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11.9.2001
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vom:
17.09.2001


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Terroranschläge 11.9. - erste Reaktionen:

  Redebeiträge/Kundgebungen

Rede am 15. September in Mannheim

Friedensplenum Mannheim p.A. Friedensbüro

Das Friedensplenum Mannheim und der DGB-Kreis Mannheim haben am 15. September am Mannheimer Wasserturm eine Kundgebung gegen Krieg und Gewalt durchgeführt, die von über 600 Menschen besucht worden ist. Anschließend führte ein Schweigemarsch für die Opfer des Terrors zum Friedensengel.



Liebe Mitmenschen,

ich begrüße Sie namens des DGB-Kreises Mannheim und des Mannheimer Friedensplenums auf unserer heutigen Kundgebung gegen Krieg und Gewalt sehr herzlich - gleichgültig ob Sie Christ, Muslime oder Jude, ob Sie weiß oder schwarz sind, ob Sie Deutscher sind oder ob Sie aus einem anderen Land kommen.

Ich grüße Sie sehr herzlich, weil Sie aufgestanden sind gegen Krieg, gegen Gewalt und gegen Terror und weil wir gemeinsam um die Opfer trauern.

Wir alle, die hier versammelt sind, sind entsetzt über den grauenvollen Terroranschlag in den USA, der Tausende Menschen aus vielen Ländern der Erde in den Tod gerissen oder verletzt hat und den man in seinen Dimensionen immer noch nicht mit Worten fassen kann. Unser Mitgefühl und unsere tiefe Anteilnahme sowie unsere Solidarität gilt den Angehörigen, die ihre Liebsten verloren haben. Wir können das Ausmaß dieses Verbrechens noch nicht begreifen und sind auch vier Tage nach diesen Anschlägen sprachlos. Unsere heutige Kundgebung soll ein wenig helfen, diese Sprachlosigkeit in Handeln umzusetzen. Wir wollen unser Herz und unseren Verstand einsetzen, um die sinnlose Spirale von Terror, Gegengewalt und Krieg zu stoppen.

Bundespräsident Rau hat in seiner gestrigen Rede am Brandenburger Tor darauf hingewiesen, dass in diesen Tagen viele Menschen Angst haben. "Diese Angst darf uns nicht lähmen. Die Wut, die viele verspüren, die Ohnmacht, die so schwer zu ertragen ist, darf uns nicht kopflos machen" so Johannes Rau.

Eine Freundin von mir, die seit über 25 Jahren in den Vereinigten Staaten lebt, hat mir am Donnerstag in einem Email die Stimmung in den USA beschrieben: "Lieber Mathias, hier ist alles wie von einem grauen Schleier überzogen. Man tut zwar, was man zu tun hat, aber irgend etwas fehlt. Ein paar Bekannte haben sich mit Vorräten (auch mit Waffen) eingedeckt und befürchten das Schlimmste. Andere (meist Frauen) hoffen, dass es nicht zum großen Krieg kommt, während wieder andere (überwiegend Männer) am liebsten ihr Gewehr ergreifen und das "ganze Araberpack" erschießen wollen. Am meisten jedoch spürt man Trauer, Anteilnahme, Bestürzung, und Patriotismus (der WalMart hat gestern 19 mal so viele amerikanische Fahnen verkauft wie im gesamten letzten Jahr). Viele wollen helfen und tun es auch. Zu solchen Zeiten bin ich froh, dass ich keinen Sohn habe, der in den Krieg ziehen muss."

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11.9.2001
erste
Reaktionen
Die entsetzlichen Terrorakte in New York und Washington zeigen uns, dass die Anwendung von Gewalt und Terror im Gegensatz zu den Errungenschaften der Zivilisation und den Werten der Humanität steht. Das menschliche Leben ist das höchste Gut, das es zu schützen gilt!

Es gibt keine noch so große Ungerechtigkeit auf der Welt und es gibt kein politisches Ziel, das Terror und Gewalt rechtfertigen. Solche Anschläge sind menschenverachtend und barbarisch.

Wenn wir heute hier zusammen gekommen sind, stellt sich auch um die Frage, wie es weiter gehen soll. Viele Menschen sprechen davon, dass sie Angst vor einem neuen Krieg haben, der auch unser Land berühren könnte.

Der norwegische Friedensforscher Johann Galtung erklärte gestern in der ARD: "Der Schwache übt Rache, der Starke übt Zurückhaltung." Prof. Galtung warnte vor einem neuerlichen christlichen Kreuzzug gegen die Moslems. Damit spricht er die große Befürchtung an, die viele Menschen haben.

Die ersten Reaktionen der amerikanischen Regierung lassen befürchten, dass mit den angedrohten massiven Vergeltungsschlägen an der Spirale der Eskalation und des Krieges weiter gedreht wird und es letztlich wieder hunderte und tausende Zivilisten sind, die Opfer sein werden. Weitere Terrorakte sind zu befürchten und wir werden jahrelange kriegerische Auseinandersetzungen in vielen Ländern erleben müssen. Lasst uns diesen Wahnsinn stoppen!

Militärschläge der USA nutzen weder den Opfern des Terrors noch ihren Angehörigen. Wenn Präsident Bush jetzt meint, der neue Krieg im 21. Jahrhundert würde gewonnen, täuscht er die Menschen. Die Kriege der Neuzeit kennen nur Verlierer und das ist vor allem die Zivilbevölkerung.

Rache ist der schlechteste Ratgeber. "Die beste Art sich zu rächen ist, nicht Gleiches mit Gleichem vergelten!" so Mark Aurel. Wir appellieren deswegen an unsere Regierung und an unsere Mannheimer Abgeordneten in Berlin, alles zu unternehmen, damit die US-Regierung nicht mit militärischer Vergeltung antwortet.

Die Schuldigen und die Drahtzieher müssen verfolgt und bestraft werden. Gegenüber blankem Terror gibt es keinen hundertprozentigen Schutz. Wer aber dem Terrorismus und dem Fanatismus langfristig den Boden entziehen will, muss für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, für menschenwürdige Lebensverhältnisse auch auf der südlichen Hemisphäre unseres Planeten und für ein solidarisches Miteinander der Menschen und Staaten eintreten. Mit jedem neuen Bombenkrieg wird neues Elend, neuer Haß und neuer Terrorismus gezeugt.

Gerade in diesen Tagen müssen die Werte der Zivilisation, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Humanität verteidigt werden. Zum Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gehört auch, dass der Staat nicht nach dem archaischen Prinzip "Auge um Auge" handeln darf. Selbstjustiz und Vergeltung widersprechen unseren Werten der Zivilisation.

Der 11. September hat uns die Verwundbarkeit der hochtechnisierten und zusammenwachsenden Welt gezeigt. Selbst das hochgerüsteste Land ist verwundbar. Das sagt uns, dass letztlich mit Hochrüstung und Militär kein Frieden zu sichern ist. Wer langfristig den Frieden sichern will, braucht andere Mittel und andere Wege. Wir müssen verhindern, dass die Welt nach dem 11. September kriegerischer und kälter wird.

Ich warne aber auch vor einer Verschärfung des innenpolitischen Klimas - vor einem neuen deutschen Herbst wie in den 70er Jahren. Es ist erschreckend, wenn jetzt über die Verschärfung des Zuwanderungsrechtes gesprochen wird. Es ist beängstigend, wenn jetzt arabisch aussehende Menschen beschimpft und bedroht werden und wenn eine neue Pogromstimmung gezeugt wird. Es darf keinen neuen Kreuzzug des Christentums gegen den Islam geben. Es darf keine Trennung zwischen einer "zivilisierten" und einer "nicht zivilisierten" Welt geben. Es darf kein neues Feindbild aufgebaut werden. Schon in der Sprache sehen wir die gefährliche Tendenz: "die Palästinenser", "die Araber", "die Moslems". Wer solche Schablonen gebraucht denkt eindimensional.

Es ist auch besorgniserregend, wenn jetzt der Ausbau der Bundeswehr forciert und gefordert wird, damit deutsche Soldaten europa- und weltweit zum Einsatz kommen können.

Lassen Sie mich zum Schluß ein paar Sätze aus der gestrigen Berliner Rede unseres Bundespräsidenten zitieren:

"Wir müssen den Terrorismus bekämpfen und wir werden ihn besiegen. Dazu brauchen wir einen langen Atem. Wer den Terrorismus wirklich besiegen will, der muss durch politisches Handeln dafür sorgen, dass den Propheten der Gewalt der Boden entzogen wird.

Armut und Ausbeutung, Elend und Rechtlosigkeit lassen Menschen verzweifeln. Die Missachtung religiöser Gefühle und kultureller Traditionen nimmt Menschen Hoffnung und Würde. Das verführt manche zu Gewalt und Terror. Das sät den Hass schon in die Herzen von Kindern.

Alle Menschen haben das Recht auf Anerkennung und auf Würde. Wer in seinem Leben Anerkennung erfährt und wer sein Leben liebt, der wird es nicht wegwerfen wollen. Wer in Würde und Zuversicht lebt, aus dem wird kaum ein Selbstmordattentäter werden.

Entschlossenes Handeln ist das Gebot der Stunde. Weil wir das wissen und zeigen, weil wir daran keinen Zweifel lassen, darum sagen wir auch: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist eine gerechte internationale Ordnung. Die Frucht der Gerechtigkeit wird der Friede sein.

Das ist mühsam. Das dauert lange, das kostet nicht nur Zeit. Aber eine friedlichere, eine sichere Welt muss uns das wert sein. Für uns und für die Kinder unserer Welt.

Wir haben apokalyptische Bilder gesehen. Sie müssen uns aufrütteln, damit der Friede neuen Raum gewinnt. Die Freiheit braucht die starke Macht des Friedens und zum Frieden gehört die Freiheit. Wir haben allen Anlass zu Wachsamkeit, aber keinen Grund zur Panik. Vor allem anderen brauchen wir gut überlegtes Handeln. Unser gemeinsames Ziel ist Friede und Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit für alle Menschen, wo immer sie leben."


Mathias Kohler / Friedensplenum Mannheim

E-Mail:   friedensplenum.mannheim@gmx.de
Internet: http://www.frieden-mannheim.de
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