welt unterzeichneten bisher den Atomwaffenverbotsvertrag. Wir Deutschen aber nur mit Beobachterstatus. Aber wir, die wir heute hier sind, wollen auf die Überlebenden hören, Zeichen setzen für Deeskalation und Frieden, Verhandlungsfrieden, nicht Siegfrieden ! Weitermachen. Junge Leute mit ihren anderen Aktions und Kommunikationsformen. Von denen können wir lernen und sie von uns. Gemeinsam stärker werden in unserer Arbeit für dauerhaften Frieden bitte macht alle weiter mit!

Euer IPPNW.

 

Dr. Ute Wellstein ist aktiv bei der IPPNW.