Symbole

Der Friedenssonntag im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

von Karlheinz Lipp

Frieden braucht Symbole – und ein Sonntag für den Frieden zählt zu diesen Symbolen. In Großbritannien veranstalteten Friedensbewegte bereits seit den 1840er Jahren Friedenssonntage.

In Deutschland erfolgten erst Jahrzehnte später erste Versuche, einen solchen speziellen Sonntag einzuführen.

Elsbeth und Max Friedrichs veranstalteten zusammen mit der Freien Evangelischen Gemeinde in Königsberg am 13. Dezember 1908 den ersten Friedenssonntag in Deutschland. Besonders Elsbeth Friedrichs kamen dabei ihre guten Kontakte zu Großbritannien hinsichtlich des Friedenssonntags zugute, die Predigt an diesem Tag und an einigen weiteren Friedenssonntagen der nächsten Jahre hielt ihr Ehemann Max. Es war, bezeichnend genug, keine evangelische Landeskirche, die einen Friedenssonntag organisierte. Die Ortsgruppe Königsberg der Deutschen Friedensgesellschaft versuchte durch einen Appell an die Konfessionen einen gemeinsamen Friedenssonntag zu gestalten, scheiterte aber mit diesem Anliegen am mangelnden Interesse.

Elsass-Lothringen (1913)
Als Folge des Krieges von 1870/71 gehörte Elsass-Lothringen bis 1918 als „Reichsland“ zum Deutschen Kaiserreich. Einem Großteil der Bevölkerung war klar, dass bei einem erneuten Krieg zwischen Frankreich und Deutschland gerade ihre Region als Grenzgebiet unmittelbar betroffen sein würde.

Vor diesem Hintergrund wird auch das pazifistische Verhalten der evangelischen Landeskirche in Elsass-Lothringen verständlich. An der Spitze des Straßburger Oberkonsistoriums stand mit Friedrich Curtius ein Mann, der selbst ein Anhänger der Friedensbewegung war. So wurde er 1913 zum Präsidenten des Verbandes für internationale Verständigung gewählt.

Ein wichtiger Baustein der friedenstheologischen Bemühungen stellte die Einführung eines Friedenssonntags dar. Den Ausgangspunkt hierfür bildete die Versammlung von Straßburger Pfarrern am 22. Mai 1913, die einstimmig für einen solchen Sonntag votierten. Die weitere Entwicklung verlief dann relativ schnell und ausgesprochen harmonisch.

Am 13. November 1913 fasste das Oberkonsistorium den Beschluss zur Feier eines Friedenssonntages. Anders als in der Freien Evangelischen Gemeinde zu Königsberg feierte nun eine ganze Landeskirche am 7. Dezember 1913, dem zweiten Advent, einen Friedenssonntag. Für die Friedensbewegung in Deutschland, besonders für die Friedenspfarrer, bedeutete dies einen beachtlichen Erfolg, der weitere positive Entwicklungen möglich erscheinen ließ.

Religiöser Sozialismus (1919 bis 1933)
Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten sich in einigen Landeskirchen religiös-sozialistische Gruppen. Besonders das Engagement für soziale Gerechtigkeit und Frieden stand dabei im Mittelpunkt. Dies zeigte sich u.a. in der Kritik des Baus von Panzerkreuzern, in Predigten zu Gedenk- und Feiertagen im Dienst des Friedens, in positiven Aufnahmen internationaler Friedenskonferenzen, in der Kritik an militaristischen Pfarrern und Kirchenleitungen, in der positiven Rezeption pazifistischer Belletristik sowie in einer deutlichen Kritik am Bündnis von Militarismus und Faschismus. In den religiös-sozialistischen Hochburgen Baden und Thüringen versuchten Pfarrer in den Synoden Friedensgottesdienste verbindlich für alle Geistlichen festzuschreiben. Diese Anträge wurden entweder abgelehnt oder derart verwässert, dass die ursprüngliche Intention kaum noch ersichtlich war.

Besondere Erwähnung verdient der Vorschlag der religiös-sozialistischen Fraktion im Thüringer Kirchenparlament. Hier wurde nicht nur der zweite Advent nach dem historischen Vorbild Elsass-Lothringens (1913) als Datum einer Feier des Friedenssonntages vorgeschlagen, sondern auch ein Sonntag um den 1. Mai. Damit sollte auf die enge Verknüpfung von sozialer Gerechtigkeit und Friede hingewiesen werden. In Karlsruhe veranstaltete der religiös-sozialistische Pfarrer und Quäker Heinz Kappes kontinuierlich während der Weimarer Republik Gottesdienste zum Friedenssonntag, mitunter auch mit ausländischen Gästen.

Weltbund für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen (1922 bis 1933)
Der Weltbund verstand sich als eine internationale und ökumenische Organisation mit pazifistischer Ausrichtung. Für viele deutsche Pfarrer und Kirchenfunktionäre bedeuteten dies Dimensionen jenseits ihrer Vorstellungswelt. Offiziell arbeitete Friedrich Siegmund-Schultze von 1914 bis 1946 als Schriftführer des Weltbundes. 

Ein Aspekt der Friedensarbeit stellte die Durchführung des Friedenssonntags dar. Am 11. August 1922 bat der Weltbund die nationalen Gruppen um die Organisation von Friedenssonntagen. Am 16. April 1923 erneuerte der Weltbund durch eine Resolution den Wunsch nach der Veranstaltung eines Friedenssonntages – und erwartete eine positive Resonanz der Kirchen in vielen Staaten, oft genug vergeblich. In den Jahren der Weimarer Republik kam es in Deutschland in den Hochburgen des Weltbundes zu Feiern des Friedenssonntages, so z.B. in Heidelberg (Pfarrer Maas), Nürnberg, Danzig und Apollonsdorf (Pfarrer Müller) bei Wittenberg.

Friedrich Siegmund-Schultze (1930 bis 1933)
Zweifelsohne gehört Siegmund-Schultze zu den führenden deutschen Friedenspfarrern des 20. Jahrhunderts. Nachdem ein erwartetes positives Echo auf den Aufruf des Weltbundes nach einer Einführung eines Friedenssonntags in Deutschland ausfiel, versuchte es der unermüdliche Friedensaktivist Friedrich Siegmund-Schultze in den Jahren 1930 bis 1933 alleine mit einem erneuten Anlauf. Der Friedenspfarrer zeigt sich dabei sehr geschichtsbewusst, schlug er doch als Termin für einen solchen kirchlichen Friedenstag den zweiten Advent vor, also jenen Tag, an dem in Elsass-Lothringen 1913 der Friedenssonntag gefeiert wurde.

Die intensiven Bemühungen Siegmund-Schultzes erbrachten nur bedingte Erfolge. Im Jahre 1938 scheiterte Siegmund-Schultze im Schweizer Exil mit dem Versuch, einen Friedenssonntag abzuhalten.

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Hintergrund
Karlheinz Lipp ist Historiker mit dem Schwerpunkt Historische Friedensforschung und Verfasser des Buches: Der Friedenssonntag im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Ein Lesebuch. Nordhausen 2014