6x jährlich informiert unsere Zeitschrift, das FriedensForum, über Aktionen und Kampagnen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu.
Redebeitrag für den Ostermarsch in Weiden am 8. April 2023
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Leute hier auf den Ostermarsch,
ihr seid in den letzten Monaten ja allesamt schwer beschimpft worden.
Lumpenpazifisten, Zyniker und Empathielose seid ihr genannt worden, als naiv und senil hingestellt und was weis ich noch alles. Auf die gut begründeten Argumente der Friedensbewegung ist kaum eingegangen worden. Seid stolz auf die Beschimpfungen und die Ignoranz der Bellizisten! Denn sie zeigt nur eins: ihnen sind die Argumente ausgegangen. Ihr Glück ist nur, daß die Massenmedien zu ihnen halten. Trotzdem ist es ihnen noch nicht gelungen, eine breite Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland hinter ihren Kriegskurs zu bringen. Über vieles könnte ich heute sprechen, über Vorgeschichte, Scheinheiligkeiten, Selbstdarstellungen und Interessenslagen. Ihr habt ja wohl Zeit bis 17 Uhr (20.00 Uhr) , oder? Ich bleibe dann doch bei den neueren Sachen.
Ein kurzer, militärischer Blick auf die Ukraine. Nur mit Hilfe westlicher
Waffenlieferungen und Training sowie westlichem Militärgerät konnte die ukr. Armee überhaupt gegen die russische bestehen. Und das auch nur, weil die russische Armee grottenschlecht vorbereitet mit einer Lachnummer von militärischer Strategie die Ukraine überfallen hat. Um die besetzten Gebiete jetzt militärisch zurückerobern zu können, bräuchte die Ukraine jedoch eine dreifache Überlegenheit. Die hat sie nicht, sie ist ausgezehrt, sie ist erschöpft. Sie braucht modernstes westliches Militärgerät, um überhaupt diesen Sommer noch überstehen zu können. Ja, es ist möglich, die besetzten Gebiete in der Ukraine militärisch zu befreien. In drei bis 5
Jahren ist das zu schaffen, auch wenn die ganze Gegend dann völlig zerstört, entvölkert und verseucht ist. Für viele unserer neuen ukrainischen Mitbürger wird sich ernsthaft die Frage stellen, wie sie in einer solch zerstörten Heimat je wieder leben können.
Für die wenige jetzt noch verbliebene Bevölkerung in den besetzen Gebieten würde das noch jahrelang ein Leben in existenzieller Not unter ständigem Beschuss heißen.
Für die deportierten Ukrainer eine jahrelange Unsicherheit in Russland. Für die entführten ukr. Kinder wird die Ukr. zur verschwommenen Kindheitserinnerung. Den Angehörigen der Opfer von Kriegsverbrechen wird genauso lange die rechtliche Verfolgung der Täter vorenthalten.
Ist d a s Solidarität mit den UkrainnerInnen? Ist d a s Mitgefühl mit den Ukrainern?
Nein, herzlos ist es von denjenigen, die lieber jahrelang Krieg führen wollen statt sich mühsam auf die Suche nach einer winzigen diplomatischen Chance für eine Verhandlung zu machen. Der außenpolitische Berater des brasilianischen Präsidenten berichtet kürzlich nach seiner Moskau-Reise, die Tür zu Verhandlungen stehe nicht weit offen, aber ganz zugeschlagen wäre sie auch nicht. Frau Baerbock sieht dagegen gar keine Chance auf Gespräche. Tja, da sollten wir Lula doch mal fragen, ob er uns nicht einen Leiharbeiter schicken kann, wenn der anscheinend qualifizierter ist als unsere deutsche Außenministerin.
Hier werden nun die Bellizisten wieder schreien, ich würde gewaltsamen Landraub tolerieren und den Russen einen Teil der Ukraine in den Rachen werfen. Sie irren sich, aber zuhören ist eine Gabe, die ihr hier habt, nicht die Kriegsschreier. Wieso bedeuten Waffenstillstandsverhandlungen, daß die russische Armee sich auf ewig und drei Tage in der Ukraine festsetzen darf? Wieso bedeutet das In-Aussicht-Stellen von Sanktionslockerungen, daß die Kriegsverbrechen von Buchta nicht mehr untersucht werden? Warum sollte die Stationierung von UNO-Blauhelmen, KSZE-Beobachtern oder Ähnlichem der Rückkehr der entführten Kinder entgegenstehen?
Das Saarland ist erst 5 Jahre nach damaligem Kriegsende zur BR Deutschland gekommen. Die beiden dt. Staaten haben sich erst nach 40 Jahren wieder vereinigen können. Aber in beiden Fällen ist in diesen Jahren kein Mensch durch Kriegsgerät umgebracht worden. Das Unrecht des russischen Überfalls auf die Ukraine dagegen soll am besten in drei Wochen gesühnt werden??? Rechtfertigt ein eventuell schnelleres Ende eines Unrechts den Tod von zig-tausenden Menschen und die völlige Zerstörung ihrer Heimat? Das Apartheid-Unrecht in Südafrika wurde nicht
durch einen Bürgerkrieg beendet, sondern durch die Gesprächsbereitschaft des Machthabers mit seinem eingekerkerten Gegner. Die Troubles in Nordirland endeten nicht durch die militärische Überlegenheit einer Konfliktpartei, sondern durch mutige Gesprächsbereitschaft, heimlich, hinter dem Rücken der eigenen Kämpfer. Und die zehntausenden Demonstranten der DDR erreichten die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ohne eine einzige Kugel. Zivile Sicherheit ist und bleibt effektiver als jede Armee.
Es ist ja nicht so, daß die ukrainische Regierung den Wert von sozialer Verteidigung nicht kennen würde.
Auf ihrer Homepage: https://sprotyv.mod.gov.ua/en/news-2/
haben sie ja ein Handbuch für „Bürgerwiderstand“ veröffentlicht, das in weiten Teilen nichts anderes ist als sozialer Widerstand. Zwei Fehler machen diesen Bürgerwiderstand aber wertlos: Soziale Verteidigung darf nicht in militärischen Aktionen eingebunden sein. Und: Bürgerwiderstand muß man in Friedenszeiten einüben, auch hier ist kein Meister vom Himmel gefallen.
Meine einzige Hoffnung auf ein schnelleres Ende des Krieges wäre ein Zusammenbrechen der russischen Armee. Nicht sehr wahrscheinlich, aber eine versierte Chefdiplomatin könnte ja etwas nachhelfen. Eine Armee ohne Kanonenfutter wäre schließlich nicht existent. Wie wäre es den mit einer Desertationsprämie? Einen Tausender für's Fersengeld? Statt 10 Panzer zu liefern, könnten wir dann gut 50.000 russische Soldaten vorm Schlachtfeld retten. Was wohl effektiver wäre? Nicht nur gedacht, auch getan, ich schrieb also meine örtliche Bundestagsabgeordnete einer Ampelpartei dazu an. Ihre Antwort, haltet euch fest: es könnte ja einer der Deserteure evt. doch noch für Putin spionieren. Also geht gar nicht. Erinnert euch doch mal an den Fall der verschwundenen 13jährigen Lisa
vor etwa 10 Jahren. Wie mit einem Fingerschnipp der russische gesteuerten Medien 100.000 Russischstämmige in Berlin demonstriert hatten. Und da macht sich Frau Schieder Sorgen um eventuelle Spione unter den Deserteuren. So kann man Potentiale natürlich auch verschenken.
100 Mrd hat Deutschland der Krieg in der Ukraine in 2022 ungefähr gekostet. 100 Mrd sind ins Bundeswehr-Sondervermögen, der Rheinmetallchef sagt - zu Recht - für alle geplanten Rüstungsvorhaben reicht das hinten und vorne nicht, nochmal 200 Mrd sind nötig. Der reguläre BW-Haushalt soll auf gut 100 Mrd steigen. Das sind zusammen 500 Mrd in den nächsten Jahren, das ist gut ein kompletter Bundeshaushalt für ein Jahr. Irgendwo muß dann auch gespart werden. Paus bekommt kein Geld für die Kindergrundsicherung, in der Forschung ist das Geld schon verknappt worden. Eigentlich hat sich die Ampelkoalition vorgenommen,
Digitales, Bildung, Pflege und Gesundheit auf Vordermann zu bringen.
Und, war da früher nicht noch was mit Energie- und Mobilitätswende??? Laut unseren Bellizisten kämpft die Ukraine zwar nicht in einem Stellvertreterkrieg, sondern um ihre Freiheit und stellvertretend für uns auch für unsere westlichen Werte. Kleiner Tipp an die ukr. Regierung: erkundigt euch mal bei den Afghanen, die die Drecksarbeit für die US-JoyStick-Soldaten beim Krieg gegen die Taliban gemacht haben. Oder jenen Kurden, die das selbe beim Krieg gegen den IS / Dash erlebt
haben. Vielleicht doch noch mal überlegen?
Willi Rester ist tätig beim DFG-VK Oberpfalz.