Redebeitrag für die Kundgebung "Atomkriegsmanöver 2022 absagen!" am 22.10.2022 in Nörvenich

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Teilnehmende unserer Demonstration,

ich bin Nora und ich spreche heute im Namen von ICAN Deutschland. ICAN (Namen nennen) ist ein weltweites Bündnis, das sich dem Ziel der Abschaffung aller Atomwaffen weltweit widmet. Wieso wir das tun? Weil wir entgegen der Auffassung der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten nicht daran glauben, dass Massenvernichtungswaffen zur Herstellung von Sicherheit beitragen. Ganz im Gegenteil: Wir sehen in der Existenz von Atomwaffen eine immense Bedrohung von allem Leben auf dieser Erde. Diese Waffen sind dazu geschaffen, Leben zu zerstören, überschreiten dabei geografische Grenzen und haben katastrophale Auswirkungen auch noch auf die nachfolgenden Generationen. Todesopfer und schreckliches Leid durch Verstrahlung und Krankheit beginnen nicht erst beim Kriegseinsatz dieser Waffen, sondern schon bei der Herstellung und Testung.

Heute haben wir uns versammelt, um unsere Stimmen gegen die gefährliche Praxis von Steadfast Noon und die schwerwiegenden Auswirkungen auf die globale Sicherheit zu erheben.

Neben dem absolut sinnlosen Verbrauch von Ressourcen ist die jährlich stattfindende Atomwaffenübung ein weiterer Schritt in Richtung nukleare Eskalation. Mit der Rechtfertigung, die glaubhafte Abschreckung aufrechterhalten zu wollen, trainieren Soldat*Innen der Luftwaffe den Einsatz von Atomwaffen. Waffen, deren Androhung und Einsatz laut dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht verstoßen.

Zudem widerspricht die nukleare Teilhabe, die der Übung zugrunde liegt, aus Sicht vieler Staaten dem Atomwaffensperrvertrag / Atomwaffen-nicht-verbreitungsvertrag. In diesem Vertrag, der von 190 Staaten, inklusive aller fünf offiziellen Atomwaffenstaaten unterzeichnet wurde, ist die Weitergabe von Atomwaffen an andere Staaten ausgeschlossen, da die Verbreitung von Atomwaffen das Risiko eines Atomkrieges weltweit ernstlich erhöhen würde. Dieses wichtige Rüstungskontrollabkommen wird mit der Praxis der nuklearen Teilhabe und mit dem Atomkriegsmanöver Steadfast Noon untergraben und verliert an Glaubwürdigkeit, denn die Luftwaffe übt damit einen Vertragsbruch. Ob die aktuelle Form der Teilhabe einen Rechtsbruch darstellt, ist international tatsächlich umstritten, spätestens wenn die Waffen scharf geschaltet sind und deutsche Pilot*innen über sie verfügen können, ist der NVV gebrochen! Dies ist der Skandal von Steadfast Noon. Stellen sie sich vor, die Bundeswehr würde die Erschießung von Kriegsgefangenen oder andere Kriegsverbrechen üben mit dem Verweis "Wir handeln nicht rechtswidrig, aber wir bereiten uns nur schon mal auf den Ernstfall vor". Stoppen sie diese gefährlichen Übungen sofort, Herr Pistorius und Herr Scholz als oberster Kriegsherr im Ernstfall!

In der alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die im August 2022 in New York stattfand, konnte zum zweiten Mal in Folge keine Einigung im Rahmen einer gemeinsamen Abschlusserklärung ausgehandelt werden. Anstatt dringend notwendiger Abrüstungsbemühungen ist eine erneute Aufrüstung zu beobachten, die mit der Zahl von 82.9 Milliarden US-Dollar, die letztes Jahr von den Atomwaffenstaaten in ihre Arsenale investiert worden ist, unterstrichen wird. Dies ist im Hinblick der aktuellen weltpolitischen Lage, in der die Gefahr eines Atomkrieges so groß ist, wie „seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges“ nicht mehr (UN Generalsek. Antonio Guterres), katastrophal.

Mit der Praxis der nuklearen Teilhabe wird nicht nur das weltweite Wettrüsten fortgesetzt, sondern auch der Einfluss von Atomwaffen in den internationalen Beziehungen gefährlich ausgeweitet. Sie vermittelt die Botschaft, dass diese verheerenden Massenvernichtungswaffen akzeptable Instrumente der Machtpolitik sind, und untergräbt das für die Abrüstung unerlässliche Vertrauen und die Zusammenarbeit.

Im Gegenzug dazu wurde der Atomwaffenverbotsvertrag 2017 ins Leben gerufen. Dieser Vertrag, der seit Januar 2021 in Kraft ist und von einer wachsenden Zahl an Staaten unterstützt wird, ist ein Hoffnungsschimmer in unserem Streben nach einer Atomwaffenfreien Welt. Der AVV verkörpert die Bestrebungen der Weltgemeinschaft für einen sichereren und friedlicheren Planeten. Er bietet einen rechtlichen Rahmen für das vollständige Verbot und die Abschaffung von Kernwaffen. Zudem ist dieser Vertrag eine eindringliche Erinnerung daran, dass die überwältigende Mehrheit der Nationen den Besitz und den Einsatz von Atomwaffen strikt ablehnt.

Viele Staaten haben bereits atomwaffenfreie Zonen vertraglich beschlossen. Ganz Lateinamerika, ganz Afrika sind Atomwaffenfreie Zonen. Wäre das nicht auch in Europa möglich?

Im November findet die 2. Vertragsstaatenkonferenz des Verbotsvertrages statt. In diesem Rahmen hat das ICAN Bündnis einen Brief an die Außenministerin formuliert. Wir fordern darin, dass Deutschland erneut als Beobachterstaat an der Konferenz teilnimmt. Wir fordern dass sichtbare Schritte hin zu einem Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag eingeleitet werden. Und wir fordern, dass Deutschland sich an der Umweltsanierung und der Hilfe für Überlebende von Atomwaffeneinsätzen und Atomwaffentests beteiligt.

Abschließend sei gesagt, dass unsere heutige Demonstration eine klare Botschaft aussendet: Wir stehen geschlossen für eine Welt, in der internationale Verträge wie der Atomwaffensperrvertrag eingehalten werden, in der Atomwaffen keinen Platz haben und in der Frieden und Sicherheit herrschen.

Ich danke Ihnen / Euch. Lasst uns das unermüdliche Streben nach einer friedlichen und atomwaffenfreien Welt fortsetzen.

 

Nora Anicker ist aktiv bei ICAN Deutschland.