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Redebeitrag für den Ostermarsch BaWü in Stuttgart am 30. März 2024
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Friedensfreunde und freundinnen!
Wir haben eine zentrale Botschaft für den diesjährigen Ostermarsch: „Wer den Frieden will, bereite den Frieden vor! Und wer Frieden will, muss alles dafür tun, Kriege zu beenden und nicht mit Waffen zu befeuern! Das ist das genaue Gegenteil von dem, was die Bundesregierung macht und was in den Osterbotschaften von Kanzler Scholz und Minister Habeck zum Ausdruck kommt!
Ministerin Annalena Baerbock warnte heute morgen die OstermarschiererInnen vor Einseitigkeit, das ist ja absurd! Wir erleben mit dieser Ampelregierung eine Einseitigkeit an Kriegspolitik, dies ist nicht mehr zu überbieten!
Sie schwören uns auf immer noch mehr Kriegsunterstützung und Waffenlieferungen für die Ukraine ein, das sind keine Osterbotschaften sondern Hiobsbotschaften! Habeck hat in seiner gesamten Osterbotschaft das Sterben und Leiden in Gaza mit keinem Wort erwähnt, was für eine Schande!
Unsere Sicherheit wird nun nicht mehr am Hindukusch, sondern ab sofort in der Ukraine verteidigt, ja sogar die Freiheit ganz Europas, da sind sich Habeck und Scholz einig. All das bedeutet nichts anderes als noch mehr Geld für Aufrüstung und Militärhilfen für die Ukraine! Dies sieht ja auch der neue Haushaltentwurf von Finanzminister Lindner für 2025 vor: Einsparungen bei allen Ministerien, nur nicht beim Militärhaushalt! Dabei liegen wir jetzt schon bei über 85 Milliarden Euro (nach NATO-Kriterien) in diesem Jahr, dem größten Rüstungshaushalt seit Ende des Zweiten Weltkrieges! Diesen Rüstungswahnsinn müssen wir beenden, er befördert Unsicherheit nach aussen und Sozialabbau nach innen! Dagegen werden wir konsequenten Widerstand leisten.
Der Krieg in der Ukraine bedeutet großes Leid für die Menschen in der Ukraine. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab, sowohl den russischen Krieg in der Ukraine, aber auch alle NATO-Kriege, die Milionen Menschen das Leben gekostet haben.
Auch ohne Taurus-Lieferungen ist Deutschland längst Kriegspartei, und damit wird unsere Sicherheit nicht verteidigt, sondern im Gegenteil gefährdet!
Denn die Welt steht so nah, wie seit der Kuba-Krise nicht mehr, vor der ernsten Gefahr eines Einsatzes atomarer Waffen im Ukraine-Konflikt. Dies berichtete auch die New York Times vor wenigen Wochen. Ein atomarer Schlag Russlands schien Ende 2022 möglich. Im Atomzeitalter ist es wahnsinnig, einen Krieg gegen eine Atommacht gewinnen zu wollen, deshalb müssen wir endlich Friedensverhandlungen befördern und weltweit abrüsten. Anstatt weiterhin die Ukraine mit immer schwereren Waffen in einem verlustreichen aussichtslosen Stellungskrieg zu unterstützen, der immer mehr ukrainische Soldaten opfert, fordern wir die Bundesregierung und die NATO-Staaten auf, die zahlreichen Angebote von Friedensinitiativen aus dem Vatikan, China, Lateinamerika und Afrika endlich aktiv zu unterstützen. Es sind die USA und die Ukraine, die bisher sämtliche Initiativen des Globalen Südens vereitelt haben. Es wäre überfällig, dass Annalena Baerbock als Diplomatin auf internationalem Parkett erscheint statt als Kriegstreiberin.
Aber wir haben trotzdem viele Stimmen, viel Unterstützung hinter uns.
Denn die zentrale Osterbotschaft kommt dieses Jahr vom Papst: die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu verhandeln statt weitere Menschen in den Schützengräben zu opfern. Der Papst hat Recht: Verhandlungsbereitschaft ist ein Zeichen der Stärke nicht der Schwäche. Trotz massiver Diffamierungen des Papstes in den Medien und der Politik unterstützen 54% der Deutschen seine Forderungen, das ist ein hoffnungsvolles Zeichen! Und 70% der Menschen lehnen eine Taurus-Lieferung ab. Trotz Hetze und Kriegspropaganda gibt es in der Bevölkerung mehr Vernunft als in dieser Regierung, all den Hofreiters, Baerbocks, Strack-Zimmermanns und Kiesewetters, die kein Halten mehr kennen, wenn es um schwere Waffen für die Ukraine geht.
Ich frage mich, in welchem Land leben wir mittlerweile, in dem die Empörung über die Forderung den Krieg einzufrieren von Medien und Politikern größer ist als über die Forderung, den Krieg nach Russland zu tragen und Ministerien zu bombardieren? Und das vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte in der ehem. Sowjetunion? Was für eine Schande, dass dies heute alles sagbar ist!
Kanzler Olaf Scholz hat richtig entschieden, keine Taurus Marschflugkörper zu liefern. Aber stattdessen sollen andere Waffenlieferungen forciert werden, nein wir benötigen nun erfahrene Diplomaten und FriedensvermittlerInnen! Dieser Krieg kann nur am Verhandlungstisch beendet werden, verlieren wir keine Zeit! In US-amerikanischen think-tanks wie der konservativen RAND-Corporation werdend bereits seit einem Jahr immer wieder Verhandlungen gefordert, die NATO aufgefordert, "ein Szenario für das Ende des Krieges entwickeln". Ebenso von US-Generälen und ehem. NATO-Generälen!
Frieden kann in Europa nur durch gemeinsame Sicherheit, auch mit Russland entstehen. Das gilt nach wie vor. Dafür benötigen wir eine Politik des gegenseitigen Vertrauens, des Dialogs und der Abrüstung. Die NATO ist dabei Teil des Problems und nicht der Lösung, deshalbmuss die NATO aufgelöst werden!
Frieden entsteht ganz bestimmt nicht mit einer europäischen Atombombe, wie jüngst von der SPD-Spitzenkandidatin ins Spiel gebracht. Frau Barley sollte sich stattdessen besser für den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland einsetzen, das hatte die SPD nämlich im Parteiprogramm stehen, und die Bundesregierung endlich den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet!
Liebe Friedensfreunde, die Kriegsrhetorik wird im Westen erschreckend lauter. Die Militarisierung zieht sich durch sämtliche Lebensbereiche. Der deutscher Verteidigungsminister fordert: Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch alle Deutschen sollten wieder kriegstüchtig werden. Generalinspekteur Breuer sieht Deutschland gar in ein paar Jahren im Krieg mit Russland. Das ZDF sendet in seinem Kinderkanal Taurusflugkörper als nette sprechende Wesen, die Frieden bringen und Gutes tun. Ein glatter Fall für den Jugendschutz, denn es handelt sich um jugendgefährdendes Material! Kriegsbesoffenheit und Rüstungswahn: schlimmer als zu Zeiten des Kalten Krieges.
Deshalb: In einer Zeit, in der die Bundesregierung unsere Gesellschaft „kriegstüchtig“ machen will, demonstrieren wir hier heute für Friedensfähigkeit! Friedensfähig sein, heisst, Kriegspropaganda, Feindbildpolitik und Hass entschieden entgegenzutreten! Friedensfähig sein, heisst die Ressourcen für soziale Sicherheit und Klimaschutz zu investieren, Konfliktursachen zu überwinden statt zu verschärfen. Abrüstung statt immer mehr Geld für Rüstungswahnsinn und Klimazerstörung durch Militär auszugeben.
Statt SchülerInnen auf den Krieg vorzubereiten, fordern wir die Schulen gut auszustatten, genügend LehrerInnen, damit auch GrundschülerInnen alle wieder rechnen, schreiben und lesen lernen! Statt das deutsche Gesundheitssystem auf Kriegsbereitschaft zu trimmen wie Minister Lauterbach fordert, fordern wir, dass es genügend Krankenhäuser und gut bezahlte Pflegekräfte gibt!
Deutschland braucht auch keine neuen Bunker sondern Bahnen, die fahren und zuverlässig sind und die Klimawende voranbringen!
Ich möchte an ein Ereignis erinnern, das den öffentlich-rechtlichen Medien kein einziger Satz wert war. Letzten Sonntag vor 25 Jahren begann der völkerrechtswidrige Angriff auf Jugoslawien durch die NATO. Mit tausenden Toten und einem mit abgereichertem Uran verseuchten Land. Dies war ein Tabubruch, erstmalig wurden wieder deutsche Soldaten nach Ende des 2. Weltkrieges in einen Kriegseinsatz geschickt von einer rot-grünen Bundesregierung. Die Grenzen des Kosovo wurden völkerrechtswidrig verschoben. Alles ohne eine einzige Sanktion für die NATO-Staaten, nichts! Und das liebe Friedensfreunde und freundinnen, war die eigentliche Zeitenwende! Denn die NATO nahm ab da für sich in Anspruch zu entscheiden, wer das Völkerrecht brechen darf und wer nicht! Das müssen wir bekämpfen, denn es gibt nur ein Völkerrecht für alle!
Liebe Friedensfreundinnen und freunde, besonders bestürzend ist die Situation im Gazastreifen.
Auch der unsägliche Krieg Israels geht in Gaza erbarmungslos weiter, trotz mehr als 32 000 ziviler Opfer, 70% davon Frauen und Kinder, noch mehr Verletzter und trotz Millionen Menschen, die in Gaza festsitzen unter katastrophalen humanitären Bedingungen und durch die israelische Blockade von Hilfslieferungen regelrecht ausgehungert werden. Dies sind Kriegsverbrechen der israelischen Armee und das müssen wir scharf verurteilen.
Auch der militärische Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten und die Gefangennahme von hunderten Geiseln im Oktober war ein völkerrechtswidriges Verbrechen. Dies berechtigt die israelische Regierung aber ihrerseits nicht zu Kriegsverbrechen und zu einem genozidalen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung und der Zerstörung jeglicher Ordnung und Lebensgrundlagen im Gazastreifen. Zurecht muss sich Israel dafür vor dem IGH veranworten. Wir fordern einen sofortigen, andauernden Waffenstillstand in Gaza und sofortige umfassende humanitäre Hilfe für die Menschen. Dafür müssen alle Grenzübergänge geöffnet werden, humanitäre Hilfe aus der Luft und zu Wasser ist dafür nicht geeignet! Gleichzeitig müssen alle Geiseln freigelassen werden, ebenso palästinensische politische Gefangene, die oft seit Jahren ohne Gerichtsprozess in israelischen Gefängnissen sitzen. Die Gewalt im Nahen Osten hat nicht erst am 7.Oktober begonnen. Es gibt eine leidvolle jahrzehntelange Geschichte der Vertreibung und völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete und nur, wenn dieser Konflikt um Land und Selbstbestimmung endlich gelöst wird, kann es eine friedlichere Zukunft für Israelis und Palästinenser geben.
70% der Bevölkerung hält das Vorgehen Israels in Gaza nicht für gerechtfertigt! Und die Bundesregierung, die ihre Rüstungsexporte nach Israel verzehnfacht hat, ist mitverantwortlich für dieses massenhafte Töten von Zivilisten! Deshalb: alle deutschen Rüstungsexporte nach Israel, in die Golfstaaten, in die gesamte Region müssen gestoppt werden! Wir fordern, dass eine Friedenskonferenz der Vereinten Nationen für den gesamten Nahen Osten stattfindet, die eine gerechte Lösung im Nahen Osten zum Ziel hat.
Ich war geschockt zu lesen, dass die US-Regierung keine 3 Tage nachdem endlich eine UN-Resolution für eine sofortige Waffenruhe im UN-Sicherheitsrat verabschiedet wurde, neue 2000 Pfund schwere Bomben samt Kampfflugzeugen an Israel zu liefern. Was für eine Heuchelei - im Sicherheitsrat für eine Waffenruhe einzutreten und an Israel neues Mordwerkzeug zu liefern. Die US-Regierung müsste sich dafür ebenfalls vor dem IGH verantworten!
Es ist ungeheuerlich wenn JüdInnen hier, in Deutschland, mit dieser Geschichte, aufgrund ihres Jüdischsein angegriffen werden, dagegen werden wir uns immer stellen. Aber es ist genauso skandalös, wenn kritische Juden und Jüdinnen aufgrund ihrer Kritik an Israels Besatzungspolitik, Krieg im Gaza und der israelischen Apartheidspolitik hier diffamiert und mundtot gemacht werden sollen!
Wir solidarisieren uns mit allen, die ihre Stimme gegen den Krieg erheben, in Israel, in Russland, in der Ukraine und weltweit. Es müssen noch viel mehr werden. Deshalb fordern wir Schutz, Asyl und Unterstützung für KriegsdienstverweigerInnen hier in Deutschland!
Und diejenigen, die Kriegsverbrechen veröffentlichen, wie zum Beispiel Julian Assange, müssen sofort freigelassen werden!
Dieses Jahr begeht die NATO ihren 75. Gründungstag, kein Tag zum Feiern! Gerade findet von Januar bis Mai das größte NATO-Manöver seit Ende des Kalten Krieges in Europa statt, Steadfast Defender, 90 000 Soldaten üben ganz offen den Krieg mit Russland. Koordiniert wird das auch über die US-Kommandozentrale EUCOM hier in Stuttgart-Vaihingen. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Kriegszentrale endlich geschlossen wird!
Im Krieg ist nur eines sicher: die Gewinne der Rüstungsindustrie! Das zeigen die steigenden Dividenden von Rheinmetall und co., ansonsten gibt es nur Verlierer auf allen Seiten! Deshalb müssen wir den Frieden gewinnen – nicht den Krieg!
Das ist auch der Titel eines Friedenskonzert am 14. Mai in Stuttgart mit Konstantin Wecker, Margot Käßmann, und vielen anderen in der Johanneskirche Stuttgart, Infos und Karten gibt es am Infostand Kultur des Friedens.
Anlässlich des diesjährigen 125. Geburtstages des überzeugten Pazifisten Erich Kästner, möchte ich mit seinen Worten schliessen: „Glaubt nicht, ihr hättet Millionen Feinde. Euer einziger Feind heißt: Krieg“
Vielen Dank.
Heike Hänsel ist aktiv bei der Gesellschaft Kultur des Friedens.