Redebeitrag für den Ostermarsch in Würzburg am 30. März 2024

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Friedensfähig statt kriegstüchtig

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Am 27.2.22, drei Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, hielt Olaf Scholz seine „Zeitenwende Rede“. Er kündigte das 100 Mrd. schwere Sonderbudget für die Bundeswehr an sowie die dauerhafte Einhaltung des 2% Ziels der NATO, und er versprach der Ukraine alle militärisch notwendige Unterstützung, um nicht gegen Russland zu unterliegen. Bis 2027 wird das Sondervermögen auf die 2% angerechnet, d.h. 73 Mrd. Militäretat 2024. Nach 2027 sollen die 2% aus dem laufenden Haushalt bestritten werden, und werden bei über 95 Mrd. liegen. Begründet werden die Notwendigkeit immer weiterer Waffen für Kiew und diese beispiellose Aufrüstung damit, dass Russland nur so von weiteren Angriffen auf europäische Länder abgehalten werden könne. In der Ukraine wird nach dieser Lesart die Freiheit ganz Europas verteidigt. Das rechtfertigt jeden dafür nötigen Euro, darin sind sich Ampel und CDU/CSU einig, alle anderen internationalen und nationalen politischen Notwendigkeiten werden zweitrangig, s. Klimaschutz und alles, was zur sozialen Infrastruktur gehört.

Es ist frappierend, wie schnell im politischen und medialen Raum diese Sicht der Dinge so umfassend und unumstößlich werden konnte, es ist frappierend, wie schnell sich in der öffentlichen Diskussion Sprechweisen und Wertungen breit gemacht haben, die vor dem Febr. 2022 kaum denkbar waren oder zumindest heftig kritisiert worden wären. Denken wir nur die umstandslose Einrichtung des 100 Mrd. Budgets, an die Forderung von Pistorius, Deutschland brauche einen Mentalitätswechsel und müsse kriegstüchtig werden, an die Bilder der strahlenden Gesichter von Scholz und Pistorius bei der Grundsteinlegung für eine neue Rüstungsfabrik – früher undenkbar, und die öffentliche Diffamierung aller als verblendete Lumpenpazifisten oder gar Wasserträger Putins, die das Wort „Verhandeln“ auch nur in den Mund nehmen, wie zuletzt Rolf Mützenich und der Papst.

Dabei ist die Ächtung des Krieges und der Einsatz für den Frieden eine grundlegende Forderung unseres GG, und wie wenig dazu das Mittel „Sicherheit durch Abschreckung mit Hochrüstung“ taugt, sehen wir gerade auch auf dem zweiten Kriegsschauplatz, der die Nachrichten bestimmt, dem Gaza Streifen. Dort erntet Israel gerade mit seiner gnadenlosen, z.T. völkerrechtswidrigen Kriegsführung internationale Isolierung selbst von Verbündeten, und friedliche Koexistenz mit den arabischen Nachbarn, gar mit den Palästinensern, erscheint immer unerreichbarer. Es muss auch im Hinblick auf die Ukraine erlaubt sein zu fragen: Wieviel Tod und Zerstörung nehmen wir noch hin mit der Strategie: die Ukraine darf nicht verlieren aber auch nicht gewinnen, weil ja klar ist, dass die Eskalationsdominanz bei Russland liegt und nicht nur die Lumpenpazifisten sondern auch US Analysten die atomare Gefahr für sehr real halten.

Wir erleben gerade einen zivilisatorischen Rückschritt: Wir erleben eine einseitige, schlichte und rein auf militärische Stärkung setzende Sicherheitspolitik: gewaltfreie Konzepte zur Konfliktlösung und der sozialen Verteidigung kommen nicht vor, Konflikte werden nicht im Kontext ihrer Entstehung betrachtet, woraus ja Ansätze für die vielgeschmähten Verhandlungen zu gewinnen wären, Rüstungskontrolle und Stärkung internationaler Kooperation spielen kaum eine Rolle, Finanzmittel für humanitäre Hilfe auch in den anderen Kriegs-und Konfliktherden, die gar nicht mehr im Blick sind, ist chronisch unzureichend, wie die UN auch zur Zeit wieder beklagen.

Uns treibt aber nicht nur die desolate weltpolitische Situation um, sondern zunehmend auch die Gefährdung und Zerbrechlichkeit des innergesellschaftlichen Friedens. Wir hören von Rücktritten von Kommunalpolitikern, die von Rechtsextremen an Leib und Leben bedroht werden, davon, dass fast 70% aller, die im öffentlichen Dienst arbeiten, verbale und körperliche Gewalt erfahren, wir hören von fortwährenden Rassismus Erfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund auch aus der Mitte der Gesellschaft heraus, wir erleben eine Zunahme diskriminierender, hasserfüllter, aufhetzender Sprache und aggressiven Protestverhaltens, das Verständigung und Konsenssuche verweigert. Leider wurden auch schon AfD Politiker tätlich angegriffen, und der Slogan „Ganz Deutschland hasst die AfD“, der bei vielen Demos in den letzten Wochen skandiert wurde, wollte mir nicht über die Lippen. Wenn wir unseren Einsatz für Gewaltfreiheit ernst nehmen, geht so etwas nicht! Die Hunderttausende, die zuletzt für ein demokratisches, weltoffenes Deutschland auf die Straße gegangen sind, waren ein guter Anfang – jetzt geht es ans Handeln!

Im Blick auf die Friedenspolitik nach außen heißt das für mich u.a.:

Kein weiteres Drehen an der Rüstungsspirale, schon die derzeitigen Ausgaben von 2.2 Bill §, 55% von NATO Staaten sind skandalös. Rückbesinnung auf Diplomatie und Verhandlungsbereitschaft – es gibt doch offenbar noch funktionierende Kanäle zwischen Russland und USA, die Warnung durch US Dienste vor dem Terroranschlag in Moskau zeigt es doch.

Handeln im Blick auf den Frieden nach innen heißt: Wer die Demokratie gegen rechts außen bewahren will, muss für soziale Gerechtigkeit sorgen: Eine wachsende Zahl von Menschen entfremdet sich von unseren politischen Institutionen, aus Angst vor Abstieg und Armut. Kürzlich hat der Europarat kritisiert, dass nirgends in Europa die Kluft zwischen Arm und Reich so groß ist wie hier, dabei würde schon eine Besteuerung von Kapitalerträgen und Vermögen in der Höhe der Einkommensteuer so viel Geld in die Staatskasse spülen, dass wir damit alle notwendigen sozialen und Infrastruktur Investitionen bezahlen könnten, ganz ohne Senkung der Sozialausgaben.

Frieden – international und national gibt es nur in Gerechtigkeit!

Vielen Dank.

 

Uta Deitert ist aktiv bei Ökopax in Würzburg.