Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Heidelberg am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ostermarschierer*innen!

Wir wollen Frieden und keinen Krieg!(!) -  Friedenstüchtigkeit statt Kriegstüchtigkeit - Gegen Rechts - für Demokratie und Klimawende

„Frieden ist nicht alles aber ohne Frieden ist alles nichts!“ Mit diesen Worten Willy Brandts an seine Zeitgenossen bis hin zu Gorbatschows Wirken in der Entspannungspolitik vor 40-50 Jahren wird klar: Frieden muss aktiv vorbereitet und er muss gestaltet werden! Frieden kommt nicht einfach über Nacht und er fällt auch vom Himmel. Es erfordert kluges politische Handeln und einen langen Atem. Die Entspannungspolitik wurde auf dem Altar der Kriege gerichtet. Heute heißt es aus Politikerkehlen „Frieden schaffen mit immer mehr Waffen!“ – Der altrömische Grundsatz „Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten“ steht seit Ende der 90iger Jahren ganz oben auf der Tagesordnung und führte uns über Kriege in Jugoslawien – Im März vor 25 Jahren – über Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien bis in die Ukraine und den Gazastreifen. Wer, wie Mützenich vor wenigen Tagen im Bundestag die Frage – wohlgemerkt nicht die Forderung –, sondern die Frage stellte, ob nicht über ein Einfrieren und Verhandlungen nachgedacht werden sollte, wird regelrecht an den Pranger gestellt und medial gefedert und geteert. Das Unwort des Russen- oder Putinverstehers reicht aus, um alles im Keim zu ersticken. Oder erging es dem Pabst anders? „Ich verstehe den Papst nicht“, sagte Annalena Baerbock.

Der CDU-Vorsitzende Merz widersprach Papst Franziskus ebenso wie Kanzler Scholz und viele andere deutsche Politiker. Und was hat er gesagt? „Verhandeln ist nie eine Kapitulation. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen.“ Diese Passage fiel mehr oder weniger unter den Tisch. Stattdessen wurde seine Aussage „zur weißen Flagge“ gezielt missinterpretiert– eine ungünstige Metapher beim Pabst, eine Frage bei Mützenich und das Spiel ist aus. Ein Shitstorm ist unabwendbar.

Apropos Putinversteher. Klar und eindeutig ist der russische Krieg in der Ukraine ein Völkerrechtsverbrechen. Er ist nicht zu rechtfertigen, auch wenn es – wie bei jedem Krieg eine Vorgeschichte gibt. Nur, wenn ich einmal aus pädagogischer Sicht einen Einschub machen darf: Wenn Kinder in Schulen und Kitas im Konflikt sind, gibt es ein ganzes Arsenal von Konfliktbewältigungsstrategien. Gemeinsames Merkmal aller ist in einem Wort zusammengefasst: Empathie! – Bevor ich mich nicht in die Motive, Beweggründe des jeweils anderen hineinversetzen und ‚verstehen‘ kann, kann keine Streitschlichtung stattfinden. Nun aber heißt ‚Verstehen‘ weder Verständnis noch Akzeptanz dessen, was ich ergründet habe. Das steht auf einem ganz anderen Blatt. Nein, es geht darum, Ansatzpunkte bei den Konfliktpartien zu finden, um eine Streitschlichtung zum Erfolg zu bringen. Natürlich ist es gewagt, Konflikte aus dem Pädagogischen in das Politische zu transferieren. Aber eines sollte deutlich werden: Ich muss die Interessen und Motive der jeweils anderen Seite kennen. Erst dann kann ein Konflikt gelöst werden. Das hat auf der politischen Bühne kaum jemand besser verstanden als Egon Bahr.

Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. Die 2000jährige Kriegslogik muss durch eine Kultur des Friedens, eine Friedenslogik überwunden werden. Was heißt dies konkret und praktisch? Statt Geld in den Rachen der Rüstungsindustrie zu werfen, brauchen wir Investitionen, ja Geld für Kitas, Schulen, für einen aktiven Klimaschutz, die Energie- und Verkehrswende, für auskömmliche Renten, Sozialwohnungen und für Gesundheit und Pflege. Und: Wir müssen das Wort von der Entspannung, von Abrüstung und Verhandlungen unseren Politiker*innen in Erinnerung rufen.

Kriege und Waffenlieferungen befördern das alte Denken, sie töten Menschen und sind mit die größten Umweltzerstörer. Das Spiel mit Atomwaffen und der Entwicklung neuer todbringender Systeme führt unweigerlich an den Rand eines Atomkriegs, der sicher das Ende der Menschheit bedeuten würde.

Kriege sind Irrwege und stärken alle, die am Krieg verdienen.

Das Leid der Bevölkerung in den Kriegsgebieten, in der Ukraine und im Gazastreifen ist unermesslich. Das Sterben dort- wie dort -, muss aufhören. Wir brauchen in der Ukraine wie im Gazastreifen einen Waffenstillstand und aufbauend Diplomatie , Diplomatie und Diplomatie…. Dazu bedarf es neuer Anstrengungen, auch wenn die Sterne dafür ungünstig stehen. Das erwarte ich von unserer Außenpolitik, liebe Annalena Baerbock.

Wo bleiben die Friedensinitiativen unserer Bundesregierung? Waffenlieferungen befördern den Tod auf allen Seiten der Kriegsparteien. Gut, dass Scholz bis jetzt bei den Taurus standhaft bleibt. Ich hätte nur gern mehr davon. Auch in Zeiten internationaler Spannungen müssen Dialoge geführt werden, vertrauensbildende Maßnahmen eingeleitet werden. Es muss dringend eine Verhandlungslösung her!

Die Geschichte lehrt uns, dass Frieden ausgehandelt wird!

Ein Wort zu Israel und Palästina. Das Existenzrecht des Staates Israel steht außer Frage. Die Hamas hat am 7. Oktober unverzeihliche Menschenrechtsverbrechen begangen. Die Geiseln in ihren Händen müssen freigelassen werden. Das alles enthebt die israelische Regierung nicht von der Verpflichtung das Völkerrecht einzuhalten!
Die Politik muss auf die israelische Regierung einwirken. Waffenlieferungen auf der einen Seite und Hilfsgüter auf der anderen sind ein wahres Paradoxon und offenbaren eine inhumane Doppelbödigkeit.

In dem Aufruf zum Ostermarsch heißt es: Wir wollen das Klima schützen und die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten! – Wie wahr!

Die Menschheit kann nur noch begrenzt weiterleben, wenn nicht die Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung vehement umgesetzt werden. Kriege zerstören brutal die Umwelt, vergeuden fossile Energien und andere Ressourcen. Das Verharren in der Kriegslogik vernichtet die Umwelt und treibt Menschen in die Flucht.

Wir wollen eine gerechtere Welt und die soziale Sicherheit!

Die Bundesregierung hat den Rüstungshaushalt in acht Jahren verdoppelt und verletzt mit der Politik der ‚Kriegs-Ertüchtigung‘ das Grundgesetz.

Und gestattet mir als GEW Gewerkschafter: Hände weg von Kriegsertüchtigung in den Schulen! – Wir befördern dort eine Kultur des Friedens und nicht den Krieg in den Köpfen der Nachwachsenden!

Die Rüstungspolitik frisst den gesellschaftlichen Reichtum auf und bedient die Aktionäre der Rüstungs- und Finanzkonzerne. Soziale Sicherheit und ein angstfreies Leben sind mit Hochrüstung und Krieg nicht zu haben. Die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander. Eine Politik, die sich dem nicht entgegenstellt, befördert den Rechtsextremismus und Faschismus, wie die AFD, was zudem die Wut auf Geflüchtete lenken.

Wir marschieren heute für eine Kultur des Friedens. Wir wollen den Frieden gewinnen und nicht den Krieg, Franz Alt schrieb: „Es geht um unser gemeinsames Überleben als eine Menschheit auf einem Planeten unter einer Sonne in unserem gemeinsamen Haus Europa!“

Vielen Dank!

 

Dr. Jörg Götz-Hege ist aktive beim DGB Heidelberg und leitet den Vorstandsbereich Grundsatzfragen der GEW BaWü.