Aktion „Freie Senne“

von Arno Klönne
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

„Gott schuf in seinem Zorn die Senne bei Paderborn“ – so lautete ein alter deutscher „Landser“-Spruch. Er gab den Gefühlen derjenigen Ausdruck, die hier unter den Schindereien des „Barras“ zu leiden hatten, der Ausbildung für den Einsatz im Krieg. Seit Kaiser Wilhelms Zeiten wird in der naturschönen Sennelandschaft für’s Militärhandwerk trainiert, erst wilhelminisch, dann hitlerdeutsch, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch NATO-britisch. Und immer wieder wurden hier Opfer oder Hinterlassene der Kriege untergebracht, Gefangene, Internierte, Vertriebene. In Stukenbrock-Senne war von 1941 bis 1945 eines der größten Lager für Gefangene vor allem aus der UdSSR angesiedelt, zigtausende wurden hier unter Regie der Deutschen Wehrmacht zu Tode gebracht. Die Initiative „Blumen für Stukenbrock“ (www.blumen-fuer-stukenbrock.de) erinnert jedes Jahr zu Anfang September an dieses mörderische Geschehen.

Zu Beginn der 1980er Jahre traten Sozialdemokraten und Grüne in der ostwestfälisch-lippischen Region mit der Forderung auf, die Senne „militärfrei“ zu machen, das Terrain mit seiner immer noch einzigartigen Fauna und Flora dem Naturschutz zu widmen. Parteipolitisches Engagement für eine „zivile Senne“ erlahmte, als Rot-Grün sich der „Enttabuisierung des Militärischen“ zuwandte. Übrig blieb das Projekt eines Nationalparks Senne-Teutoburger Wald, in der Hoffnung auf „Doppelnutzung“ des Geländes sowohl für einen Nationalpark als auch für weiteres Militärtraining. Eine illusionäre Idee - und im Juni diesen Jahres, noch unter dem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, bestätigte sich diese Einschätzung durch eine „Rahmenvereinbarung“ zwischen der Landesregierung NRW, der zuständigen Bundesanstalt und den britischen Streitkräften, in der die „ausschließliche und uneingeschränkte militärische Nutzung“ der Senne „für die Dauer des Bedarfs“ festgeschrieben wurde. Die neue rot-grüne Landesregierung in NRW hat sich nun wieder für das Projekt „Nationalpark“ ausgesprochen; aber um dem näher zu kommen, müsste sie erst einmal die bestehende Vereinbarung aufkündigen.

Engagement für eine „zivile Senne“ aber hat sich seit zwei Jahren auf alternative Weise entwickelt, außerparlamentarisch, zivilgesellschaftlich. In den Landkreisen und Anrainergemeinden der Senne regen sich Bürgerinitiativen, zum Protest vor allem gegen den Bau neuer „Kampfdörfer“ in der Senne, mit denen auf den Militäreinsatz in Ländern wie Afghanistan vorbereitet wird. „Krieg fängt mit Üben an“ heißt es auf der Titelseite der jetzt erstmals in einer Auflage von 20.000 Stück erschienen Zeitung „Unsere Senne“. Herausgegeben wird sie vom „Aktionskreis Freie Senne“, in dem unabhängig von Parteien NaturschützerInnen, Menschen aus der Friedensbewegung und Aktivisten aus den Anrainergemeinden zusammenarbeiten, unterstützt u.a. vom Bündnis gegen die Kampfdörfer, von der Paderborner Initiative gegen den Krieg und von Pax Christi.

Jetzt hat die britische Rheinarmee, unter dem Druck der Sparpolitik ihrer Regierung, den Truppenabzug schon bis zum Jahre 2020 angekündigt. Einige Bürgermeister und Landräte in der Region zeigten sich schockiert; wirtschaftliche Schäden seien zu befürchten, wenn das Militär abziehe. Über Möglichkeiten einer anderen militärischen Nutzung des Terrains wird geredet. Der Konflikt über die Zukunft der Senne wird damit schärfer. Der Aktionskreis „Freie Senne“ wirbt für den Truppenabzug als auch wirtschaftliche Chance und fragt: „Wer plant, wer entscheidet? Hinter verschlossenen Türen?“ In der Zeitung „Unsere Senne“ heißt es: „Was aus der Senne wird, hängt von uns ab, von den Menschen, die in der Region leben.“

Weitere Informationen zum Aktionskreis Freie Senne und Download der Zeitung „Unsere Senne“ unter: www.KeineKampfdoerfer.de

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Prof. Dr. Arno Klönne, Jg. 1931, war Professor für Soziologie an der Universität Paderborn.