Netzwerke der Friedensbildung

Bewegung für mehr Friedensbildung

von Bernd Rieche
Schwerpunkt
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Das Kultusministerium Nordrhein-Westfalen und das zuständige Wehrbereichskommando II der Bundeswehr unterschrieben 2008 eine Kooperationsvereinbarung Ähnliche Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und den Kultusministerien in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Sachsen folgten. Damit begann eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Schule.

Gegen diese zunehmende Präsenz der Bundeswehr an Schulen haben sich in zahlreichen Bundesländern Akteure der Friedensbewegung zu Bündnissen wie „Schulfrei für die Bundeswehr“ zusammengeschlossen. Parallel dazu setzen sich friedensbewegte Gruppen dafür ein, Friedensbildung an Schulen zu stärken. Die Kooperationsvereinbarungen der Bundeswehr waren Anlass, nicht Grund, sich intensiver mit Friedensbildung an Schulen zu beschäftigen. Denn Friedensbildung ist unabhängig von Bundeswehr und Militär notwendig.

Friedensbildung im  engeren Sinne wird hier verstanden  als politische Bildung, die gesellschaftliche Teilhabe und demokratisches Miteinander in begleiteten Lernprozessen fördert und dabei ganzheitlich Kopf, Herz und Hand einschließt und den Umgang mit gesellschaftliche Konflikten im Fokus hat. Damit ist sie ein Teil einer umfassenden Friedenspädagogik, die beispielsweise auch persönliche Konfliktkompetenz beinhaltet. Diese Begriffe werden aber zum Teil unterschiedlich gebraucht und bedürfen immer wieder einer gemeinsamen Verständigung.

Friedensbildung fand bis dahin recht selten statt, es gab nur wenig aktuelles Material für die Schule, welches militärisches Handeln in aktuellen internationalen Konflikten kritisch behandelt. Viele militärkritische Unterrichtsmaterialien waren aus Zeiten der Ost-West-Konfrontation vor 1990 oder thematisieren Fragen der Kriegsdienstverweigerung. Ebenso fehlte eine auch nur annähernd relevante Anzahl gut ausgebildeter Referent*innen aus der Friedensbewegung, und es fehlten die Strukturen und Ansprechpartner*innen, so dass interessierte Lehrer*innen häufig nicht wussten, an wen sie sich wenden können. Darüber hinaus fehlten die finanziellen Ressourcen, die es Referenten*innen ermöglichen, in den Unterricht zu gehen oder die zur Erstellung von aktuellem Unterrichts- und Informationsmaterial eingesetzt werden können.

Um dieses zu ändern und Friedensbildung bundesweit zu fördern, hatten die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) und die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) das Projekt „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“ ins Leben gerufen. In engem Kontakt mit anderen, wie der DFG-VK und der Gewerkschaft GEW, wurde die bundesweite Vernetzung vorangetrieben. Ziel war es, für Lehrer*innen Material für Friedensbildung verfügbar zu machen und die Voraussetzungen zu schaffen, dass Referenten*innen der Friedensbildung bundesweit eingeladen werden können. Entstanden ist die Webseite www.friedensbildung-schule.de mit Materialien der Friedensbildung.

Schnell wurde deutlich, dass es nicht sinnvoll ist, eine zentrale Vermittlung für Referenten*innen aufzubauen, da es hierfür regionale Strukturen braucht und auch für politische Arbeit die jeweiligen Kultusministerien der Länder Ansprechpartner sind. Entsprechende Netzwerke haben sich seitdem in NRW, Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Norddeutschland, Mitteldeutschland, im Saarland und jüngst in Niedersachsen gegründet. Sie sind  jeweils unterschiedlich aktiv und weisen unterschiedliche Erfolge auf. Einige, wie das norddeutsche oder mitteldeutsche Netzwerk, organisieren Fachtagungen und fördern so die regionale Vernetzung und Fortbildung der pädagogisch Arbeitenden. Fast alle bieten Vermittlung von Referenten/innen und kooperieren dabei z.T. mit den jeweiligen Kultusministerien. In Baden-Württemberg konnte eine staatlich finanzierte „Servicestelle Friedensbildung“, gemeinsam getragen von Staat und Zivilgesellschaft, etabliert werden.

Erste Kooperationsverträge der Netzwerke, u.a. in Rheinland Pfalz, riefen heftige Debatten innerhalb der Friedensbewegung hervor, da sie einerseits als Chance für Friedensbildung gesehen wurden, aber anderseits als Feigenblatt des „sowohl zivilen als auch militärischen Ansatzes“ für die Präsenz der Bundeswehr in Schulen missbraucht worden seien.

Nach einiger Zeit der Klärung hat sich verdeutlicht, dass die beide Ansätze „Bundeswehr raus“ als auch „Friedensbildung rein“ gleichzeitig betrieben werden können, jedoch eine Trennung der Bündnisse sinnvoll ist, da für Friedensbildung ein breiteres Bündnis, bspw. inklusive der Kirchen, aufgebaut werden kann, während ein klares „Bundeswehr raus!“ bis in die Friedensbewegung hinein unterschiedlich diskutiert wird. Viele der Aktiven für „Bundeswehr raus aus Schule!“ engagieren sich auch  gleichzeitig für eine Förderung von Friedensbildung in der Schule.

Bundesweites Netzwerk Friedensbildung
Mit Ende des Projektes „Friedensbildung, Bundeswehr und Schule“ wurde der Aufbau des Bundesweiten Netzwerkes Friedensbildung unterstützt, welches sich am 14.1.2017 in Frankfurt /M. offiziell gegründet und eine Grundsatzerklärung verabschiedet hat. Seitdem arbeiten in diesem die regionalen Netzwerke der Friedensbildung und bundesweite Organisationen, wie AGDF, GEW, DFG-VK, BSV, pax-christi, AFK und seit kurzem das GPENreformation, ein internationalen Netzwerk evangelischer Schulen, mit.

Regelmäßig trifft sich der Koordinationskreis, dieser lädt zu einem Jahrestreffen, in der Regel angekoppelt an eine Fachtagung der regionalen Netzwerke ein.

Schwierig ist und bleibt, dass Bildungsfragen in der Kompetenz der Bundesländer liegen und daher viele Vernetzungszusammenhänge regional sind und sein müssen. Thematische bundesweite Netze orientieren sich meist auf entsprechende Finanzquellen hin, wie Globales Lernen auf das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) oder Bildung für nachhaltige Entwicklung auf das für Umweltschutz zuständige Bundesministerium. Für Friedensbildung gibt es keine solche Zuordnung zu einem Fachministerium, so dass einerseits Ressourcen knapp sind und andererseits auch die Frage des Verhältnisses zu verwandten Bildungsansätzen, wie Globales Lernen oder Nachhaltige Entwicklung, nicht leicht zu beantworten sind.

 

Bundesweites Netzwerk Friedensbildung mit Links zu den regionalen Netzwerken
netzwerk-friedensbildung.de
Unterrichtsmaterialien und Dokumente zur Friedensbildung
www.friedensbildung-schule.de  
Planspiel Civil Powker zum zivilen Engagement in internationalen Konflikten:
www.civilpowker.de
Ausstellung zum Zivilen Friedensdienst, inkl. pädagogischen Begleitmaterialien: www.ziviler-friedensdienst.org
Ausstellung „Peace counts“ mit Material für die Bildungsarbeit von Friedensaktivisten weltweit:
www.peace-counts.de
Ausstellung „Frieden geht anders“
www.friedensbildung.de

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Bernd Rieche ist Referent der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden in Bonn und dort u.a. für die Themen zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Friedensbildung zuständig. Bis 2003 war er Geschäftsführer des Friedenskreises Halle e.V.