Die Macht der Verweigerung

von Redaktion FriedensForum

Verweigerung Boykott, Nichtzusammenarbeit - gehört zu den stärksten 'Waffen", die jeder Mensch hat, sich ohne Gewaltanwendung gegen Unrecht, Ausbeutung und Kriegsvorbereitung zur Wehr zu. setzen. Nichts ist falscher, als das oft gehörte "Sie machen ja doch, was sie wollen" oder Kohls "Sie. demonstrieren, wir regieren". Denn selbst die blutigste Diktatur, umso mehr eine parlamentarische Demokratie wie die unsere, ist auf die Zustimmung und Mitwirkung ihrer Bürgerinnen angewiesen, eine Erfahrung, die schon viele Gewaltherrscher machen mußten.
Die englische Kolonialmacht scherterte letztlich an den von Ghandi initiierten Kampagnen der Nichtzusammenarbeit ebenso wie die Nazis an der Weigerung norwegischer Lehrerinnen, faschistisches Lehrgut zu unterrichten. Auch in diesem Land können Wirtschaftsbosse und Politiker inzwischen ein Lied von der Macht der Verweigerung singen - mensch denke nur an den Boykott südafrikanischer. Produkte oder an die ständig wachsende Zahl von Kriegsdienstverweigerern, die die Personallücke der Bundeswehr drastisch zu vergrößern Hoffnung gibt.

Es gibt verschiedene Formen der Verweigerung: den ökonomischen Boykott (Konsumboykott), den Steuerboykott, die Verweigerung von Dienstleistungen und Auf gaben im beruflichen Bereich (z.B. die Weigerung von Wissenschaftlerinnen, an Rüstungsforschung mitzuwirken), die Verweigerung staatlicher , Dienste (Kriegs- und "zivile" Ersatzdienste), Boykott von politischen Wahlen, Ämtern und Ehrentiteln und andere mehr. Verweigerung kann Ziviler Ungehorsam sein, wenn gesetzlich Vorgeschriebenes verweigert wird (z.B. die Verweigerung des Zivildienstes) oder auch im legalen Rahmen bleiben, z.B. der bereits erwähnte: Konsumboykott oder auch die gesetzlich geregelte Verweigerung des Kriegsdienstes nach, Grundgesetz Art. 4/3. Die Unterseheidung legaler und nichtlegaler Formen der Verweigerung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Verweigerung fast immer Sanktionen nach sich zieht: Auch wo keine gesetzlichen Regelungen verletzt werden, besteht meist ein starker ökonomischer oder sozialer Druck, zu gehorchen und geschehen zu lassen. Verweigerung ist daher ein Mittel, das allen zur Verfügung steht; aber ein gewisses Maß an Zivilcourage und Bereitschaft erfordert, Nachteile am Arbeitsplatz. Im persönlichen Bereich bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung in Kauf zu nehmen. Genau hier liegen aber auch die Stärken der Verweigerung; nämlich darin, 
- daß jede und jeder sie praktizieren kann 
- daß sie alltäglichen Widerstand er möglicht und daß sie uns zum Nachdenken über unsere individuelle Mitverantwortung zwingt.

Gemessen an ihren Möglichkeiten wird diese Aktionsform in der Friedensbewegung noch wenig genutzt, wenngleich in den vergangenen Jahren zunehmend ins Bewußtsein gerückt ist, daß und wie jede/r Einzelne an Militär, Rüstung und Kriegsvorbereitung mit beteiligt ist. Ohne uns, ohne Soldaten, Krankenschwestern und -pfleger, Lehrerinnen, Arbeiterinnen, Beamtinnen, Wissenschaftler Innen, SteuerzahlerInnen und Mütter und Väter kann es keinen Krieg geben'.

1984 wurde vom Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung eine Verweigerungskampagne ins Leben gerufen, die zur Verweigerung aller Kriegsvorbereitungen und Kriegsdienste, also auch gerade der im sog. "zivilen" Bereich angesiedelten, aufrief. In der damaligen Selbstverpflichtungs-erklärung hieß es: "Angesichts der Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles und der Entwicklung neuer offensiver Militärstrategien innerhalb der NATOverweiger . ich hiermit jede Form der Mitwirkung an  Kriegsvorbereitungen. Ich erkläre bereits jetzt, daß ich mich auch im 'Ernstfall allen Befehlen widersetze, die meine Einberufung zu militärischen oder zivilen Einheiten verlangen, die der Vorbereitung und Führung von Kriegen dienen".

Heute gibt es gute Gründe, Verweigerung erneut zum Thema zu machen:
- Besonders in den Bereichen Beruf und Wissenschaft ist da Bewußtsein der ethischen Verantwortung stark gewachsen. Es werden immer mehr Fälle von Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen und "normalen Angestellten" bekannt, die die Mitarbeit an Rüstungsprojekten verweigern
- Neue Boykott- und Verweigerungsformen werden initiiert: Friedenssteuerinitiative, Verweigerung der Wintex-Cimex-Manöver im nächsten Frühjahr ...
- Auf der anderen Seite schreitet der Ausbau des "zivilen" Bereichs der Gesamtverteidigung durch die Bundesregierung voran: Das neue Katastrophenschutzerweiterungsgesetz . wird in der nächsten Legislaturperiode wohl endgültig verabschiedet  werden, die Einführung eines sozialen Pflichtjahres für Frauen ist in der Diskussion, der Zivildienst wird zunehmend militärischen Erfordernissen angepaßt.
Die Redaktion dieses Rundbriefes hofft, mit dem Schwerpunktthema ''Verweigerung" einen Beitrag zu der Suche nach neuen Aktionsformen der  Friedensbewegung zu leisten.
Die Redaktion
 

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