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Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Osnabrück am 30. März 2024
- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca. 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -
Frieden zwischen Israel und den Palästinensern
Liebe Freundinnen und Freunde,
es steht außer Zweifel, dass die Hamas den nun seit fast sechs Monaten tobenden Krieg ausgelöst hat. Meine Gesellschaft und ich haben ihren verabscheuungswürdigen Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung unzweideutig verurteilt.
Genauso verurteilen wir die unverhältnismäßig massive israelische Kriegsführung im Gazastreifen und gegen die Zivilbevölkerung dort. Anders als Deutschland und die USA erkennt mittlerweile die überwiegende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft in diesem schrecklichen Krieg keine Rechtfertigung mehr israelischen Selbstverteidigungskrieg.
Wahrlich hatten wir bessere Zeiten mit hohen Erwartungen auf eine friedliche Lösung zwischen Israels und Palästinensern. Die Zeichen stehen jetzt auf Gewalt und Vergeltung.
Die seit dem 7. Oktober 2023 herrschende politische Lage ist alles andere als hoffnungsvoll. Der Krieg in Gaza überlagert zugleich die zunehmende Gewalt gegen die Palästinenser im besetzten Westjordanland.
Während ich hier rede, sterben weiter Menschen. Kinder und Familien werden auseinandergerissen. Beobachter sprechen von Kindern ohne überlebende Familienangehörige, von sterbenden Babys und Kleinkindern, Verwundeten und Schwerverletzten ohne Hoffnung auf ordentliche Behandlung in den zerbombten Krankenhäusern im Gazastreifen.
Während ich hier spreche, bangen aber auch israelische Geiseln um ihr Leben.
Während wir uns hier versammeln, wird im Gazastreifen nichts verschont. Häuser, wichtige Infrastrukturen, Kirchen, Moscheen, antike Denkmäler, Schulen, Universitäten, Archive und Bibliotheken wurden zerstört. Mit diesen Zerstörungen soll offensichtlich auch die palästinensische Identität zerstört werden.
Und jetzt droht der Zivilbevölkerung im Gazastreifen vor unser aller Augen auch noch eine dramatische Hungerkatstrophe. Seit kurzem werden Lebensmittelpakete aus der Luft auf den Gazastreifen geworfen, nur weil Israel sich weigert, die Lieferungen auf dem Landweg zuzulassen. Auch Deutschland beteiligt sich an dieser Aktion, aber ich halte das für zynisch, angesichts der Verzehnfachung der deutschen Rüstungsexporte an Israel seit November 2023.
Die Menschen im Gazastreifen und die überlebenden israelischen Geiseln sind ohne Rettung, ohne Schutz. Und ein Ende dieser Grausamkeit ist nicht in Sicht.
Wir alle gedenken aller Toten der schrecklichen Kriege in Gaza und in der Ukraine, der israelischen, jüdischen und den palästinensischen, islamischen und christlichen, den ukrainischen und den russischen Toten gleichermaßen.
An dieser Stelle stimme ich der 102 Jahre alten großartigen Holocaust-Überlebenden Frau Margot Friedländer zu, die mit drei Sätzen eine wichtige Botschaft verkündet hat: „Es gibt kein christliches, kein moslemisches, kein jüdisches Blut. Es ist alles menschliches Blut. Wir sind alle gleich.“
Wir sind alle gleich, wenn wir jetzt an die Menschen denken, die unter Kriegen in der ganzen Welt leiden müssen.
Krieg löst keine Probleme. Politische Konflikte können und dürfen auf keinen Fall mit Terror, Gewalt, Krieg und Gegenkrieg gelöst werden.
Krieg ist immer eine Niederlage der Diplomatie – heißt es. Und wenn es so ist, dann kann auch nur Diplomatie einen Krieg beenden.
Das Israel-Palästina-Problem ist ein politisches und kein religiöses Problem. An dieser Stelle widerspreche ich den Islamisten der Hamas genauso wie den religiös-extremistischen israelischen Siedlern, die ihre jeweilige Religion für ihre politischen Ziele missbrauchen und instrumentalisieren.
Das Israel-Palästina-Problem ist ein politisches Problem, es ist der Konflikt zweier Völker um das gleiche Stück Land. Und es gibt nur eine Lösung: Sie müssen einen Weg finden, gemeinsam oder nebeneinander friedlich auf diesem Land zu leben.
Wie aber soll das gehen, wenn es mittlerweile offizielle Regierungspolitik von Netanjahu und seinen extremistischen Ministern ist, das besetzte Westjordanland nicht in Freiheit zu entlassen? Seit 76 Jahren wehren sich die Palästinenser gegen die erdrückende israelische Besatzung. Sie haben dabei das Völkerrecht auf ihrer Seite.
Leider müssen wir feststellen, dass es gegenwärtig an Friedensstiftern mangelt – in Israel; unter den Palästinenser. Aber auch in der deutschen Politik.
Von der Bundesregierung erwarten wir eine eindeutige Position zur strikten Einhaltung des Völkerrechts, nicht nur bei Russland, sondern auch und gerade im Falle des befreundeten Staates Israel. Nach unserer Auffassung ist Deutschland den Jüdinnen, den Juden und dem Judentum verpflichtet, nicht jedoch der israelischen Politik und alle mal nicht der Politik unter Netanjahu, mit der Deutschland kaum noch gemeinsame Werte hat. Israels Regierung bedingungslos zu unterstützen, bedeutet auch, dem palästinensischen Volk Schaden, Schmerz und Leid zuzufügen.
Die israelische Regierung zielt offen auf eine dauerhafte Kontrolle und Besetzung des Westjordanlandes ab, und zwar bis zum Jordan-Fluss und verfolgt somit eine jüdische Vorherrschaft. Netanjahus Politik war und ist darauf ausgerichtet, einen souveränen palästinensischen Staat zu verhindern. Er hat die friedliche Option der Zwei-Staaten-Lösung von Anfang an torpediert und jetzt zur Verärgerung seiner besten Verbündeten, der USA und der EU. Als hätten die Palästinenser nicht das Recht, ebenfalls in Sicherheit und in einem eigenen Land zu leben.
Israel will alle israelischen Geiseln frei bekommen und die Hamas zerstören. Das sind nachvollziehbare Ziele. Aber sie lösen nicht den Nahostkonflikt. Dafür muss die Besatzung beendet werden. Dafür muss es einen palästinensischen Staat geben.
Das palästinensische Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung.
Unsere Hoffnung besteht darin, dass die Extremisten eine Minderheit sind. Und dass die überwiegende Mehrheit der israelischen und der palästinensischen Gesellschaft keinen Krieg, sondern vielmehr in Ruhe, in Frieden und in Sicherheit leben will. Diese Hoffnung geben wir nicht auf.
Für den Frieden gibt es keine Alternative!
Keine Waffen - nirgendswo!
Nazih Musharbash ist Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft.