Redebeitrag für den Ostermarsch XX (Stadt) am XX. April 2019 (Datum)

 

- (ggf.) Sperrfrist: XX. April 2019, Redebeginn: XX Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Europa – unser Kontinent, auf dem wir alle leben – ist alles andere als perfekt. Und seine Politik erst recht nicht. Und es kann auch niemand behaupten, die EU-Staaten seien friedlich. Man kann darüber lange diskutieren. Aber heute und hier soll es um etwas anderes gehen. Nämlich um einen ganz erstaunlichen Umstand: Es sind nun schon mehrere Generationen junger Menschen in der EU aufgewachsen, die keinen Krieg kennen. Die das Gefühl nicht haben, verfeindete Nachbarländer fürchten zu müssen. Die Landesgrenzen überqueren und sich mit Freunden zum Beispiel in Frankreich treffen, als wäre nichts selbstverständlicher.

Noch vor einhundert Jahren war Frankreich unser Erzfeind. Der erste Weltkrieg, diese grausame „Urkatastrophe“ des vergangenen Jahrhunderts war gerade erst vorbei. Junge Männer kehrten – wenn überhaupt – schwer verletzt und traumatisiert nach Hause zurück. Und weitere Katastrophen sollten noch folgen. Das ist noch gar nicht so lange her. Die europäische Versöhnung und Einigung wurde dann auch und vor allem begonnen als Reaktion auf die unfassbaren Gräuel, die sich die Menschen in Europa im ersten und zweiten Weltkrieg angetan haben.

Es schien lange Zeit so, als hätten die Staaten Europas aus Millionen von Toten endlich gelernt. Heute dürfen wir hier in Frieden leben. Das ist gut und wichtig. Und es ist für uns schon so selbstverständlich geworden, dass wir viel zu selten darüber nachdenken.

Aber die Europäische Union, unser Europa, ist gerade dabei, ihre Friedensvision aufzugeben. Gerade jetzt arbeiten Kräfte in der Europapolitik daran, aus der EU ein Militärbündnis zu machen. Die Mitgliedsstaaten treiben mit Macht die militärische Zusammenarbeit voran und investieren in die Abschottung der EU-Außengrenzen mit meterhohen Zäunen und Stacheldraht. Im politischen Diskurs hört man vor allem Schreckensszenarien und Sicherheitsdenken. Angeblich wird Europa von außen bedroht, durch Geflüchtete, durch Russland oder noch andere. Wir müssen uns verteidigen, heißt es. Und plötzlich sind offene Grenzen kein Zeichen von Freiheit mehr, sondern ein Unsicherheitsfaktor.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Zur Migrationsabwehr will die EU künftig die Aufrüstung und Ausbildung von Armeen in Staaten wie Mali und dem Niger finanzieren – und sogar gemeinsame Militäreinsätze durchführen. Bezahlt wird das Ganze aus einer neuen sogenannten „Friedensfaszilität“: Dieser Name ist blanker Hohn – denn wir wissen doch, dass Militäreinsätze keinen Frieden bringen. Stattdessen ist die Gefahr groß, dass Gewalt eskaliert und Menschenrechtsverletzungen begangen werden, wie vergangenes Jahr in Mali.

Im Vertrag von Lissabon haben die EU-Staaten ganz klar formuliert: Das Ziel der Union ist, den Frieden zu fördern! Doch in den Entwürfen für den zukünftigen EU-Haushalt ist eine Kürzung der Mittel zur Förderung von Frieden und Menschenrechten eingeplant. Stattdessen gibt es neue Instrumente zur Rüstungsförderung und einen Verteidigungsfonds. Zivile Mittel der Konfliktprävention werden zusammengestrichen und es ist geplant, massiv aufzurüsten. Das ist eine Entwicklung die auf keinen Fall so weitergehen darf!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

in etwa einem Monat, am 26. Mai ist Europawahl. Wir alle können dann über unsere Vertreterinnen und Vertreter im Europaparlament abstimmen. Das EU-Parlament wirkt an der EU-Gesetzgebung mit – es kann also Gesetzesentwürfe stoppen. Außerdem entscheidet es mit über die Finanzplanung der EU – also auch darüber, ob Rüstungsprojekte oder Friedensförderung finanziert werden. Das bedeutet: Mit unserer Stimme bei der Europawahl entscheiden wir auch, in welche Richtung sich die Politik der Europäischen Union in den kommenden Jahren entwickelt. Und wir können mit unserer Stimme ein Zeichen setzen gegen eine Militarisierung Europas.

Deshalb haben insgesamt 74 Organisationen, Institutionen und Hilfswerke Anfang des Jahres 2019 den Aufruf "Rettet das Friedensprojekt Europa!" gestartet. Darunter sind Misereor und Brot für die Welt, Greenpeace und das Forum Ziviler Friedensdienst, Ohne Rüstung Leben, der Aachener Friedenspreis und viele mehr. Diese Organisationen haben eine gemeinsame Vision für die EU, nämlich: Nicht weniger Europa, sondern eine Europäische Union, die für Frieden und Menschenrechte eintritt – zu Hause und jenseits ihrer Grenzen. Weil wir überzeugt sind, dass die EU die Herzen ihrer Bürgerinnen und Bürger nur als Friedensprojekt und nicht als Militärmacht gewinnen wird.

Wir wollen:

  • Dass das EU-Parlament sich dafür einsetzt, dass die Europäische Union am Friedensprojekt Europa festhält und nicht zur Militärmacht wird.
  • Dass es nicht zulässt, dass die Europäische Union zur Abwehr von Flüchtenden und Migration Staaten aufrüstet, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen.
  • Dass die Mittel der Europäischen Union zur Förderung der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und der Menschenrechte gestärkt werden.

Wir haben jetzt die Chance, das Steuer rumzureißen und das Europa des Friedens und der Menschenrechte zu fordern, in dem wir leben möchten. Unterstützt den Aufruf „Rettet das Friedensprojekt Europa!“ mit eurer Unterschrift und sammelt noch viele weitere Unterschriften. Sprecht mit den Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl über Friedenspolitik, über eure Sorgen und eure Forderungen – dafür gibt es bei vielen Friedensorganisationen auch Wahlprüfsteine, zum Beispiel bei der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!

Und vor allem: Geht am 26. Mai wählen – für ein besseres und friedlicheres Europa!

 

Stand: 26.02.2019 / SB