Redebeitrag für den Ostermarsch Berlin am 30. März 2024

 

- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca. 16 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Ukrainekrieg und Gazakrieg

 

In beiden großen Kriegen spielt Deutschland eine desaströse Rolle:

Im UKRAINEKRIEG hat die Ampelregierung mit ihrem Antrag vom 22.02.24 den Bundestag zu einem Beschluss gebracht, der Charakterzüge einer Kriegs­erklärung gegen Russland trägt. Der Weg in den 3. Weltkrieg ist so geebnet.

Und im PALÄSTINAKRIEG steht sie im dringenden Verdacht, einen Völker­mord zu unter­stützen – wegen Verdacht auf Völkermord ermittelt bekannt­lich der IGH in Den Haag bereits. Und wegen Beihilfe dazu liegt dort seit dem 01.03.24 eine Klage gegen Deutsch­land vor.

In beiden Kriegen gäbe es eine ALTERNATIVE: Endlich substantielle Verhand­lun­gen zur Lösung der zugrundeliegenden Konflikte anzustoßen. Wegen sei­nes Gewichts in Europa käme Deutschland dabei eine Schlüsselrolle zu.

 

Liebe Anwesende,

als Mitglied der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) bedanke ich mich sehr für die Ein­ladung zum heutigen Ostermarsch hier in Berlin, für seine Organisierung und für die exzellenten Beiträge meiner Vorredner*innen! Die mir helfen, die folgenden beiden Thesen zu untermau­ern:

  • 1. dass die Bundesregierung bisher in BEIDEN Kriegen eine äußerst negative Rolle spielt – und damit nicht nur den direkt betroffenen Völkern schadet, sondern auch UNSER EIGENES LAND vital gefährdet.
  • 2. dass Deutschland zugleich eine Schlüsselrolle bei der Rettung vieler Men­schenleben und bei der Abwendung einer katastrophalen weiteren Eskala­tion spielen könn­te – wofür der Bundeskanzler freilich nicht nur taktieren, sondern ein NEUES DENKEN wagen müsste. Besonders aggressives Personal (wie etwa im AA) müsste er hierzu in den Griff kriegen – oder auswechseln (so wie in den USA gerade Victoria Nuland abbe­rufen wurde).

Zum Ukrainekrieg und der Rolle Deutschlands darin:

Im eingangs erwähnten Beschluss des Deutschen Bundestages heißt es in Teil II, Absatz 3: „…, dies beinhaltet die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weit­rei­chenden Waffensystemen und Munition, um die Ukraine (…) in die Lage zu ver­setzten, völkerrechts­konforme[?], gezielte Angriffe auf strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich des rus­sischen Aggressors zu ermöglichen …“.1

Bei Umsetzung ist das eine Eintrittskarte in den 3. Weltkrieg. Auch der ganze übrige Text liest sich wie eine Kriegserklärung an Russland. (Der ab­gelehnte Unions-Antrags bzgl. Taurus täuscht darüber hinweg, dass der Ampel-Antrag die Lieferung dieser extrem gefähr­lichen Waffe keineswegs ausschließt – er vermeidet nur ihre explizite Nennung.)

 

Gut, ein Bundestagsbeschluss ist nicht Regierungshan­deln. Aber führen Sie sich bitte vor Augen: Der Bundestag wurde mehrheit­lich dazu ge­bracht zu fordern, DEN KRIEG NACH RUSS­LAND ZU TRAGEN.

VON DEUTSCH­LAND AUS. Mit dem Ziel eines Sieges über Russ­land. Kommt Ihnen das aus der Ge­schichte irgendwie bekannt vor?

Eine Idee einzelner Hasardeu­re wie Herr Kiesewetter oder Frau Strack-Zimmer­mann? Nein, diese Beschluss­vorlage erfolgte im Namen der gesamten Ampel!

Da ich als IPPNW-Mitglied zu dieser Rede gebeten wurde, ist es meine Pflicht, Ihnen zu sagen: DAMIT RISKIERT DEUTSCHLAND DIE AUSLÖ­SUNG EINES ATOM­KRIEGES. Deutsche Hybris? Ignoranz? Ich bin jedenfalls nicht sicher, ob sich die Autor*innen des Antrags die Mühe gemacht hatten, einmal einen Blick in die aktuelle russische Nuklearstrategie zu wer­fen. Dort sind 4 Gründe genannt, die zum Einsatz von Atom­waffen führen können. Gleich als erstes heißt es da (zitiert aus dem >Bulletin of the Atomic Scien­tists< von März 2024):

„a. Das Eintreffen verlässlicher Daten über die In-Marsch-Setzung ballistischer Flugkörper, die das Territorium der Russischen Föderation und/oder ihrer Verbündeten angreifen.“2

Das Bulletin, eine in den USA erscheinende berühmte Fachzeitschrift unter­hält die „Dooms­day Clock“ (Weltuntergangs-Uhr). Sie steht nicht auf 5 vor 12.

Nein, sie wurde inzwischen auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt…

Aber selbst wenn Russland einen Angriff mit „weitreichenden“ deutschen Waf­fen auf zentrale strategische Ziele nicht primär nuklear beantwortet:

Was, glauben Sie, passiert, wenn es mit einem konventionel­len Militärschlag gegen Ziele in Deutschland reagiert? Es greift dann der NATO-Ver­trag mit seinen Algorithmen – und inzwi­schen auch pfeilschneller „künstlicher In­tel­li­genz“. Wie wollen Sie den Weltkrieg dann noch abwenden? Da zwischen Atom­mächten ausge­tragen, wird er der letzte aller Weltkriege sein.

Alarmismus, da wenig wahrscheinlich? Nein, liebe Kiesewet­ters, Strack-Zimmer­manns und Baerbocks: Risiko beruht nicht nur auf Wahr­schein­lich­keit – auch die Höhe des drohenden Schadens zählt. Er ist apokalyptisch. Und unumkehrbar.

Zudem fehlen heute auf beiden Seiten Persönlichkeiten wie Kennedy oder Chruschtschow, wie sie die Welt in der Kubakrise hatte...

Wir Ärzt*innen werden Ihnen jedenfalls dann nicht mehr helfen können:

Schon 1945 in Hiroshima nach Zündung der US-Atombombe „Little Boy“ mit „nur“ 15 Kilotonnen Sprengkraft überlebten dies gerade 28 von fast 300 Ärzt­*­in­nen in der Stadt. Heute stehen sich weltweit etwa 12.000 Atomwaffen gegen­über, etliche davon mit einer Sprengkraft von Megatonnen.

Auf Ihre Frage „MUSS das so kommen?“ ist meine Antwort: „Nein!“

Schon im März/April 2022, wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch, gab es in Istan­bul ja einen unterschriftsreifen – bereits paraphierten – Vertrag für einen Kom­pro­missfrie­den. Kern der Lösung war: Eine neutrale Ukraine.

Es war der Westen, der das verhinderte und Selenskyj dazu brachte, stattdes­sen den Krieg zu eskalieren. Zum Schaden aller ­­– ganz besonders der Ukraine!

Trotzdem wären auch heute Verhandlungen möglich. Deren Anbahnung frei­lich mit jedem weiteren Monat, jedem weiteren Eskalationsschritt und jeder weite­ren Zusage, die Ukraine schnellst-möglich in die NATO aufzunehmen, immer schwieriger wird...

Daher meine 3 Hauptforderung als ARZT an Bundeskanzler Scholz:

  • 1. Tun Sie es nicht – liefern Sie keine „weitreichenden Waffen“ in diesen Krieg!
  • 2. Stoppen Sie den Wahnsinn, den Krieg nach Russland zu tragen! Einen Krieg zwischen Atommächten kann NIEMAND gewinnen – VERHÜTEN Sie ihn! Der Anstoß zu einem erneuten – dann letzten – Weltkrieg darf NICHT WIEDER von Deutschland ausgehen! Weder direkt noch mit Tricks („Ringtausch“ o.ä.).
  • 3. Wenn Sie es selbst nicht schaffen sollten, einen Anstoß für Verhand­lungen zu formulieren – obwohl es schon exzellente Vorlagen dafür gibt wie etwa den o.g. Vertrag von Istanbul oder den im August 2023 von Top-Experten wie Harald Kujat und Horst Teltschik vorge­leg­­ten Vor­schlag „Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden“3 – holen Sie sich Hilfe aus China! Dessen 12-Punkte-Konzept von Februar 2023 (China’s Position on the Political Settle­ment of the Ukraine Crisis) ist weiter hoch-aktuell.4

Aber bitte tun Sie endlich etwas, in Richtung Deeskalation! Ein reines Einfrieren wäre zwar immer noch besser als weitere Eskalation, würde diesen extrem ge­fährlichen Konflikt in Europa aber auf unbestimmte Zeit perpetuie­ren.

Und stoppen Sie die Hasardeur*innen – auch die in Ihren eigenen Reihen!

Den zweiten neuen großen Krieg, den Gazakrieg, darf ich hier nicht unerwähnt lassen. Der Zeit­rahmen erlaubt aber nur die Nennung meiner 4 Forderungen –

an die Bundes­regie­rung und an Bundeskanzler Scholz:

  • 1. Was muss noch passieren nach der IGH-Anklage wegen Völkermord, der Kla­ge gegen Deutschland wegen Beteiligung daran und der Forderung des Welt­sicher­heitsrats nach Waffenruhe, bevor Sie handeln? Stoppen Sie sofort Ihre (ver10fachten!) Waffenlieferungen in den Massenmord an der Bevölkerung!
  • 2. Und beenden Sie SOFORT Ihre Beteiligung an der Belagerung von Gaza – neh­men Sie umgehend die deutschen Zah­lungen an die UNRWA wieder auf!
  • 3. Setzen Sie ein Signal, dass auch in diesem Konflikt nur ernsthafte VERHAND­LUN­­­GEN die Logik der Gewalt durchbrechen können: Erkennen Sie endlich, wie schon 138 andere Staaten der Vereinten Nationen, Palästina diploma­tisch an! – Nein, diese Forderung ist NICHT anti-israe­lisch, im Gegenteil: Sie ist pro-Völkerrecht, pro-Frieden – sie ist Voraus­setzung FÜR ein ge­ord­netes und gewaltfreies Zusam­menleben ALLER dort lebenden Menschen!
  • 4. Und ziehen Sie dann die deutschen Kriegsschiffe aus dem Roten Meer ab – ein valider Friedenprozess in Palästina wird die Gewalt auch dort be­enden!

Eine weitere Forderung muss ich nach dem gerade von Frau Prof. Reisin von der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden“ Gehörten ergänzen, an die Berliner Sparkasse:

  • 5. Schämen Sie sich für die Sperrung eines jüdischen Kontos in Deutschland und die damit einhergehende Quasi-Beschlagnahmung jüdischer Gelder! Heben Sie die Sperrung um­gehend und bedingungslos auf!

Für Ihre/Eure Teilnahme und Aufmerksamkeit danke ich Ihnen allen!

Und wünsche mir von Ostern ein Signal für das Leben, gegen Gewalt und Tod!

 

Christoph Krämer ist aktiv bei der IPPNW.

 

Anmerkungen: