Redebeitrag für den Ostermarsch 2024 in Kehl-Straßbourg am 30. März 2024

 

- Sperrfrist: 30.03., Redebeginn: ca. 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir stehen nicht weit weg von der Tafel, die an der Europabrücke angebracht wurde zum Gedenken an die Mitglieder der Widerstandsgruppe, die hier von den Nazis ermordet wurden.

Sie wurden Opfer einer Ideologie, die Andersdenkende sowie Angehörige bestimmter Volksgruppen, vor allem Juden sowie Sinti und Roma und andere mit unvorstellbarer Grausamkeit beseitigen wollte.

Das 20. Jahrhundert wurde geprägt von den größten Schlächtern der Menschheitsgeschichte: den Rechts- und Linksextremisten Hitler, Stalin, Mao, Pol Pott und anderen, denen hunderte Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Sie waren das Resultat von Ideologien, die ihre Wahrheit als die allein selig Machende präsentierten und über gezielte Propaganda eine Gleichschaltung unter den Menschen bewirkten, die zu Mittätern erzogen wurden und die sich willfährig dazu erziehen ließen.

Die Vergangenheit zeigt uns, dass das Grauen unerwartet, unerkannt und schleichend daherkommt und uns Mahnung sein sollte, nach allen Seiten wachsam zu sein.

Dazu möchte ich euch folgende Achtsamkeitsübung vorschlagen:

Man sollte seine Gedanken und Gefühle aus einer gewissen Distanz kommen und gehen lassen.

Denn, wenn ich mich mit meinen Gedanken identifiziere, dann sehe ich es irgendwann als Angriff auf meine Identität, wenn jemand anderer Meinung ist, im Sinne von „Siehst du denn nicht, dass das was du denkst falsch ist und was ich denke, richtig ist?“,

Und wenn man genau hinschaut, heißt das eigentlich „Du bist falsch und ich bin richtig.“

Wenn man das weiter denkt, bin ich irgendwann bereit, dem anderen dafür den Kopf einzuschlagen.

Besser wäre es, in die Achtsamkeit zu gehen, seine Gedanken und Gefühle zu beobachten und zu denken: ich bin nicht meine Gedanken und Gefühle und dann kommt die Entspannung.

Wir sind alle Bewusstsein und mit allem verbunden.

Man sollte sich auch immer wieder sagen: „Glaube nicht alles was du denkst.“ Dann wirst du nicht dogmatisch und fundamentalistisch.

Wir sind eine Menschheitsfamilie.

 

Kurze Schweigeminute

 

Bevor wir weiter gehen, möchte ich euch ein Gebet der Navajo mit auf den Weg geben:

Der erste Friede

Der erste Friede, der wichtigste, ist der,
welcher in die Seele des Menschen einzieht;
wenn die Menschen ihre Verwandtschaft,
ihre Harmonie mit dem Universum einsehen,
und wissen, dass im Mittelpunkt der Welt
das große Geheimnis wohnt.

Und dass diese Mitte tatsächlich überall ist;
sie ist in jedem von uns.

Dies ist der wirkliche Friede.

Alle anderen sind lediglich Spiegelungen davon.

Der zweite Friede ist der,
welcher zwischen einzelnen geschlossen wird.

Und der dritte ist der zwischen Völkern.

Doch vor allem sollt ihr sehen, dass es nie Frieden zwischen Völkern geben kann, wenn nicht der erste Friede vorhanden ist,
welcher innerhalb der Seele wohnt.

Vielen Dank.

 

Ruth Dilles ist Intendantin des "Theater der 2 Ufer" in Kehl.