Redebeitrag für die Kundgebung „Rheinmetall entrüsten“ am 10. Mai 2022 in Düsseldorf

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

als wir vor einem Jahr hier standen, haben wir gegen die Verstrickung von Rheinmetall in entfernte Kriege wie im Jemen oder in Nordsyrien gesprochen. Diese Kriege dauern an, genau wie die Lieferung von Waffen an Saudi-Arabien und an die Türkei, die diese Kriege führen. Doch heute blickt die Öffentlichkeit in unserem Land vor allem auf den Krieg in der Ukraine und auch wir wollen heute auf diesen Krieg schauen und was Rheinmetall damit zu tun hat.

In dem Flyer zur heutigen Aktion haben wir die DPA-Meldung vom 3. März zitiert: „Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der geplanten Milliardeninvestitionen in die Bundeswehr wollen Deutschlands Rüstungskonzerne ihre Produktion erheblich ausweiten. Die Düsseldorfer Firma Rheinmetall hat dem Bund eine Projektliste angeboten, die einen Umfang von 42 Milliarden Euro hat und Panzer, Munition, Militär-Lkw und andere Güter enthält.“

Doch wie das bei Rüstungskonzernen so üblich ist, verkaufen diese Unternehmen ihre tödlichen Waffen und Militärsystem nicht nur an eine Seite. 2012 lieferte Rheinmetall erste Elemente eines Gefechtsübungszentrums, wie es die Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide betreibt, an Russland. Die Lieferung weiterer Elemente wurde dann nach der Annexion der Krim zwar untersagt, die russische Armee konnte das Gefechtssimulationszentrum aber mit eigenen Mitteln fertig stellen und sich auch damit auf den Krieg in der Ukraine vorbereiten. Und jetzt will Rheinmetall eben auch an die Ukraine Waffen verkaufen. 88 gebrauchte Leopard 1- Panzer und 100 Marder-Schützenpanzer möchte der Rüstungskonzern gerne an das kriegführende Land liefern, Waffensystem, die gebraucht zurückgegeben wurden, die nun also praktisch zum zweiten Mal verkauft werden sollen, zum zweiten Mal Profit bringen.

Vorstandvorsitzenden Herr Papperger ist also voll im Geschäft, was den Ukrainekrieg und die Zeitenwende angeht, voll im Geschäft mit dem Krieg. Doch wir sind hier, weil wir dazu nein sagen, wir sagen "Stoppt das Geschäft mit dem Krieg!"

Auch politisch sieht Herr Papperger seine Stunde gekommen. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung äußerte er, dass es immer kein Problem gewesen sei, Personal in Ungarn, Großbritannien oder Australien zu bekommen, Ländern die zu ihrer Verteidigung stünden. In Deutschland habe man das in fast zwei Generationen verlernt. Er hofft, dass sich das nun ändert. Ja, ein Land, in dem die Bevölkerung mehrheitlich gegen Krieg ist und zahlreiche Organisationen wie die im Bündnis Aufschrei den Stopp der Rüstungsexporte einfordern, ist nicht im Sinn von Rüstungsmanagern. Noch im Koalitionsvertrag der Ampel steht ja das Ziel eines Rüstungsexport-Kontrollgesetzes. Nun bleibt abzuwarten, ob dieses Ziel umgesetzt wird oder der neuen Kriegs-Rhetorik im Land zum Opfer fällt und Herr Papperger jubeln kann.

Warum waren weiter Teile der deutschen Öffentlichkeit und auch der Politik denn eigentlich bisher gegen Waffenexporte speziell in Kriegsgebiete? Schon das Grundgesetz legt fest, dass „zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen“ (§26 GG). Damit wurde der Tatsache Rechung getragen, dass die Produktion und der Export von Waffen die Grundlage für Kriege überhaupt erst schafft. In den "Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" der Bundesregierung wurde festgehalten, dass die Genehmigung von Exporte in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind, nicht erteilt werde. Auch hier war man sich offenbar im Klaren, dass Waffenexporte in Kriegsgebiete das Töten nur anheizen und das Sterben verlängern.

Was ist nun anders geworden? Sicherlich ist in den Rüstungsexport-Grundsätzen der Bundesregierung die Ausnahme enthalten, dass Waffen in Kriegsgebiete geliefert werden können, wenn ein Fall von Selbstverteidigung vorliegt. Und auf der anderen Seite hat sich die Bundesregierung auch bisher schon häufig nicht an ihre eigenen Grundsätze gehalten. Doch sind Waffen weniger tödlich, wenn sie zur Verteidigung eingesetzt werden? Tragen sie weniger dazu bei, den Krieg zu verlängern und mehr Opfer zu fordern? Nein, all das trifft natürlich nicht zu. Dass Waffenlieferungen an die Ukraine in der Bevölkerung so breit akzeptiert werden, hängt mit einem überkommenen Verständnis von Verteidigung zusammen. Es ist das romantische Bild, dass die tapferen Verteidiger den Angreifer abwehren und so Frau und Kind in der Heimat schützen. Aus welchen Kriegen stammt dieses Bild eigentlich? Aus den Kriegen der letzten Jahrzehnten sicherlich nicht. Nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz ist der Anteil an Zivilopfern in der Gesamtzahl der Opfer im Laufe des 20. Jahrhunderts von 5 % im Ersten Weltkrieg auf 90–95 % in den heutigen Kriegen gestiegen.

Waffenlieferungen, also die Verlängerung von Kriegen, schützen keine Zivilisten sondern erhöhen die Zahl derjenigen, die getötet werden. Daher sagen wir Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine, weil wir Menschenleben retten wollen. Wenn das zynisch genannt wird, dann kann ich mit diesem Vorwurf leben, denn ich weiß, wahrhaft zynisch sind die, die diese steigende Zahl von Opfern in der Ukraine in Kauf nehmen, für was für Ziele auch immer. Wir wollen keine weiteren Waffelieferungen sondern einen schnellstmöglichen Waffenstillstand!

Bundeskanzler Scholz hat eine Zeitenwende erkannt und meint, damit die Aufrüstung der Bundeswehr rechtfertigen zu können. Im Bundestag ist eine großer Mehrheit dafür. Was bedeutet das. Zum einen bedeutet es, dass die Aktien von Konzernen wie Rheinmetall in die Höhe schnellen. Herr Papperger erwartet ein Umsatzplus von 15 bis 20%. Zum anderen bedeutet es, dass Deutschland mit Umsetzung des 2%-Ziels der NATO von Platz sieben in der Rangfolge der Staaten mit den höchsten Rüstungsausgaben auf Platz 3 klettern würde, direkt hinter den USA und China. Deutschland wieder an der Spitze der Millitärmächte, wollen wir das wirklich? Der Spitzenplatz der NATO-Staaten, die schon jetzt über 50 % der weltweiten Rüstungsausgaben von 2,1 Billionen US-$ auf sich vereinen, würde noch ausgebaut. Dieser gigantische Rüstungsblock hat den russischen Angriff auf die Ukraine nicht abschrecken können, 20 oder 30 Mrd. mehr an deutschen Rüstungsausgaben hätten es auch nicht getan. Aber die deutschen Steuerzahler werden es merken, wenn dieses Geld in anderen Bereichen der Gesellschaft fehlt, im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich und anderen. Deshalb sagen wir Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr!

Was soll mit diesem Geld geschehen, vor allem mit dem 100 Mrd.-Sondervermögen? Der größte Teil wird zu Konzernen wie Rheinmetall fließen, wie ja schon an dem Angebot von Herrn Papperger deutlich geworden ist. Da ist von Munition die Rede, von Bomben und Granaten. 20 Mrd. Euro sollen dafür ausgegeben werden, davon wird Rheinmetall einen großen Batzen bekommen. Dann ist von Panzerfahrzeugen die Rede, vom Ersatz für den Schützenpanzer Marder. Diesen Ersatz gibt es aber schon, es ist der Puma, der von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann gemeinsam produziert wird. Mit 17 Millionen Euro pro Stück ist er der teuerste Schützenpanzer der Welt, 350 Stück hat die Bundeswehr bisher bestellt, bei den bisher gelieferten Exemplaren klagt die Armee über erhebliche Mängel und fehlende Einsatzbereitschaft, also das bekannte Lied. Werden nun weitere Milliarden der Firma Rheinmetall in den Rachen geworfen, für ein Produkt, das offenbar nicht ausgereift ist? Nun bin ich als Pazifist nicht böse über nicht einsatzfähige Waffensysteme, aber mit Mängeln an der Ausstattung wird die fortlaufende Steigerung des Rüstungshaushaltes begründet, Geld das dringend fehlt, auch um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen.

Weitere Waffensysteme, die aus dem 100 Mrd.-Topf bezahlt werden sollen, sind der neue Atombomber F-35, dem ebenfalls Funktionsmängel nachgesagt werden. Auch vom dem Eurodrohnenprojekt ist die Rede. Und dann sind wir bei den ganz großen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr und der Politik. Als europäische Gemeinschaftsprojekte werden das Main Ground Combat System (MGCS) und das Future Combat Air System (FCAS) auf den Weg gebracht, ein neues Panzer- und ein neues Kampfflugzeug-Projekt. Während für FCAS bis zu 500 Mrd. Euro veranschlagt werden, sind bisher für das Panzerprojekt, an dem maßgeblich auch Rheinmetall beteiligt ist, nur die Entwicklungskosten von 1,5 Mrd. Euro bekannt. Was dann die Anschaffung einiger hundert diese futuristischen Panzer kosten wird, steht noch in den Sternen. Aber ein wesentlicher Teil des 100 Mrd.-Sondervermögens wird auch in diese beiden Großprojekte fließen. Ob bei diesen gigantischen Anforderungen am Ende noch etwas für die oft geforderte warme Unterwäsche und die Funkgeräte für die Soldaten übrig bleibt, steht in den Sternen. Wegen all dem sagen wir Nein zum 100 Mrd.-Sondervermögen und zum 2%-Ziel, Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr!

143 Millionen Euro will Rheinmetall in diesem Jahr an Dividenden ausschütten, Geld was mit dem Tod und dem Leid von Menschen in Kriegsgebieten in aller Welt erkauft ist. Rheinmetall wie auch andere Rüstungskonzerne gehören zu den Gewinnern des Ukrainekrieges, das steht jetzt schon fest. Das es ansonsten in diesem Krieg keine Gewinner sondern nur Verlierer geben wird, ist ebenfalls absehbar. Daher schließe ich mit den Worten der Gründerin der Deutschen Friedensgesellschaft, Bertha von Suttner: „Die Waffen nieder“ und mit unserer aktuellen Losung: "Grenzen auf für Menschen, Grenzen zu für Waffen - Rüstungsexporte stoppen!"

Vielen Dank!

 

Joachim Schramm ist Landesgeschäftsführer der DFG-VK NRW.