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Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 BaWü in Stuttgart am 30 März 2024
- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca. 11 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Friedensbewegte, liebe NaturFreund*innen,
ich begrüße Euch beim heutigen Auftakt unserer diesjährigen Stuttgarter Ostermarsch-Aktivitäten mit friedlichen Ostergrüßen und unserem NaturFreunde Gruß Berg Frei!
Seit über zwei Jahren tobt in der Ukraine ein furchtbarer Krieg, seit nun fast einem halben Jahr dasselbe im Gazakrieg, weltweit gibt es Dutzende weiterer bewaffneter Konflikte. Überall sterben Unschuldige, fallen Dörfer, Städte und ganze Landstriche der sinnlosen Zerstörung anheim und werden unbewohnbar.
Auch heute, 65 Jahre nachdem die hessische NaturFreundeJugend 1959 den ersten Ostermarsch veranstaltete, sind Ostermärsche leider nach wie vor notwendig im wahrsten Sinne des Wortes, heute leider sogar notwendiger denn je zumindest seit dem Ende des sogenannten „Kalten Krieges“. Als Friedensbewegte sind wir auch heute, 65 Jahre danach, unseren hessischen Vordenkern immer noch dankbar für die Idee der Ostermärsche. Angefangen hatte alles ganz klein – im Jahr 1959 mit einem 20-Kilometer-Marsch nach Offenbach. Der Protest richtete sich gegen die geplante Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. 1961 folgte der erste große Marsch von Miltenberg nach Frankfurt und im Jahr 1962 von Gießen nach Frankfurt – jetzt schon vier Tage lang. Bundesweit kamen damals 50.000 Menschen zusammen. Soweit ein kurzer Rückblick zum 65. Jubiläum der Ostermärsche.
Dass wir heute hier vor dem EUCOM, dem Europa Kommando der US Streitkräfte in Europa stehen, hat gute Gründe. Für uns Friedensbewegte gilt, wie wir dies auch im Aufruf zum diesjährigen Ostermarsch formuliert haben: „Wer den Frieden will, bereite den Frieden vor.“ Militärs, sei es nun Deutsche Bundeswehr, US Militär oder Russlands Armee, ziehen es dagegen vor, „kriegstüchtig“ zu werden und sich auf den Tod Tausender meist unschuldiger Menschen und die Zerstörung von Dörfern, Städten und ganzen Landschaften vorzubereiten. Dieser Irrsinn muss ein ende haben! Wir wollen an die Stelle der Kriegslogik die Logik einer friedlichen Welt setzen. Vor dem US EUCOM formulieren wir heute also stellvertretend für sämtliche militärischen Einrichtungen dieser Einen Welt unseren Protest gegen den Kriegswahnsinn. Bereits 1982 fand eine große Blockade vor dem Eingangstor des Eucom statt, von 1990 bis 1997 gab es übrigens unter dem Motto vom „Todesland zum Lebensland“ große Kundgebungen vor dem EUCOM für die Konversion des Gebietes.
Es gibt aber auch noch weitere, sehr spezielle Gründe, warum wir hier vor dem US EUCOM richtig stehen. Das EUCOM koordinierte die Bombenangriffe gegen den Irak 1991 und 1998, die Luftkriege gegen Serbien 1999 und Libyen 1986 und den globalen Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan und anderswo. Das EUCOM ist weiterhin zuständig für den Ausbau der NATO-Raketenabwehr und den Patriot-Einsatz in der Türkei, an dem die Bundeswehr und die US-Armee teilnehmen. Jedes Jahr richtet das EUCOM die weltweit größte Cyberkrieg-Übung „Combined Endeavor“ aus, an der über 1.400 Militärs aus über 40 Ländern teilnehmen. Zudem werden jährlich über 100 weitere Militärübungen und Ausbildungsprogramme mit zahlreichen Ländern vor allem Osteuropas koordiniert. Vom EUCOM werden schließlich auch die verbliebenen US-Atomwaffen in Europa, etwa die in Büchel/Rheinland-Pfalz, befehligt. Auf dem EUCOM-Gelände in Vaihingen hat das NSA-Europabüro seinen Sitz.
Neben dem EUCOM gibt’s in unserer schönen Stadt Stuttgart mit dem AFRICOM, dem Afrika Kommando der US Streitkräfte ja noch eine zweite bedeutende US Militäreinrichtung, die 2008 aus dem EUCOM ausgegliedert wurde. Für alle US-Militäroperationen und US-Militärbasen in Afrika (außer Ägypten) ist das AFRICOM verantwortlich. Auch die NSA und die militärischen US-Spezialkräfte JSOC haben Abteilungen im AFRICOM stationiert. Durch die Arbeit der investigativen JournalistInnen Christian Fuchs und John Goetz wurde bekannt, dass eine AFRICOM-Aufgabe darin besteht, Ziele für Drohnenangriffe zu „nominieren“: Gebäude, Brücken oder Menschen. Und im AFRICOM werden auch ganz konkret tödliche Kriegshandlungen mittels von Stuttgart aus gesteuerten tödlichen Drohnenangriffen ausgeführt: Offiziell bekämpft das US-Militär z.B. in Somalia die militante Al-Shabaab-Miliz. Doch viele Opfer sind Zivilisten in abgelegenen Dörfer, für die sich kaum jemand interessiert. Amnesty International berichtet von 32 Zivilisten, die in den letzten drei Jahren getötet oder verletzt wurden.
Es ist ein Skandal, dass die deutsche Bundesregierung geduldet hat, dass vom EUCOM aus viele Kriegshandlungen der US-Streitkräfte im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika gesteuert hat und dass vom AFRICOM aus sogar direkt tödliche Kriegshandlungen durchgeführt werden. Wir wollen: Schließt endlich diese beiden Standorte der US Armee und führt diese einer friedlichen Nutzung zu!
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal daran erinnern, auch wenn ich dies hier bereits vor einem Jahr getan habe, dass Kriege und das Militär zu den schlimmsten Schädigern unseres Weltklimas gehören. Die Treibhausgase, die durch das Militär emittiert werden, sind enorm: Nach einer Schätzung der Londoner Denkfabrik CEOBS (Conflict and Environment Observatory) ist das Militär für rund 5,5 Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Hinzu kommen die Emmissionen, die infolge des Wiederaufbaus von in Kriegen zerstörten Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen erforderlich werden. Während des zweiten Golfkriegs brannten 1991 in Kuwait die Ölfelder. Ungefähr 4,6 Millionen Barrels verbrannten pro Tag. Das verursachte 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen in diesem Jahr. Der Rauch verdunkelte die Sonne über dem Persischen Golf. Der Ruß erreichte tibetische Gletscher, setzte sich dort ab und beschleunigt so deren Schmelzen, da eine dunkle Oberfläche mehr Wärme aufnimmt. Der Krieg in Syrien hat die dortige Ölindustrie zerstört. In Nordostsyrien wird jetzt mit sehr primitiven Mitteln Erdöl zu Benzin und Diesel verarbeitet, was zu hohen Emissionen und starker Luftverschmutzung führt. Die stark ökologisch ausgerichtete autonome Selbstverwaltung von Rojava ist auf diese Treibstoffe angewiesen und hat bis jetzt keine Möglichkeiten, die schädliche Praktik zu beenden. Auch sieben Prozent der Gebäude wurden in Syrien durch Krieg zerstört – der Wiederaufbau produziert enorme Mengen an Treibhausgasen, insbesondere in der Zementindustrie. Es wird geschätzt, dass eine Million Lastwagenfahrten notwendig sind, um die Trümmer allein aus den zerstörten Städten Homs und Aleppo in Syrien abzutransportieren. Der zweite Irak-Krieg verursachte Emissionen von geschätzten 141 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht dem, was ein Land wie Neuseeland oder Kuba in einem Jahr verursacht.
Ich möchte heute Euch nicht mit einer endlosen Rede strapazieren, und es gibt ja auch nachher auf dem Schlossplatz noch drei Redebeiträge von
- Maike Schollenberger, der stellvertr. Landesbezirksleiterin von ver.di,
- Wiltrud-Rösch-Metzler, pax christi Diözesanvorsitzende Rottenburg-Stuttgart sowie
- Heike Hänsel, Gesellschaft für Kultur des Friedens.
Wichtig ist mir aber dennoch, dass wir auch von hier ein starkes Signal senden an alle Kriegstreibenden auf dieser Welt, egal ob in der Ukraine oder im Gaza: Beendet diesen Wahnsinn! Für sofortigen Waffenstillstand und anschließende Friedensverhandlungen!
Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich der Stuttgarter NaturFreunde Radgruppe und ihrem Vorsitzenden Peter Pipiorke meinen herzlichen Dank aussprechen für die Organisation dieser Kundgebung vor dem Eucom und den anschließenden Radkorso zum Stuttgarter Schlossplatz.
In diesem Sinne: Friedliche Grüße und allzeit Berg frei!
Gerhard Jüttner ist stellv. Landesvorsitzender der NaturFreunde Württemberg.