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Uran-
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vom:
Januar 2000


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Uranmunition und andere Verstöße:

  wiss. Hintergrundinformationen

Zusammenfassung in Thesen

Einige grundlegende Aspekte der Völkerrechtswidrigkeit von Uranwaffen

Manfred Mohr



Wirkungen und Einsatzfälle

Der Grundsatz der nicht unbeschränkten Wahl

Unnötige Leiden / überflüssige Verletzungen

Unterschiedslose Wirkung

Umwelt

Gift und vergiftete Waffen

Sonstiges

Die Konsequenzen

Rotes Kreuz, Humanitäres Völkerrecht und die "Waffenfrage"

Auf dem Weg zur Ächtung





1. Wirkungen und Einsatzfälle

Uranwaffen wirken (stark) giftig und (vermindert) radioaktiv/strahlend. Die Wirkungen sind durch Gesundheitsschäden nach dem 2. Golfkrieg belegt bzw. werden (hier) vorausgesetzt. Trotz vorhandener Hitzewirkung handelt es sich nicht um eine (speziell verbotene) Brandwaffe. Es gibt eine nicht unerhebliche Ausdehnung der Waffeneinsatzwirkungen in Raum und Zeit. Zwischen dem Einsatz im Golf- und im Jugoslawienkrieg gibt es - u.U. auch rechtlich relevante - Abstufungen.



2. Der Grundsatz der nicht unbeschränkten Wahl

Nach Art. 22 Haager Landkriegsordnung (HLKO) und Art. 35 Abs. 1 Zusatzprotokoll 1 zu den Genfer Abkommen (ZP 1) haben die Konfliktparteien keine unbeschränkte Wahl hinsichtlich der Mittel und Methoden der Kriegführung. Die Regel, die sich zu Gewohnheitsrecht und ius cogens (zwingendem Recht) verdichtet hat, kann in der Konsequenz zum (vollständigen) Verbot bestimmter Waffen führen. Überlegungen der "militärischen Notwendigkeit" (und Effizienz) werden durch diese Regel, im Sinne der Verhältnismäßigkeit, grundlegend eingeschränkt. Unter "Mittel" sind Waffen im weitesten Sinne zu verstehen (einschl. Panzerungen). Die grundsätzliche Regel wird durch spezielle Waffenverbote ergänzt, aber nicht ersetzt. Sie hat die Pflicht zur Überprüfung neuer Waffen zur Folge (Art. 36 ZP 1).



3. Unnötige Leiden / überflüssige Verletzungen

Als Ausformung des eben genannten Grundsatzes ist ein entsprechendes Zufügungsverbot in Art. 23 Abs. 1 e HLKO und Art. 35 Abs. 2 ZPI formuliert. Es findet auf Uranwaffen Anwendung. Hinter der Verbotsregel steht die Überlegung, daß es ausreicht, den Gegner kampfunfähig zu machen. Erneut geht es (auch im Einzelfall) um Verhältnismäßigkeit. Das SIrUS Projekt des Roten Kreuzes versucht, von einem medizinischen Ansatz, bestimmte Kriterien und Aspekte zu fixieren. Hier spielt auch der Gesichtspunkt der "Selbstschädigung" (von eigenen Truppen) eine Rolle, der die Ächtung bestimmter Waffen erleichtert (Beispiel: B- und C-Waffen).

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4. Unterschiedslose Wirkung

Entsprechende Verbotsregeln enthalten Art. 51 Abs. 4 c und 5 b ZP 1. Dahinter steht der Grundsatz, daß stets zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung, zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden ist, Auch wenn nur gegen militärische Ziele (Panzer) eingesetzt, kann die Uranwaffe in ihrer Gift- und Strahlenwirkung nicht (in Raum und Zeit) beschränkt bzw. gesteuert werden.



5. Umwelt

Das Verbot ausgedehnter, langanhaltender und schwerer Schädigung der Umwelt ist in Art. 35 Abs. 3, Art. 55 Abs. 1 ZP 1 enthalten. Es setzt eine hohe Anwendungsschwelle voraus, die beim Uranwaffeneinsatz, speziell im Hinblick auf die Schwere der Schädigung (noch) nicht erreicht sein dürfte. Allerdings könnte man aber (alternativ) die Umweltwirkungen über das althergebrachte Verbot der nicht gerechtfertigten Verwüstung und Eigentumszerstörung erfassen. Hinzu kommen die (genannten) Prinzipien der Unterscheidung und der Verhältnismäßigkeit sowie Grundsätze des "Friedens"-Umweltrechts. Aktuelle, gewohnheitsrechtliche Entwicklungslinien werden im Kemwaffengutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) aufgezeigt.



6. Gift und vergiftete Waffen

Ihr Einsatz ist u.a. nach Art. 23 Abs. 1 a HLKO verboten. Hier handelt es sich die Hauptwirkung und den (rechtlichen) Hauptansatzpunkt für eine Verbotsargumentation. Die Regel verkörpert einen uralten Grundsatz.



7. Sonstiges

Die Wirkungen von Uranwaffeneinsatz können sich - verbotenerweise - auf nichtbeteiligte Dritte bzw. Neutrale erstrecken. In jedem Fall gibt die Martenssche Klausel, wonach Maßstab Grundsätze des Völkerrechts bleiben, wie sie sich aus feststehenden Gebräuchen, aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.



8. Die Konsequenzen

8.1. Kriegsverbrechen

Der Einsatz von Uranwaffen stellt ein Kriegsverbrechen dar, nach:

 Art. 6 b Statut des Nürnberger Tribunals (IMT); Art. 3 a und b des Statuts des Ex-Jugoslawien-Tribunals (ICTY): "Verletzungen der Kriegsgesetze und -gebräuche" (s.o.);

 Art. 2 c (und d) ICTY-Statut; Art. 85 Abs. 3 b ZP 1: "schwere Verletzungen der Genfer Abkommen" (Schutz der Zivilbevölkerung); Verbot unterschiedslos wirkender Angriffe;

 Art. 8 Nr.2 b des Rom-Statuts für einen Internationalen Strafgerichtshof: "Umwelt" (iv); "Gift" (xvii); (u.U.) "verbotene Waffe" (xx).

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist umfassend (Verantwortlichkeit von Befehlsgeber und -empfänger; keine Immunität oder Verjährung). Die praktischen Umsetzungschancen sind (jedoch) differenziert zu bewerten, wobei die gemäß Universalitätsgrundsatz für jeden einzelnen Staat gegebene Strafverfolgungsmöglichkeit nicht übersehen werden darf.

8.2. Verantwortlichkeit und Haftung

Es gilt der u.a. in Art. 91 ZP 1 formulierte Grundsatz, daß Staaten, unbeschadet der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, für Verletzungen des humanitären Völkerrechts (politisch) verantwortlich sind und haften (z.B. mit Schadensersatz). Als Ausfluß dessen kann man eine Verpflichtung des verantwortlichen Staates zur "Säuberung" der verseuchten Gebiete und sonstiger Wiedergutmachung (auch gegenüber betroffenen eigenen Soldaten) annehmen. Die Frage der Völkerrechtsverletzung (und einer entsprechenden Verantwortlichkeit) durch Uranwaffeneinsatz ist auch in der Klage Jugoslawiens gegen NATO-Staaten vor dem IGH enthalten.



9. Rotes Kreuz, Humanitäres Völkerrecht und die "Waffenfrage"

Die Grundidee - auch für die Rotkreuzbewegung - lautet: Kriege durch die Beseitigung von Waffen unmöglich zu machen. Von daher beschäftigt man sich nicht nur mit Massenvernichtungswaffen` Landminen u. ä. Kategorien, sondern nunmehr auch mit "Kleinwaffen", den aktuell hauptsächlichen, am meisten verbreiteten Instrumenten humanitärer Völkerrechtsverletzungen. Rotes Kreuz und Humanitäres Völkerrecht stehen in Relation zu Frieden, Abrüstung und Menschenrechten. Eine Beschäftigung mit diesen Themenbereichen bedeutet (per se) keine Verletzung des Gebots politischer Neutralität. Grundsätzlich gilt, daß Idealfall die Nichtanwendung des Humanitären Völkerrechts, also der Nicht-Krieg, ist. Die 27. Internationale Rotkreuzkonferenz hat in der "Waffenfrage" weitere Akzente gesetzt.



10. Auf dem Weg zur Ächtung

Die Uranwaffen, die sich zwischen Kernwaffen und konventionellen Waffen "bewegen", sollten - ansetzend an ihre allgemeine Völkerrechtswidrigkeit - speziell geächtet werden. Daß solche Prozesse erfolgreich sein können, haben in jüngster Zeit die erzielten Verbotsregelungen für Landminen und Laserblendwaffen gezeigt. In der Menschenrechtsunterkommission ist u.a. bereits (niedergelegt in den Resolutionen 1996/16 und 1997/36) eine komplexe Argumentationslinie gegen solche (und ähnliche) Waffen entwickelt worden, die u.a. eine Verbindung zu Menschenrechten (Recht auf Leben) und Friedenssicherung herstellt. Für eine Ächtungskampagne bestehen gute und vielfältige Koalitionsmöglichkeiten.

Kontakt: Manfred Mohr (IALANA), Geschäftsstelle: e-mail:
bbh-marburg@t-online.de

aus: Dokumentation der Tagung "Uran-Waffen im Einsatz: Irak, Kosovo, ... " vom 21.-23.01.2000 in der Ev. Akademie Mülheim a.d. Ruhr (
http://www.ekir.de/akademie.htm)


Manfred Mohr ist Mitglied der IALANA
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