Redebeitrag für die Mahnwache "Rheinmetall: Den Händler des Todes stoppen!" als Protestveranstaltung zur Hauptversammlung 2024 der Rheinmetall AG am 14. Mai 2024

 

- Sperrfrist: 14.05. Redebeginn, ca 11.55 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort --

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Rüstungsindustrie geht es gut. Das lässt sich kaum bezweifeln. Schauen wir uns allein am Beispiel Rheinmetall an, wie der Umsatz die letzten Jahre in die Höhe geklettert ist, oder wie der Kurs der Rheinmetall-Aktie 2021 noch bei 70 Euro dümpelte, jetzt aber über 500 Euro nach oben geschossen ist, braucht man das Offensichtliche eigentlich nicht mehr auszusprechen: Diese Unternehmen profitieren gewaltig von der aktuellen Politik der Aufrüstung, die Staaten weltweit fahren. Gesicherte Aufträge bis über Jahre, Übernahme kleinerer Konzerne, Expansion und Ausbau neuer Produktionsstätten, kaum jemand ist so ein Krisenprofiteur wie Rheinmetall. Krisenprofiteur? Das klingt so negativ behaftet. Konzernchef Armin Papperger bevorzugt da die Bezeichnung „Krisenhelfer“. Damit meint er wohl nicht, dass er sich selbst im April durch Verkauf von Aktien zu fünf Millionen Euro „verhalf“, sondern spielt auf die neue, gefestigte Rolle seines Konzerns in der Zeitenwende-Politik an. Denn die Rüstungsindustrie ist nicht nur wirtschaftlich auf einem Höhenflug. Auch ihr politischer Einfluss und ihre gesellschaftliche Legitimität sind spätestens seit der Eskalation des Kriegs in der Ukraine 2022 deutlich gewachsen. Verantwortlich ist hierfür sicherlich der anscheinend unbedingte politische Wille zum Krieg, den die Regierung weitläufig verkündet und die schon erwähnte fantastische Auftragslage. Doch auch die Medien prägen den Imagewechsel der Rüstungsindustrie. Noch vor wenigen Jahren war Rheinmetall eher für Skandale in den Schlagzeilen. Kritische Stimmen, die auch öfter zitiert wurden, wiesen auf die Verbindungen des Konzerns mit Kriegsverbrechen in Jemen und Nordsyrien hin, es gab Kritik an Lobbyismus und Korruption. Mächtige Investment-Fonds wollten nicht mehr in Rüstungsgüter investieren, da diese offensichtlich den modischen Nachhaltigkeitskriterien nicht entsprachen. Der Konzern selbst hielt sich eher bedeckt, die Argumente zu ihrer Verteidigung waren immer die (bis heute) gleichen. Kluge Köpfe aus Rüstungslobby und Militär machten sich Gedanken darüber, wie die Rüstungsindustrie aus diesem negativen Image herauskommen würde. Franz Beitzinger von der Bundesakademie für Sicherheit riet der Industrie schon 2018, in eine „Kommunikationsoffensive“ zu gehen, die die als unfair wahrgenommen „Vorurteile“ gegenüber der Rüstungsindustrie ausräumen sollte. Der Industrie müsse es gelingen, ihre Rolle beim Beitrag zur Sicherheit Deutschlands und der innerhalb der deutschen Grenzen lebenden Menschen hervorzuheben. Sehen wir uns jetzt, sechs Jahre später an, wie Rheinmetall teilweise von den Leitmedien hofiert wird, könnte man denken, dass diese Kommunikationsstrategie eins zu eins erfolgreich umgesetzt wurde.

Seit dem russischen Einmarsch im Februar 2022 wurde in den Leitmedien einerseits die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen, andererseits die massive Aufrüstung einer vermeintlich kaputtgesparten Bundeswehr mehrheitlich und unwidersprochen als guter Zweck dargestellt. Rüstungskonzerne, die eben das Liefern konnten, was von Politik und hegemonialer veröffentlichter Meinung so dringend gefordert wurde, rückten so automatisch in ein positives Licht. Rheinmetall wusste hierauf auch schnell zu reagieren: Nach der berühmten 100-Milliarden-Rede, die die „Zeitenwende“-Politik zur Militarisierung einläutete, legte der Konzern ein Angebot von Rüstungsgütern im Wert von 42 Milliarden Euro vor, die auf Wunsch bestellt werden könnten. Ebenso ließ man verlautbaren, dass es Panzer in alten Beständen gäbe, die der Ukraine sofort geliefert werden könnten. Das griff die Presse dankbar auf. Die Initiative des Konzerns würde als dynamisch und zeitgemäß angesehen, während die Politik für ihre vermeintlich zu zögerliche Kriegspolitik kritisiert wurde. Konzernchef Papperger wurde immer öfter für Interviews eingeladen und als politischer Kommentator für die wichtigen Fragen des herrschenden Diskurses herangezogen. Ein Sondervermögen von 300 Milliarden, da läppische 100 Milliarden ja für „mehr als ein Strohfeuer“ nicht ausreichen? Eine Einführung der Wehrpflicht, um die militärische Bereitschaft junger Leute zu stärken? Eine Empfehlung wann und wie welches Waffensystem gekauft und eingesetzt werden soll? Experte Papperger gibt bereitwillig Auskunft und bekommt eine Bühne geboten, die Konzerneigene Werbematerialien niemals schaffen könnten. Eine derartige Treue zur Rüstungsindustrie und zu militärischen Themen generell gab es vorher vor allem in der militärischen Fachpresse, allenfalls noch in der Springerpresse zu lesen. Inzwischen ist sie ziemlich allgegenwärtig. Über jede neue Waffe, die produziert oder geliefert wird, wird auch im Mainstream ausgiebig diskutiert. Journalist*innen scheinen seit dem Februar 2022 zu Expert*innen im Thema Kriegstechnologie geworden zu sein. Das alles hat eine Normalisierung dieser Technologie, der Industrie und der Politik, die sie mitgestaltet zur Folge. Die Wirkung bleibt nicht aus: Nicht nur über Investitionen am Aktienmarkt, die einige Wirtschaftsethiker wieder als ethisch korrekt einstufen, auch über steigende Bewerber*innenzahlen freuen sich die Konzerne. Diese haben sie auch bitter nötig: Für ihr Wachstumsprogramm will allein die Rheinmetall-AG 5000 neue Stellen schaffen. Dafür kommt ihnen ein Image als legitimer politischer Akteur gerade recht. Zu dieser Art der Normalisierung tragen die Medien, auch die öffentlich-rechtlichen, tatkräftig bei.

Drehte sich unser Protest vor einigen Jahren noch darum, die Kriegsindustrie und ihre Machenschaften aus der Schmuddelecke ins Licht zu ziehen und überhaupt darauf aufmerksam zu machen, dass der Tod und Krieg auch hier in Düsseldorf produziert wird, heißt unsere Aufgabe jetzt, dass wir diese Normalisierung stoppen müssen. Wir müssen die Aufrüstungsprogramme des Staates, in denen die Rüstungskonzerne relevant sind, konsequent ablehnen und angreifen. Zeigen wir ihnen deswegen heute, was wir von dieser Politik halten und sagen wir: Rheinmetall Entwaffnen!

Vielen Dank!

 

Jonas Uphoff ist aktiv bei der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen und Autor der IMI-Studie „Von der Schmuddelecke in die Systemrelevanz“ - Die mediale Zeitenwende im öffentlichen Diskurs über Rheinmetall (siehe: https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2024-1-Rheinmetall.pdf)