Syrien

Wiederaufbaukonferenz zu Kobanê

von Memo Sahin

Seit der Befreiung von Kobanê aus den Händen des Islamischen Staates (IS) am 26. Januar 2015 sind von etwa 200.000 geflüchteten Menschen 90.000 wieder nach Kobanê und den umliegenden Dörfer zurückgekehrt. Sie möchten dort ein neues Leben beginnen; ein Leben nach der Invasion der islamistischen Banden, ein Leben auf der verbrannten Erde, in der zerstörten Stadt Kobanê.

Am 2. und 3. Mai 2015 fand in Amed/Diyarbakir eine Konferenz zum Wiederaubau von Kobanê statt. Die Veranstalter der Konferenz waren neben der Stadtverwaltung von Amed auch die Handels- und Industriekammer von Diyarbakir sowie weitere NROs in Zusammenarbeit mit der Kantonalregierung von Kobanê.

An der Mammut-Konferenz nahmen etwa 350 eingeladene Gäste, VertreterInnen der politischen Parteien und NROs aus vier Teilen Kurdistans teil. Am ersten Tag gab es  inhaltlich ähnliche Statements der Delegierten in fünfminütigem Takt, sodass mit der konkreten Arbeit erst am zweiten Tag begonnen werden konnte. Aber die Konferenz, die als eine Geberkonferenz agieren sollte, verfehlte  ihr Ziel auch am zweiten Tag. Nur einige NROs machten konkrete Vorschläge, z.B. den Bau einer  kleinen Gesundheitsstation oder einer Schule.

Kobanê ist immer noch von allen Seiten umzingelt
Kobanê ist seit dem 26. Januar wieder frei, ist aber fast total zerstört und vom Osten, Süden und Westen in Umkreis von 30-40 km von den islamistischen IS-Banden umzingelt.

Konkret wurde das Ausmaß der Zerstörung der Stadt durch ein Video, das die Delegierten zum Weinen brachte. Der Vertreter der Kirchen in der Türkei sagte: „Ich bin weder Kurde noch Moslem. Ich bin ein Armenier, ein Christ. Ich habe wie Ihr beim Zuschauen des Videos geweint. Wir helfen nach unseren Möglichkeiten den jesidischen Flüchtlingen aus Sindchar/Shengal. Jeder muss das leisten, was er kann.

Die Architekten- und Ingenieurkammer von Diyarbakir hat im Auftrage der Kantonalregierung eine professionelle Bestandsaufnahme vorgenommen. Sie hat alle Viertel der Stadt gesichtet, mit alten Plänen verglichen und das Ausmaß der Zerstörung dokumentiert. Das Stadtzentrum und der Basar der Stadt, d.h. das Herz von Kobanê, sind bis zu 100 Prozent zerstört. Die Wohnviertel sind zum Teil bis zu 50 Prozent erhalten geblieben.

Wasser- und Stromversorgung der Stadt sind seit 2-3 Jahren von dem IS zum Erliegen gebracht worden. Einige Brunnen und Generatoren in der Stadt reichen nicht aus, den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Die Haupteinnahme der Bevölkerung basiert  auf landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Mit insgesamt 164.000 Hektar Ackerfläche hat Kobanê etwa 40% des Getreides in Syrien produziert. Sie sind für mindestens ein Jahr unnutzbar. Achtzig Prozent der landwirtschaftlichen Maschinen, wie Traktoren, wurden entweder mitgenommen oder zerstört. Von 340.000 Stück Vieh ist fast nichts geblieben.

Ohne Öffnung der Grenze kein Wiederaufbau möglich
Es wurde vereinbart, dass eine neue Wiederaufbaukonferenz in Europa stattfinden soll. Außerdem wurde beschlossen, eine Stiftung zum Wiederaufbau von Kobanê zu gründen und alle Spendengelder dort zu sammeln. Ferner wurde eine Koordination aus 15 Personen gebildet.

Anstatt eine weitere Mammut-Konferenz mit 350 Menschen zu veranstalten, konnte man in diesem Treffen mit etwa 50-100 ExpertInnen effektiver arbeiten und handfeste Ergebnisse erlangen. Mit Workshops konnte man in einigen Bereichen, wie Wiederaufbau, Infrastruktur, Erziehung, Gesundheit, Ackerbau, diplomatische und politische Druckmechanismen, gute und anschauliche Ergebnisse erzielen.

Solange aber die Grenze über die Türkei nach Kobanê für Waren- und Personenverkehr nicht freigegeben wird, wird es fast unmöglich sein, Kobanê wiederaufzubauen und europäische NROs zu gewinnen. Um diese Grenze zu öffnen, muss eine effektive politische und diplomatische Arbeit geleistet und der Druck auf die Regierung in Ankara erhöht werden.

Die Öffentlichkeit in Deutschland und Europa ist gefordert, die Sensibilität, die sie während der Kämpfe und Belagerung in Kobanê zeigte, auch zum Bewegen der politischen Mechanismen zum Öffnen der Grenze und zum Wiederaufbau von Kobanê an den Tag zu legen. Ohne Öffnung der Grenze, ohne Sicherheit und ohne Erwerbs- und Einkommensmöglichkeiten haben die Menschen in Kobanê keine Zukunft!

Im April zu Ostern 2015 war Pro Humanitate wieder an Ort und Stelle, um die RückkehrerInnen konkret mit Brot zu unterstützen. Pro Humanitate war die erste europäische Hilfsorganisation, die von Anfang an die Kriegsflüchtlinge kontinuierlich unterstützt hat.

Wer den Wiederaufbau unterstützen möchte, kann an Pro Humanitate e.V. Köln spenden. Spendenkonto: Pro Humanitate e.V., IBAN DE16 3705 0198 0010 2625 33,  Sparkasse KölnBonn, Stichwort: Rojava

Kontakt: pro-humanitate [at] t-online [dot] de, www.pro-humanitate-koeln.de

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Friedensbewegung international

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