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Redebeitrag für den Ostermarsch in Bruchköbel am 29. März 2024
- Es gilt das gesprochene Wort -
Empört euch!
So lautete der Titel eines kleinen Büchleins des ehemaligen französischen Widerstandskämpfers und UN-Diplomaten Stéphane Hessel im Jahre 2010. Dieser Satz ist heute noch aktueller als seinerzeit.
Die Blutspur der Kriege der USA als westliche Führungsmacht ist unendlich lang. Alleine die USA haben nach 1945 50 Kriege und militärische Operationen als Angreifer geführt.
Nach den legendären Worten des früheren sozialdemokratischen Verteidigungsministers Struck wurde die Freiheit der Bundesrepublik als treuer Vasall der USA auch am Hindukusch verteidigt. Zurück blieben unzählbare Tote und verwüstete Landstriche. Die Verteidigung der Freiheit am Hindukusch kostet auch heute noch Tote durch Hunger und zerstörte Infrastruktur, nicht nur in Afghanistan, ebenso in Libyen, im Jemen, in Syrien, dem Irak und auf den sonstigen Schlachtfeldern des werteorientierten Westens.
Derzeit wird die Freiheit in der Ukraine, im Gaza-Streifen und am Roten Meer verteidigt, demnächst im chinesischen Meer. Die deutsche Regierung hat sich aufgemacht, Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen. Dazu gehören klassische Kriegskonzepte, der Aufbau einer Kriegswirtschaft, die Militarisierung des Gesundheitswesens, Sozialabbau und Abbau des Bildungswesens. Milliarden werden in die Aufrüstung gesteckt. Die Bevölkerung soll dafür bluten. In den Kriegsgebieten im wörtlichen Sinne. Hier in Deutschland im materiellen Sinne durch die Vergrößerung der Armut.
Wenn es nach den Vorstellungen der Regierung geht, ist das Ende der Fahnenstange bei weitem noch nicht erreicht. Die USA ziehen sich aus der Finanzierung des Ukrainekrieges zurück, was nichts anderes bedeutet, als dass die astronomischen Kriegskosten zukünftig von Europa und allen voran von Deutschland zu bezahlen sind. Alleine schon dieser Umstand macht deutlich, dass der Sozialabbau erst begonnen hat. Die CDU hetzt gegen die Ärmsten der Bevölkerung gegen das ohnehin nicht ausreichende Existenzminimum in Form des Bürgergeldes.
Die marode Infrastruktur in Schulen, Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen wird weiter dem Verfall preisgegeben. Und wofür?
Für die Fortsetzung eines Krieges, in dem nicht die verantwortlichen Politiker an den Frontlinien verbluten, sondern junge Menschen, eine ganze Generation, wird verheizt für den sogenannten notwendigen Sieg. Militärs und die Medien benannten die Kämpfe um Bachmut den „Fleischwolf im Donbass“.
Keiner erwähnte dabei, dass dieser Ort nicht das erste Mal Gegenstand blutiger militärischer Verbrechen war, nämlich der Einsatzgruppen mit Hilfe der 17. Armee der deutschen Wehrmacht zwischen dem 9. und 12. Januar 1942, die dort 3000 Juden barbarisch vernichteten. Alles schon vergessen?
Empört Euch!
Immer dann, wenn eine Gesellschaft kriegstüchtig gemacht wird, muss sie formiert werden. Die Formierung erfolgt durch einen Abbau klassischer demokratischer Rechte. Das nennt sich dann Verteidigung der Demokratie durch Ausschluss abweichender Meinungen. Die Formierung läuft dann unter dem Motto: „Gemeinsamkeit der Demokraten“. Die Aufteilung der Gesellschaft in Gute und Böse soll eine pervertierte Einheitsfront schmieden. Hierzu sind die Gegner zunächst zu personalisieren und dann zu dämonisieren.
Beispielhaft wurden Saddam Hussein, Muammar al-Gaddafi oder Putin zu einem neuen Hitler erklärt, nur halt ohne Holocaust. Die eigenen Ziele sind die moralisch überlegenen.
Das jüngst abgehörten Gespräche der obersten Luftwaffenoffiziere macht den gesellschaftlichen Zustand dieses Landes besonders deutlich. Die Veröffentlichung der Telefonmitschnitte wird zu einem Abhörskandal erklärt. Der Inhalt, nämlich die Vorbereitung einer weiteren Eskalation des Ukrainekrieges durch Deutschland und die Beteiligung deutscher Soldaten an diesem Krieg spielen in der öffentlichen Diskussion keine Rolle.
Die Eskalation zur Gefahr einer europäischen nuklearen Auseinandersetzung wird durch diese Regierung nicht nur in Kauf genommen, sondern angestrebt. Da sitzen erneut deutsche Generäle zusammen und diskutieren, wie deutsche Marschflugkörper mit deutscher Logistik auf russische Ziele abgefeuert werden können.
Nicht das Bekanntwerden ist der Skandal, sondern die Inhalte des abgehörten Gesprächs. Die Besprechung über die deutsche Kriegsbeteiligung müsste dem letzten klargemacht haben, dass die Wahnsinnigen in Berlin tatsächlich nichts anderes als Eskalation im Sinn haben. Es erinnert mich an die Frage, die jedem in Deutschland noch in den Ohren klingen müsste: „Wollt ihr den totalen Krieg?“
Empört Euch!
Im Orwellschen Sinne wird der Krieg zur Friedensbemühung deklariert. Demokratie mündet in ein „Demokratieförderungsgesetz“, mit dem die Gleichschaltung der öffentlichen Meinung zum Schutz der Demokratie gefördert werden soll und abweichende Meinungen als demokratiefeindlich verfolgt werden sollen. Weshalb muss in Zeiten einer beklagten Kriegsmüdigkeit und zunehmenden Verschlechterung der sozialen Lage eines großen Teils der Bevölkerung die Regierung die Demokratie vor dem Volk schützen, das doch der Souverän sein soll?
Der Begriff des Antisemitismus wird in einen Auftrag zur Vernichtung der Palästinenser umgedeutet.
Der sozialdemokratische Bundeskanzler spielt an auf einen Satz Willy Brandts, der erklärte, Frieden sei nicht alles, aber ohne Frieden sei alles nichts und verkehrt diesen Satz auf der jüngsten Sicherheitskonferenz in München in den Satz „ohne Sicherheit sei alles nichts“.
Hiergegen empören wir uns.
Ich war nie ein Sozialdemokrat, ich würde mir heute allerdings einen Sozialdemokraten wünschen, der wie Willy Brandt ausführte: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Stattdessen müssen wir Kriegshetze hören, wie „wir müssen den Krieg nach Russland tragen“, ohne dass ein Sturm der Empörung losbricht.
Deutschland hat nicht nur den Völkermord an den Herero und Nama, den industriellen Völkermord an den Juden zu verantworten. Nein, jetzt beteiligt sich Deutschland zum dritten Mal an einem Genozid, dieses Mal gegen die Palästinenser. Weshalb ist ein Diskurs darüber, dass Deutschland sich sogar vor dem Internationalen Gerichtshof wegen der Beihilfe zum Genozid verantworten muss, in der Öffentlichkeit kein Thema?
Empört Euch!
Stephane Hessel forderte in seinem schmalen Büchlein zu gewaltloser Revolte und Widerstand auf. Auch wenn die komplexen gesellschaftlichen Strukturen keine einfachen Erklärungen erlauben, so sei nach seiner Meinung das Schlimmste, was man der Welt und den Menschen antun könne, die Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Verhältnissen.
Die von der Ampel organisierten Demonstrationen gegen rechts hatten zum Motto: „Nie wieder ist jetzt.“ Der ursprüngliche Slogan lautete jedoch nicht nur verkürzt „Nie wieder Faschismus.“ In diesem Sinne wurde der Satz bereits vom früheren olivgrünen Außenminister Joschka Fischer missbraucht, der, wie jeder Krieger den Krieg gegen Jugoslawien 1999 mit einer Lüge begründete, der Hufeisenlüge, und uns seine Lüge mit der Werteorientierung vermittelte: „Nie wieder Auschwitz.“ Demagogischer und abstoßender konnte eine Kriegslüge kaum begründet werden.
Der Slogan lautete vollständig: „Nie wieder Krieg, Nie wieder Faschismus.“ Deshalb stehen wir heute hier.
In diesem Sinne ist nie wieder: jetzt.
Wir schreien heute zurück: wir wollen weder den totalen Krieg, noch Krieg überhaupt.
Nieder mit den Waffen,
sofortiger Waffenstillstand,
Stopp der Waffenlieferungen in die Ukraine oder nach Israel,
Frieden statt Kriegstreiberei!
Empört Euch!(!)
Matthias Seipel ist aktiv bei der Friedensplattform Hanau.