Ostermärsche und -aktionen 2010

update:
03.04.2010


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Ostermärsche und -aktionen 2010

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2010 in Stuttgart am 3. April

Ostermarsch 2010 - Frieden ist eine Frucht der Gerechtigkeit. Raus aus Afghanistan

Alfred Nicklaus (in Stuttgart)



- Sperrfrist: 3. April 2010, Redebeginn: ca. 12 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



Liebe Freundinnen und Freunde,

Viele haben sich gefreut, als Verteidigungsminister Guttenberg von einer kriegsähnlichen Situation in Afghanistan sprach. Sie haben die Kleinigkeit übersehen, dass es nicht sein Ziel war, der Wahrheit die Ehre zu geben. Mit seiner Bewertung "kriegsähnlicher Situation" will er seinen Oberst Klein strafrechtlich schützen. Denn: in einem Krieg ist Tötung von Menschen "normal".

Nun ist endlich wg. des Massakers von Kundus ein Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein eingeleitet worden. Nicht von seinen Vorgesetzten. Auch Guttenberg findet, dass Klein keinen Fehler gemacht hat. Fachleute rechnen aber mit der Einstellung des Verfahrens. Obwohl klar ist, dass Klein gegen seine Vorschriften verstoßen hat.

Übrigens: Jene Altenpflegerin aus Konstanz hat auch gegen Vorschriften verstoßen. Sie hat 4 Maultaschen mitgenommen. Hätte sie es nicht getan, wären diese vier Maultaschen in den Abfall gekommen. Sie hat hierfür die fristlose Kündigung erhalten. Beide - die Altenpflegerin und Oberst Klein haben gegen eine Vorschrift ihres Arbeitgebers verstoßen.

Durch das Verhalten der Altenpflegerin wurde der Müll des Altenheimes um vier Maultaschen kleiner. Durch das Verhalten des Oberst Klein wurden vermutlich 142 Menschen getötet. Die Altenpflegerin hat die fristlose Kündigung hierfür erhalten. Oberst Klein noch nicht einmal eine Rüge seines Ministers. Die Frau benötigte die zweite Instanz um ihren Arbeitgeber einen Vergleich vorzuschlagen. Soviel zum Thema Recht in Deutschland.

Menschenrechte

Wir helfen - so sagen unsere Politiker und Militärs - den Schutz der Menschenrechte in Afghanistan aufzubauen. Prima - dies ist von Herzen allen Menschen in Afghanistan gegönnt. Aber: 2,2 Mrd. Menschen auf dieser Erde leben in schlimmster Not. Weit, weit unter dem Existenzminimum. Gehört das nicht zu den Menschenrechten - leben zu können. Nicht unter - sondern über dem Existenzminium.

Schulbesuch von Mädchen

Wir helfen so sagen unsere Politiker, dass in Afghanistan Mädchen in die Schule gehen können. Prima - dies ist allen Mädchen in Afghanistan sehr von Herzen gegönnt. Aber: alle fünf Sekunden stirbt ein Kind unter 10 Jahren. An Krankheit und Hunger.

MDGs

Im Jahre 2000 haben sich 192 Staats- und Regierungschefs verpflichtet die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren. Auch Deutschland war dabei. 2/3 der Zeit ist vergangen. Doch bis heute ist nicht der geringste Fortschritt zu verzeichnen. Im Gegenteil: die Zahl der Armen ist selbst nach der Statistik des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit gestiegen!!!

Entwicklungshilfe

10 Mrd. geben wir im Jahr für die "wirtschaftliche Zusammenarbeit" aus. Denn "Entwicklungshilfe" war schon bisher eher eine Hilfe für deutsche Unternehmen als für arme Menschen in der Welt. Der neue Minister Niebel will diese Orientierung für die deutsche Wirtschaft noch verstärken.

Also 10 Mrd geben wir im Jahr für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Zum Vergleich: Das ist vier mal die Abwrackprämie oder zwei Mal Stgt 21

Deutschland Platz 14

Bei der "Entwicklungshilfe ist Deutschland auf Platz 14. Vor Deutschland liegen so arme Länder, wie Irland, Belgien... Die Länder haben sich verpflichtet 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auszugeben. Deutschland liegt gerade Mal bei 0,37 %. Bei gerade der Hälfte. Wer in einer Klausur nur mal die Hälfte der Punkte erreicht liegt vermutlich bei der Note 4.

Deutsche Waffen töten auch ohne deutsche Soldaten

Bei Waffen "made in Germany", welche exportiert werden gehört Deutschland dagegen zu den Klassenbesten. Ich würde lieber in einem Land leben - wo dies umgekehrt ist.

Waffenproduktion ist überhaupt zu reduzieren. Waffenexporte sowieso. Erst recht in Krisengebiete. Dazu später mehr.

Griechenland

Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland gehörte in den letzten fünf Jahren zu den fünf größten Rüstungskäufern der Welt. Nun werden die Armen und die arbeitslosen Menschen in Griechenland dafür bestraft werden, dass die griechische Regierung über den Waffenkauf, deutsche Arbeitsplätze gesichert hat. Dass die griechische Regierung dies konnte, haben US-amerikanische und europäische Banker möglich gemacht. Wieso werden diese Banker jetzt nicht zur Verantwortung gezogen?

NATO

Morgen ist der Geburtstag der NATO. 61 Jahre wird sie. Ich denke wir sollten sie in Rente schicken.

Opfer unserer Opfer

Stuttgart, tut sich schwer sich mit seiner braunen Geschichte auseinander zu setzen. Da ist Stuttgart keine Ausnahme unter den deutschen Städten. Ich will nur das Stichwort "Hotel Silber" die ehemalige Gestapozentrale hier ganz in der Nähe nennen. Dies gilt auch jetzt noch, wenn es offensichtlich Bewegung in der Sache gibt. Dazu waren viele Protestaktionen und viel Anstrengung der Freunde, die sich in dieser Sache engagieren notwendig.

Anstelle einer wirklichen Auseinandersetzung mit den braunen Flecken Deutschlands wird die Unterstützung Israels zur "Staatsräson" erklärt. Keine Frage: Israel wurde bei seiner Gründung 1948 zu einer Heimat für viele Opfer Nazi- Deutschlands.

Aber: Angefangen vor der Staatsgründung 1948 über die verschiedenen Kriege seither - vertreibt Israel bis heute systematisch die palästinensischen Einwohner aus der Region. Vieles erinnert daran, wie die weißen Regimes in Südafrika vorgegangen sind. Auch im israelischen Staatsgebiet gibt es an Apartheid erinnernde Zustände. Diskriminierung von Palästinensern. Muslimischen und christlichen

Palästinenser. Zu Weihnachten und jetzt zu Ostern schauen viele deutsche Christen nach Bethlehem bzw. Jerusalem. Aber 2000 Jahre zurück. Dass Bethlehem eingemauert ist wird nicht zur Kenntnis genommen. Heute bringen die Frauen in Bethlehem ihr Kind nicht in einer Krippe zur Welt. Aber an Checkpoints, welche beliebig geöffnet und geschlossen werden. Deutschland schweigt dazu und so werden die Palästinenser zu Opfern unserer Opfer.

Palästinenser

Keine Frage - auch auf palästinensischer Seite gibt es Fehler, Korruption und Gewalt. Ich will es mit einem Bild versuchen zu erklären: Wenn jemand hier nun steht auf dem Schlossplatz. Der Vordermann stellt sich ihm auf die Füße. Wenn dieser nur kurz darauf steht, dann wird er für einen Moment an Versehen oder Ungeschicklichkeit denken. Wenn der aber nicht daran denkt, wieder von den Füßen herunterzugehen? was dann? er wird ihn mehr oder weniger freundlich bitten herunter zu gehen. Zeigt dies keine Wirkung wird er andere bitten den dazu zu bringen von seinen Füßen herunter zugehen? Vielleicht hört er auf die anderen? Ich könnte mir vorstellen, dass irgendwann selbst der gütigste und verständnisvollste dem "auf die Füße Stehe" versucht herunter zu stoßen.

Seit mehr als 60 Jahre steht Israel auf den Füßen der Palästinenser. Anerkennt nicht die Lebensrechte des palästinensischen Volkes. Baut Siedlungen, zerstört palästinensische Häuser. Tilgt die Spuren palästinensischer Dörfer. Tötet die Anführer der Palästinenser. Sperrt sie ins Gefängnis. Sogar Kinder. Erst jüngst ging ein Hilferuf eines Vaters um die Welt. Sein 7 und 12 jährigen Söhne wurden auf der Straße wegverhaftet. Der 7 jährige wurde freigelassen. Der 12 jährige wurde einem "Richter" vorgeführt. In Handschellen und Fußfesseln. Ein 12 jähriger. Der Richter verurteilte den Jungen zu einer Geldstrafe! Ohne eine Anklageschrift. Immerhin hat er einen Richter gesehen. Nach mir vorliegenden Zahlen sind zur Zeit 306 palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen!

UNO

Seit mehr als 60 Jahren stehen die Israelis auf den Füße n der Palästinenser. Die Palästinenser wehren sich dagegen. Rufen die Öffentlichkeit an. Sie haben ihr Anliegen der UNO vorgebracht. Unzählige Beschlüsse und Resolutionen wurden immerhin von der UNO gefasst. Israel wurden Vorgaben gemacht. Israel hat diese ignoriert. Israel besetzt weiter palästinensisches Gebiet. Israel baut weiter Siedlungen in palästinensischem Gebiet. Israel durchlöchert weiterhin palästinensisches Gebiet wie Schweizer Käse. So wird die Westbank zu Homelands. Zu Bantustans.

Der Internationale Gerichtshof hat den Bau der Mauer als illegal eingestuft. Israel baut weiter. Niemand stoppt Israel. Der Gazastreifen wird zu einem Gefängnis unter israelischer Herrschaft. Israel bestimmt, wer hinein oder herausdarf. Welche Materialien zum Wiederaufbau notwendig sind, welche nicht. Tunnelbauer in Ostberlin galten als Friedenskämpfer. Im Gazastreifen sind es Terroristen. Sonderbar. Dies wird nicht legitimer, wenn auch Ägypten sich daran beteiligt.

Der Einsatz der NATO auf dem Balkan wurde begründet, weil sich Jugoslawien nicht an die UNO Beschlüsse gehalten hat. Mit gleicher Logik müsste die NATO nun in den Nahen Osten ziehen. Nicht um Israel zu beschützen - sondern um Israel in die Schranken zu weisen. Vielleicht gibt es andere Möglichkeiten.

Die evangelischen Frauen haben die Apartheid in Südafrika bei uns zum alltäglichem Thema gemacht. Sie hatten damals die Kampagne organisiert: Kauft keine Früchte der Apartheid.

Deutsche Waffen sind dabei

Und auch nach Israel werden deutsche Waffen exportiert. Kleine und große. Ende der 90er Jahre erhielt Israel zwei U-Boote. Aktuell werden zwei weitere in Kiel gebaut. 1/3 der stolzen Kosten von 500 Millionen pro U-Boot trägt der deutsche Staat. Nun soll Israel zwei weitere Kriegsschiffe geschenkt werden. Israel ist in all den Jahren Besatzer eines fremden Landes gewesen. Als Spannungsgebiet - par exellence. Und doch erfolgt die Lieferung. Und gar noch mit finanzieller Förderung.

Ostern

Christen in der ganzen Welt feiern in diesen Tagen Ostern. Dies meint die Auferstehung Jesu von dem Tod. Dies meint genauso: Das Aufstehen gegen den Tod und alles was Tod bringt - z.B. Ungerechtigkeit und Waffen. Dies meint aber genauso: Das Aufstehen für das Leben und alles was Leben ermöglicht.

Ostern feiern heißt deshalb für mich: Gegen Rüstung, gegen atomare Rüstung und gegen Unterdrückung aufzustehen. Ostern feiern heißt deshalb für mich: Für Gerechtigkeit aufzustehen. Denn Frieden kann nicht durch Waffen geschaffen werden. Frieden kann nicht herbei gebombt werden.

Frieden ist eine Frucht der Gerechtigkeit.



Alfred Nicklaus ist Diakon in der kath. Kirchengemeinde St. Georg in Stuttgart. Vita siehe hier

E-Mail: nicklaus (at) st-georg-stuttgart (Punkt) de
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