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2006


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Ostermärsche und -aktionen 2006

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Rede beim ostermarsch 2006 am 17. April in Hamburg

Liebe Freunde und Freundinnen des Friedens,

Hans-Jürgen Benedict (in Hamburg)

Frohe Ostern wünsche ich Ihnen. Ob Christ oder Nichtchrist - Sie kennen sicher die Osterbilder vom auferstandenen Christus: Sie sind ein schönes Symbol für die Überwindung kriegerischer Gewalt. Da steht der Auferstandene mit dem Siegesfähnlein in der Hand, setzt seinen Fuß auf den Grabesrand und auf die römischen Soldaten, die wie tot daliegen. Das Militär entmachtet, vielleicht werden sie Friedhofswärter. Nicht wahr: Das Osterfest hat sich jenseits seiner engeren christlichen Bedeutung dem allgemeinen Bewusstsein als ein Fest des Aufstands gegen den Tod und für das Leben eingeschrieben. Im Osterspaziergang Fausts heißt es treffend von den Bürgern, die sich da in Wald und Feld, an Alster und Elbe ergehen "Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht, sind sie alle ans Licht gebracht." Ja, wir sind aufgestanden aus den nur kommerziellen und privaten Bindungen, aus dem staatlich und massenmedial verfügten Schlafzustand, um im Ostermarsch den andauernden Skandal von Rüstung, Kriegsdrohung und Krieg ans Licht zu ziehen. Abrüstung statt Sozialabbau. Für eine Friedensstadt Hamburg - heißt das Motto unseres Marsches. Lassen sie mich als älterer christlicher Friedensforscher auf eine Frage besonders eingehen: Zivile Konfliktbearbeitung statt kriegerischer Gewalt !

Uns ist es nicht egal, wie gegenwärtig die Bundeswehr für den weltweiten Einsatz umgerüstet wird gegen ihren Verfassungsauftrag. Für 75 Mrd. Euro werden in den nächsten 10 Jahren 35.000 Mann Einsatzkräfte, 70.000 Mann Stabilisierungskräfte und 210.000 unterstützende Soldaten und ziviles Personal mit umfangreichen Waffen- und Ausrüstungsprogrammen versehen. Die Bundeswehr stellt den größten Truppenanteil für die schnellen Eingreiftruppen der NATO und der EU, die binnen vierzehn Tagen an jedem Ort der Welt Krieg führen kann. Das wird damit gerechtfertigt, dass es so genannte humanitäre Kriege zum Schutz bedrohter Bevölkerungsgruppen geben muss - siehe die Vertreibungen, die dem Kosovokrieg vorausgingen. Tatsächlich aber wurden die Vertreibungen massiv erst durch den Krieg hervorgerufen. Auch wer den Krieg nur als letztes Mittel will, schafft damit eine Dauerlegitimation für ständige Aufrüstung, setzt letztlich auf militärisch gestützte Sicherheitspolitik nach dem Motto: "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." So gibt es keinen Ausstieg aus dem Gewaltzirkel und der Rüstungsspirale, den die Menschheit so nötig braucht. Also noch mal: Eine so genannte humanitäre Intervention ist kein gerechter Krieg und die Kirchen wollen und sollen sich auch nicht mehr dazu hergeben, mit diesem fragwürdigen Konstrukt Krieg zu rechfertigen. Sie stellen wie jüngst die Synode der Rheinischen Kirche den Vorrang ziviler Konfliktbearbeitung heraus und verlangen die Anerkennung ziviler Konfliktlösung als ausdrückliches Instrument der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

Es ist auch ermutigend, dass der deutsche Papst sich gestern in die Tradition seines Vorgängers stellte. Wie jener gegen den Irakkrieg eintrat, so warnte dieser deutlich vor einem Krieg mit dem Iran. Das sind die Divisionen, die nach der Frage Stalins die Päpste, die Kirchen haben: Hunderttausende friedensbereiter Menschen, die sich an der zivilen Lösung von Konflikten beteiligen. Die sich sozial engagieren in den Konflikten vor Ort und weltweit, die für nicht geduldete Flüchtlinge eintreten, die von Abschiebung bedroht sind, mit benachteiligten Kindern in sozialen Ghettos arbeiten, Entwicklungsdienste leisten, sich als Friedensarbeiter ausbilden lassen. Diese Friedensarmee muss wachsen, parallel zum Abbau der militärischen Armeen.

Die Menschheit wird nie ganz ohne soziale Konflikte leben, dazu sind die Interessen zu unterschiedlich und vielfältig. Aber wir können und müssen lernen sie ohne Gewalt, zivil, friedlich zu lösen - innerstaatlich und zwischen den Staaten. Dafür müssen wir Friedenskräfte ausbilden! Um das gegenwärtig viel diskutierte Gewaltproblem an Hauptschulen zu lösen, ist der Einsatz der Polizei das falsche Mittel. Nötig sind kleine Klassen, die vermehrte Einstellung von Sozialpädagogen, Gespräche, Beratung in den Familien, Trainings, die Arbeit an den Ursachen sozialer Ausgrenzung, Bereitstellen von Ausbildungslätzen - all das sind Mittel, um zivile Konflikte zu lösen. Dafür brauchen wir auch in Hamburg mehr Geld. Innerstaatlich wie zwischenstaatlich - es muss entschieden umgedacht und umgeplant werden. Wie weit wir von diese Umdenken entfernt sind, zeigt eine Zahl: Für das Programm Ziviler Friedensdienst standen 2005 nur 14 Mio. Euro zur Verfügung, während für Auslandseinsätze der Bundeswehr 1,4 Mrd. Euro, also das Hundertfache, eingeplant waren.

Gelungene Beispiele friedlicher Friedenssicherung sind in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Dabei gibt es sie. Das eindrücklichste Beispiel: Die friedliche Beilegung des Apartheidkonflikts in Südafrika. Aber auch die Gewaltprävention durch die OSZE in Estland und Lettland in dem Konflikt um die Staatsbürgerschaft für die russisch-stämmige Bevölkerung 1998 ist ein solches Beispiel für zivile Konfliktbearbeitung. Und kleine Initiativen wie "Ferien vom Krieg" für serbische kroatische, bosnische und kosovo-albanische Kinder. Der parents circle israelischer und palästinensischer Familien, die ihre Kinder durch Terror und Vergeltungsakte verloren haben.

Soziale Entwicklung statt Aufrüstung. Viele der Kriege, in die die NATO und die USA intervenierten, hatten innerstaatliche Ursachen. An ihrer Beseitigung ist mit aller Kraft zu arbeiten. Und für die Friedenssicherung kann es dann eine ständige, nicht nationalstaatlich gebundene Blauhelm- und Polizeitruppe im Rahmen der UNO geben. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, "dass es gelingt künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren," wie es in der UN-Charta heißt.



Kein Krieg mit dem Iran!



Kein Bundeswehreinsatz im Kongo!


Dafür wollen wir marschieren. Damit wir das fröhlich tun, zum Schluss ein Text, den ich vor 20 Jahren verfasst habe:

Abrüstung oder: den Krieg nicht mehr lernen:
Die Soldaten schießen nur noch Purzelbäume.
Auf dem Flohmarkt verhökern Generäle ihr Lametta.
Piloten bewerben sich als Vogelschutzwarte.
Unteroffiziere drängen in Strickkurse.
Aus Fallschirmseide fertigt man Hochzeitskleider.
Nur einige Unbelehrbare hocken
vor den Haufen teuren Waffenschrotts und greinen:
"Es war so schön Soldat zu sein."




Hans-Jürgen Benedict ist Theologe und Professor an der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie des Rauhen Hauses in Hamburg.

E-Mail: hjbenedict@rauheshaus.de
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